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Der Wahltriumph von Angela Merkel hat auch kritische Stimmen von liberal-konservativer Seite hervorgerufen. Aber was hätten die sich sonst gewünscht?

So einen wie Peer Steinbrück hätten wir schon genommen. Oder können Sie sich vorstellen, dass der, wäre er österreichischer Kanzler, "mit keiner Meinung“ in ein EU-Treffen "hineingeht und mit Merkels Meinung wieder raus“, wie ein Ondit über Werner Faymann lautet? Eben. Natürlich auch nicht, dass er als deutscher Regierungschef blank nach Brüssel kommt und mit der Position eines allfälligen Bundeskanzlers Spindelegger heimfährt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wobei - vielleicht hätte er mit Spindelegger über Parteigrenzen hinweg sogar mehr Gemeinsamkeiten als mit Parteifreund Faymann. Einwandfrei feststellen lässt sich das nicht, denn Steinbrück behauptet ja steif und fest, dass nicht stimme, was viele Beobachter diagnostizierten: dass ihm, dem moderaten und der wirtschaftlichen Vernunft verpflichteten Sozialdemokraten, von der Partei ein linker Gerechtigkeits- und Umverteilungswahlkampf aufgezwungen worden sei, in dem er naturgemäß mangels Glaubwürdigkeit nicht habe punkten können. Bei Faymann würde auf diese Idee freilich erst gar niemand kommen.

Merkels Dank an Schröder

Fest steht jedenfalls, dass Steinbrück gemeinsam mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier zumindest der Tendenz nach für jene Politik steht, mit der Kanzler Gerhard Schröder und sein Wirtschaftsminister Wolfgang Clement vor rund zehn Jahren den Boden bereitet haben, von dem Angela Merkel bis heute zehrt (so wie seinerzeit Tony Blair von den Thatcher’schen Reformen profitiert hat) - wofür sie sich bei ihrem Amtsantritt 2005 auch artig bedankt hat. Sollte Michael Spindelegger Kanzler werden, wird er sich jedenfalls bei Werner Faymann nicht sonderlich bedanken müssen. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Angela Merkel also für weitere vier Jahre. Viele Kommentatoren, die ihr schon bisher mangelndes Profil, allzugroße Anpassungsfähigkeit an politische Opportunitäten bzw. den tatsächlichen oder vermuteten Zeitgeist, ideologische Beliebigkeit vorgeworfen haben, mutmaßen, es könne nun nur noch schlechter werden. Die Kritik an Merkels Schwächen trifft im Kern zu, und die Tatsache, dass es im Bundestag - entgegen den prozentualen Mehrheitsverhältnissen - eine linke Mehrheit geben wird, macht die Sache gewiss nicht einfacher, zumal es ja auch in den Unionsparteien, namentlich der CSU, Abweichler gibt. Die Gefahr liegt nahe, dass Angela Merkel als Kanzlerin einer großen Koalition aus Union und SPD sich auf den Lorbeeren ihres Wahltriumphs ausruht und in der "deutschen Biedermeierstube“ (Neue Zürcher Zeitung) behaglich einrichtet - mit sicherer Hand, sozusagen.

Indes, vielleicht tut man ihr auch Unrecht, unterschätzt sie gar. Vielleicht beflügeln sie die fast 42 Prozent und die beinahe absolute Mandatsmehrheit zu Reformen, geben ihr Kraft für mehr Konsequenz und Standfestigkeit.

Das Schlimmste verhindert

Aber selbst wenn sie nur weiter macht wie bisher, muss man ihr zugute halten, dass sie jedenfalls auf europäischer Ebene meist zumindest das Schlimmste verhindert hat: dass sie bei der von den Linken und auch vielen Konservativen in den Süd- bzw. Krisenländern sowie vom Mainstream der veröffentlichten Meinung befürworteten Umwandlung der EU in eine Transferunion samt Vergemeinschaftung der Schulden auf der Bremse gestanden ist.

Europa war ja ursprünglich ein bürgerlich-liberales Projekt auf einem christlich geprägten Wertefundament, basierend auf den Prinzipien Freiheit, Vielfalt und Wettbewerb. Es ist alles andere als gewiss, dass die seit geraumer Zeit laufende schleichende Transformation zu mehr Zentralismus und Umverteilung verhindert werden kann. Aber die Chancen dafür stehen jedenfalls besser, wenn und solange Angela Merkel im Berliner Kanzleramt sitzt. Von einem österreichischen Politiker könnte man das nicht sagen. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

rudolf.mitloehner@furche.at

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