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Die beste Entwicklungshilfe

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Erst durch die Globalisierung konnten sich viele Länder der Dritten Welt erfolgreich in die Weltwirtschaft einklinken.

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Erst durch die Globalisierung konnten sich viele Länder der Dritten Welt erfolgreich in die Weltwirtschaft einklinken.

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Noch nie in der Weltgeschichte vor den neunziger Jahren hat es das gegeben, daß über die Hälfte der Weltbevölkerung in I ändern lebt, in denen die Wachstumsrate des wirtschaftlichen Wachstums höher liegt als fünf Prozent. Denken Sie einmal darüber nach oder lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen, was das bedeutet: Fünf Prozent Wachstum, das bedeutet jedes Jahr ein Zwanzigstel mehr an Produkten. Nur zwölf Monate braucht man, um den Wohlstand um fünf Prozent zu steigern. Gut wenn das Bevölkern ngswachstum abgezogen werden muß etwas weniger. Aber nehmen Sie China mit einem inzwischen relativ geringen Bevölkerungswachstum.

Der 1 )urchschnittslebensstandard steigt in einem Land wie China mit > 1,2 Milliarden Menschen um acht Prozent pro Jahr. Und wer nach China reist, ist immer baff über all das, was inzwischen passiert ist. Das sagen auch jene Chinesen, die im Ausland tätig sind und wieder zurückkommen in die Heimat.

Revolutionäre Zeiten

Wir leben also, wirtschaftlich gesehen, in absolut revolutionären Zeiten, und dieses im positiven Sinn. Nur durch die Globalisierung ist es möglich, daß - angefangen von Japan über Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur, die früheren Kolonialländer wie Indonesien, wie Thailand, Vietnam und weitere Länder -dieser Prozeß möglich ist.

Er ist nur dadurch zustande gekommen, daß die Begierungen dieser Länder sich entschlossen dem Wettbewerb des Weltmarktes stellen. Nur dadurch haben sie die Möglichkeit gehabt, die Devisen zu erwirtschaften, die sie brauchen, um jene Guter zu kaufen, die die abendländischen Länder mit ihrem technischen Vorsprung entwickelt hatten. Das heißt: Nur dadurch, daß man auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist, kann man diejenigen Waren importieren, die gebraucht werden, um den Wachstumsprozeß in diesem Tempo voranzutreiben. Das ist die erste Feststellung.

Es ist, und das ist die zweite Feststellung, soziologisch gesehen, von ganz besonderer Bedeutung, daß eine Gesellschaft, die sich dem Weltmarkt stellt, der Tendenz nach eine offene Gesellschaft ist. Sie wird eine Gesellschaft, in der eine neue Form von Disziplin existiert im Verhältnis zur alten.

Die traditionellen Formen der Disziplin sind: die einmal vorgegebene Lebensaufgabe, die den meisten der traditionellen Gesellschaft durch Geburt vorgegeben ist, wird immer beibehalten. Der Vater war Schreiner, also übernimmt man das Geschäft und ist wieder Schreiner und so weiter ... Dazu kommt eine relativ geringe Ausrichtung am Markt. Die moderne Disziplin, die dieses vorhin erwähnte Wachstum ermöglicht, ist die Disziplin des Marktes und die Disziplin, daß man besser oder mindestens gleich so gut sein muß wie die anderen Mitbewerber am Markt. Das bedeutet, daß man sich ständig orientiert an den Bedürfnissen der Kunden, sich damit ständig orientiert am anderen.

Diese Erfordernisse kommen der ostasiatischen Mentalität, das muß man sagen, sicherlich entgegen.

Die Orientierung am anderen ist eine tiefsitzende Tugend der konfuzianischen Tradition. Auch auf Japan wurde diesbezüglich ein sehr starker Einfluß ausgeübt. Zu Zeiten Mao Tse Tungs wurden in China diese lugenden aber, wie wir alle wissen, in vollkommen aberwitziger Weise verschleudert. Heute ist das anders. Heute wird diese Kundenorientierung fruchtbar angewendet, und die Befriedigung daran führt außerdem noch dazu, daß die Chinesen immer reicher und immer wohlhabender werden.

Diese Möglichkeiten und Entwicklungen kommen von. außen, vom internationalen Markt. Im heimischen Markt, der ja nicht wettbewerblich organisiert ist, läßt sich diese Entwicklung nicht so ohne weiteres voranbringen.

Auch Japan war erst dazu imstande, als es in den internationalen Markt eingebunden war. Das Land hat zunächst versucht, auf militärischem Weg ein Imperium aufzubauen. Dieses Vorhaben ist bekanntlich gescheitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Strategie geändert, indem man sagte: jetzt müssen wir es halt anders machen, jetzt müssen wir dienen, nicht herrschen. Und dienen heißt, den Leuten diejenigen Waren zu einem niedrigen Preis liefern, die sie haben wollen. Diese Einstellung wurde bis zur Perfektion entwickelt. Heute sind die

Chinesen dabei, dasselbe zu tun und viele andere ostasiatische Staaten auch.

Indien ist aufgewacht, hat seine ziemlich destruktiven planwirtschaftlichen Vorstellungen, die aus der London School of Economics der dreißiger Jahre über den ersten Premierminister in die indische Politik eingebracht wurden, über Bord geworfen. Der Subkontinent wird immer stärker marktwirtschaftlich ausgerichtet, mit der Folge, daß auch dort die Wachstumsraten stark gestiegen sind.

Wir leben also in einem absolut revolutionären Zeitalter, was die Steigerung des Lebensstandards der Weltbevölkerung betrifft. Daß es davon Ausnahmen gibt, ist vollkommen klar, aber woran das liegt und was da warum schlecht funktioniert, wäre wieder ein eigenes Kapitel.

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