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Seit dem Ergebnis der Volksabstimmung, ursprünglich eine Idee der SPD, wird viel von einer "Schlappe“ oder "Niederlage“ des grünen Ministerpräsidenten gesprochen. Doch für Winfried Kretschmann könnte es viel mehr Kitt in seiner Koalitionsregierung sein: Denn da der Partner SPD dem Bau von Stuttgart 21 zugetan ist, hatte sich bei diesem Thema schon zu Beginn der Regierungsarbeit eine Zerreißprobe angekündigt. Der Entscheid des Souveräns hat dem rot-grünen Bündnis jetzt aus dieser Bedrängnis geholfen.

Der kühle Realo Kretschmann dürfte mit dem "Umschalten von ablehnend-kritisch auf konstruktiv-kritisch“ die bestmögliche Linie für sein weiteres Handeln gefunden haben. Schwieriger ist die Situation für Winfried Hermann, den entschiedensten Projekt-Gegner im Kabinett. Er muss nun just als Verkehrsminister exekutieren, was er so erbittert bekämpft hatte, weshalb seine politische Elastizität von vielen - je nach politischem Standpunkt - bereits bestaunt oder kritisiert wird.

Regierungschef Kretschmann hat hingegen an jene Wähler, die ihm vor einigen Monaten auf den Ministerpräsidentensessel geholfen hatten, die letzte Widerstands-Botschaft gesendet, die ihm in dieser Lage noch möglich ist: dass sich das Land an keinen Mehrkosten beteiligen werde.

Durch einen Irrtum an die Macht?

Aber auch da hat sich der Ministerpräsident ein Schlupfloch offen gelassen. Denn im Vertrag über das Großprojekt gibt es eine Sprechklausel, wonach sich alle Beteiligten, also Bund, Land, Stadt und Bahn, zusammensetzen müssen, sollten die Kosten aus dem Ruder laufen. Deshalb hatte Kretschmann am Abstimmungsabend verkündet, Stuttgart 21 "nicht über die Kostenfrage“ kippen zu wollen. Was ihm das Wohlwollen des anderen Teils der Bevölkerung eintragen dürfte.

Im März dieses Jahres sind die Grünen möglicherweise auch durch einen Irrtum an die Macht gekommen: Einige ihrer Wähler hatten wohl erwartet, durch einen Regierungswechsel Stuttgart 21 auf jeden Fall verhindern zu können. Die meisten allerdings dürften genug vom unpopulären CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus und solchen Aktionen wie dem überzogenen Polizeieinsatz gegen die Demonstranten am Stuttgarter Hauptbahnhof gehabt haben.

Doch vielleicht nützt die "Schlappe“ ja nun auch Kretschmann: "Er hat sich als guter Demokrat profiliert“, konstatiert der Tübinger Politologe Hans-Georg Wehling. Damit habe sich der Ministerpräsident endgültig auch für alle konservativen Bürger wählbar gemacht. (Stefan May)

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