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Die Angst vor der Moslem-Atombombe

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Am 9. Mai soll der Atomwaffensperrvertrag unbefristet verlängert werden. Israel entzieht sich - mit gutem Grund? - nach wie vor der Kontrolle.

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Am 9. Mai soll der Atomwaffensperrvertrag unbefristet verlängert werden. Israel entzieht sich - mit gutem Grund? - nach wie vor der Kontrolle.

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Das wichtigste politische Ziel des Khomeini-Regimes im Iran ist der Ausbau einer Nuklearindustrie, die der iranischen Armee erlaubt, Kernwaffen in Form von Bomben und Raketen einzusetzen. Wenn es gelingt, die notwendigen Produktionsmittel und Materialien zum Bau einer Atombombe zu beschaffen, könnte der Iran bereits innerhalb von drei bis fünf Jahren in den Besitz von Atombomben und Raketen gelangen. Sollte der Iran jedoch nur auf sich selbst angewiesen sein, so könnte er seine nuklearen Möglichkeiten erst in fünf bis zehn Jahren verwirklichen.” Dies ist Teil der Jahresinformationen, die der militärische Geheimdienst der israelischen Regierung jetzt vorlegte.

Der Besuch von US-Vizepräsident AI Gore Ende März in den Nahost-staäten, inklusive Israel, war auch diesem Thema gewidmet, denn die heutige Kernwaffengefahr im Nahen Osten konzentriert sich hauptsächlich auf einen Punkt: Iran. Gore versuchte die arabischen Staaten, insbesondere die Golfstaaten, trotz ägyptischen Drucks, zu überzeugen, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Obwohl sich Israel in den Augen fast aller Atom-spezialisten der Welt schon jahrelang im Klub der Nuklearwaffenpro-duzenten befindet, weigert sich der Judenstaat, dem Abkommen beizutreten; denn er sieht in seiner Nuklearpolitik das letzte, vielleicht effektivste Mittel zur Abschreckung von Staaten, die eventuell den Judenstaat von der Landkarte ausmerzen wollen.

Bereits am 5. Juli 1966 erklärte der jetzige Außenminister Schimon Peres (damals oppositionelles Kne-setmitglied): „Ich weiß, daß der Verdacht, daß Israel eine Atombombe produziert, unsere Feinde abschreckt. Warum sollen wir hier

Klarheit schaffen?” Diese Politik hat sich seither nicht geändert und führte dazu, daß Israel auch in diesem Jahr nicht bereit war, eine neue Nuklearpolitik anzunehmen. Mosche Dayan, verstorbener israelischer Verteidigungsminister, erklärte in den siebziger Jahren, daß „Israel niemals der erste Staat in Nahost sein wird, der Kernwaffen einsetzt”.

Erst dieser Tage hieß es im Iran, daß es eines seiner wichtigsten Ziele sei, dem zionistischen Judenstaat ein Ende zu setzen. Ahnliche Töne waren auch aus Libyen zu vernehmen. Und auch der Irak hat noch immer nicht seinen Plan aufgegeben, Israel in die Knie zu zwingen.

Druck aus Ägypten

Mit der Verpflichtung gegen die Verbreitung von Nuklearwaffen wird auch jene der Nichtanwendung chemischer und biologischer Waffen übernommen. Heute jedoch besitzt Syrien in Hülle und Fülle chemische Waffen und wird auch nicht zögern, diese im Kriegsfall einzusetzen. Israel befürchtet, daß moslemisch-fundamentalistische Staaten von Rußland oder von moslemischen, ehema-

ligen Sowjetrepubliken Know-how und Nuklearwaffen kaufen könnten. Ägypten versuchte in den letzten Monaten Druck auf Israel auszuüben, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, nachdem Ägyptens Staatspräsident Hosni Mubarak hervorgehoben hatte, daß sogar der Iran diesen unterschrieben habe. Trotz dieses massiven Drucks weigerte sich Israel, der Forderung nachzukommen. Daraufhin versuchte Ägypten die arabischen Staaten dazu zu bewegen, auch ihre Unterschrift zu verweigern - egal, ob diese im Besitz von Atommeilern sind oder nicht. Damit wollte Ägypten die arabische Führungsrolle übernehmen, die sich innen- und außenpolitisch günstig für Mubarak auswirken soll. US-Vizepräsident AI Gore hingegen versuchte die arabischen Staaten wieder umzustimmen, ohne Ägypten sein Gesicht verlieren zu lassen.

Die USA sind derzeit nicht daran interessiert, Israels Nuklearpolitik zu ändern, solange nicht klar ist, wie weit der Iran und andere fundamentalistische moslemische Staaten gehen werden, um eine „moslemische Atombombe” zu fabrizieren. Vorläufig ist eben Israel die einzige wirksa-

me Abschreckungswaffe in Nahost. Die israelische Weigerung, eine internationale Kontrolle zuzulassen, besteht weiter.

Dabei weiß Israel genau, daß es als demokratischer Staat sich dieser nicht entziehen kann, sobald es sich dem Atomwaffensperrvertrag anschließt. Dies im Gegensatz zu Irak und Iran, die sich zwar dem Abkommen anschlössen, doch hinter dem Rücken der internationalen Atomkommission in Wien mit Vorbereitungen zur Eigenproduktion von Atomwaffen begonnen haben. Erst nach einem Friedensabkommen mit allen Staaten in Nahost ist Israel bereit, ein neues Nahost-Nuklearabkommen zu unterzeichnen.

Diese israelische Nuklearpolitik findet breite Unterstützung bei der israelischen Bevölkerung und ihrer Vertretung im Parlament. Diese Politik wird von der gesamten Arbeiterund Merez-Partei unterstützt, und auch die Opposition von rechts bestand darauf, diese Nuklearpolitik erneut zu bestätigen. Dagegen sind nur einige außerparlamentarische Gruppen von „Grünen” und die kleine Kommunistische Partei, die kaum ins Gewicht fällt.

lm Jänner vergangenen Jahres jedenfalls behauptete die renommierte „New York Times”, daß Israel an fünfter Stelle der internationalen Kernwaffenmächte steht. Zugleich behauptete eine Publikation „Pa-lestine Studies”, daß Israel genug Uranium besitze, um noch 200 Jahre Kernwaffen herzustellen. Die englische „Aviation Week” schätzt - nach russischen Satellitenaufnahmen -, daß Israel bereits die im Lande produzierte „Jericho II” Mittelstreckenraketen installiert habe. Diese haben eine Reichweite von rund 2.000 Kilometern. Man könne auf diesen Raketen Atomsprengköpfe installieren. Laut „Aviation Week” verfüge Israel heute bereits über 100 bis 200 solcher Atomsprengköpfe.

Benjamin Netanjahu, Likudführer und Führer der gesamten rechten Opposition, erklärte 1993, daß Israel, sollte der Iran Nuklearwaffen einführen, mit seinen Möglichkeiten hier für Parität sorgen würde.

Das ist kein Textilbetrieb

Schon kurz nach der Staatsgründung bestand der verstorbene Ministerpräsident David Ben Gurion darauf, für Israel eine nukleare Option zu schaffen. Mitte 1959 wurde mit dem Bau des Atommeilers in Demona, südlich von Beerschewa, begonnen. Am 19. Dezember 1960 bestätigte der Sprecher der französischen Regierung, daß Frankreich Israel in der Produktion von schwerem Wasser und Uranium unterstütze, ähnlich wie Kanada Indien beim Bau seines Atomreaktors geholfen habe.

Die amerikanischen U-2 Spionagemaschinen, die seinerzeit den Atommeiler in Demona überflogen, konnten bereits damals davon Aufnahmen machen, doch Israel versuchte den Amerikanern einzureden, daß es sich hier um die Errichtung eines riesigen Textilbetriebes handeln würde.

Erst 1960 gab die israelische Regierung kleinlaut zu, daß es eine Kernforschungsanlage ist. Auf amerikanischen Druck hin erlaubte Israel amerikanischen Wissenschaftlern, den Atommeiler in Demona zu besichtigen. Doch schon damals war Israel nicht bereit, der internationalen Atomkommission den Atommeiler zwecks Kontrolle freizugeben.

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