Téllez - © APA / AFP / MIGUEL ALVAREZ

Die 605 Tage Dunkelheit der Dora María Téllez

19451960198020002020

Einst galt Dora María Téllez in Nicaragua als Nationalheldin – dann wurde sie zur politischen Gefangenen. Am 9. Februar kam sie nach 605 Tagen Isolationshaft frei. Nun kämpft sie weiter für die Demokratie.

19451960198020002020

Einst galt Dora María Téllez in Nicaragua als Nationalheldin – dann wurde sie zur politischen Gefangenen. Am 9. Februar kam sie nach 605 Tagen Isolationshaft frei. Nun kämpft sie weiter für die Demokratie.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Stimme am Telefon klingt fest, die Aussagen kohärent und reflektiert. Niemand würde denken, dass Dora María Téllez gerade 605 Tage Isolationshaft in einer dunklen Zelle hinter sich hat. Am 9. Februar wurde sie gemeinsam mit weiteren 221 Gewissensgefangenen aus Nicaragua nach Washington ausgeflogen. Téllez war eine der beliebtesten Comandantes der Sandinistischen Revolution, die vor 40 Jahren das rückständige Agrarland Nicaragua modernisieren und demokratisieren wollte.

Schon vor bald 45 Jahren wurde Dora María Téllez mit einer Gruppe politischer Gefangener ausgeflogen. Damals tobte ein Befreiungskrieg gegen die dynastische Diktatur der Somozas. Der Tyrann musste seine Gefangenen herausgeben, als im August 1978 ein Kommando von Guerilleros der Sandinistschen Befreiungsfront (FSLN) den Nationalpalast stürmte und die Parlamentsabgeordneten als Geiseln nahm. Unter den maskierten Rebellen fiel eine junge Frau auf, die sich „Comandante Dos“ nannte. Später erfuhr man, dass sich hinter dem Gesichtstuch die 22-jährige Medizinstudentin Dora María Téllez verbarg, trotz ihrer Jugend schon die Dritte in der militärischen Hierarchie der erfolgreichen Kommandoaktion.

Gesundheitsministerin unter Ortega

Ein Jahr nach der spektakulären Aktion, die die Diktatur erschütterte, regierte in Nicaragua eine revolutionäre Junta, angeführt vom 33-jährigen Daniel Ortega. Dora María Téllez interessierte sich nicht für militärische Aufgaben, fand vielmehr in der Koordination der international beachteten Alphabetisierungskampagne eine neue Aufgabe und wurde später zur Gesundheitsministerin ernannt.

Die Revolution sollte nicht viel länger als zehn Jahre dauern. Unter dem militärischen Druck einer von den USA gesponserten Konterrevolution und dem wirtschaftlichen Druck aus Washington schlitterte Nicaragua in die Abhängigkeit der Sowjetunion und fand im Fall der Berliner Mauer ein Menetekel. International überwachte Wahlen brachten eine breite Oppositionskoalition an die Macht.

Ortega musste die Regierung übergeben, verteidigte aber in der zur Partei gewandelten Guerillabewegung FSLN seinen Vorsitz. Bis heute. Kritiker seines autoritären Stils gründeten 1994 die sozialdemokratisch orientierte Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS). Unter ihnen der Schriftsteller Sergio Ramírez – und Dora María Téllez.

Als Daniel Ortega 2007 dank erfolgreicher Intrigenspiele an die Macht zurückkehrte, begann er, andere Parteien systematisch auszuschalten und alle Staatsgewalten unter seine Kontrolle zu bringen. Der autoritäre Durchmarsch gipfelte vor zwei Jahren in einer Verhaftungsorgie, der alle Oppositionellen, die noch nicht ins Exil geflüchtet waren, zum Opfer fielen. Darunter auch Dora María Téllez, die zum zweiten Mal gegen eine Diktatur ankämpfte. Diesmal gewaltlos.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung