Merkel - © Foto: APA / AFP / POOL / Axel Heimken

Die CDU war nie nur konservativ

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Warum Thomas Biebricher in seinem Buch über die „Erschöpfung des deutschen Konservatismus“ von falschen Voraussetzungen ausgeht.

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Warum Thomas Biebricher in seinem Buch über die „Erschöpfung des deutschen Konservatismus“ von falschen Voraussetzungen ausgeht.

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Der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) war in den frühen 1980er-Jahren mit der Losung angetreten, dass das Land eine geistig-moralische Erneuerung benötige, nachdem in den 1970er-Jahren mit Willy Brandt und Helmut Schmidt durchgehend sozialdemokratische Kanzler regiert hatten. In einem Koalitionspapier versprach der spätere „Kanzler der Einheit“ eine „geistig-moralische Wende“. Diese Wende hat nie stattgefunden. Der gestürzte Kanzler Schmidt sagte rückblickend, dass es gar keine Wende gegeben habe, sondern die sozialliberale Politik fortgeführt wurde und „nur das Personal ausgetauscht“ worden sei.
Letztlich war die Wahl der Worte Kohls wohl etwas zu weihevoll. Konservative wandten sich enttäuscht von der CDU ab, weil sie gleichsam eine staatliche Rückabwicklung von 1968 erwartet hatten. Den politischen Mitbewerbern galt der Begriff als Schreckgespenst, um vor den „bösen Konservativen“ zu warnen. Insofern stellt sich die Frage, ob die ausgebliebene „geistig-moralische Wende“ so wichtig war, dass sie sogar im Titel des Buches auftaucht, dass der 1974 geborene Thomas Biebricher nun vorgelegt hat.
Die Kritik der großen Feuilletons in Deutschland fiel größtenteils sehr positiv aus, was damit zusammenhängen mag, dass die Hauptthese des Autors vielen Rezensenten wahrscheinlich gut schmeckt. Biebricher meint nämlich, der deutsche Konservatismus habe sich erschöpft. Da der Großteil der Journalisten eher links beziehungsweise grün eingestellt ist und nicht unbedingt durch eine besondere Affinität zu dezidiert konservativen Positionen auffällt, überrascht dieses Wohlwollen nicht.

Konservativ, christlichsozial, liberal

Biebricher holt sehr weit aus, vielleicht zu weit, um das angebliche Dilemma des deutschen Konservatismus zu beschreiben. Doch schon der Ansatz wirkt etwas schief. Zwar hat die Union die Geschicke der alten und der neuen Bundesrepublik weitgehend geprägt, doch dezidiert konservativ war sie dabei nie. Sonst wäre wohl auch eine solche Erfolgsgeschichte nicht möglich gewesen. Gerade weil die CDU und die bayerische CSU eine Union in Form einer Volkspartei waren und sind, stellten sie über so viele Jahre den Regierungschef und waren meist als der größere Partner an einer Regierung beteiligt. Ohne christliche, soziale und wirtschaftsliberale Akzente wäre dies einer rein konservativen Partei niemals möglich gewesen.

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