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Die Europa-Entscheidung verdient soliden Rückhalt

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Fünfzig Prozent und eine Stimme können beim Plebiszit am 12. Juni über Österreichs Zukunft entscheiden. Demokratisch. Das Land verdient aber einen breiteren Konsens.

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Fünfzig Prozent und eine Stimme können beim Plebiszit am 12. Juni über Österreichs Zukunft entscheiden. Demokratisch. Das Land verdient aber einen breiteren Konsens.

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Termingerecht wurden jetzt alle I Weichen für die zweite Volks-i abstimmung der Zweiten Re-)ublik gestellt. Der Countdown hat begonnen. Befürworter wie Gegner eines österreichischen Beitritts zur Europäischen Union rüsten zur vierwöchigen Material- und Redeschlacht. Wurde zuletzt noch über Informationsmängel geklagt, wird man demnächst schon Beschwerden über eine unübersichtliche Papierflut hören können.

Der Großteil der stimmberechtigen Bürger(innen) hat sich bereits mehr oder minder für oder gegen einen Beitritt entschieden. Darauf Werden die Werbekampagnen kaum mehr Einfluß haben. Obwohl die Umfragedaten variieren, ist eine relative Mehrheit für einen EU-Beitritt Österreichs. Doch durch einen hohen Anteil von Unentschlossenen ist das Rennen noch lange nicht gelaufen. Wissen es viele wirklich noch nicht? Oder führen manche nur die Demoskopen - wie zuletzt vor Wahlen - an der Nase herum?

Ein Ziel der Kampagnen ist sicherlich das, die jeweils eigene Klientel die letzten vier Wochen bei der Stange zu halten. Hauptsächlich geht es aber darum, die Unentschlossenen für sich zu gewinnen, ihnen die Unsicherheit zu nehmen. Denen fehlt etwas bei der Information. Und das soll in vier Wochen behoben sein?

Die Situation vor der allerersten Volksabstimmung der Zweiten Re-)ublik war 1978 nicht unähnhch. *Jicht nur, daß sich die Bevölkerung zuwenig über die Problematik Zwentendorf informiert fühlte, ging im Verlauf der Intensivkampagne der Informationsgrad sogar weiter zurück: immer weniger Personen hielten sich in den Sicherheitsfragen für ausreichend informiert. Mehr Details, noch mehr Unsicherheit. Das sollte zu denken geben.

Detailkenntnis über das 680-Sei-ten-KonvoIut des Beitrittsvertrages haben - zugegeben - nur wenige politische Verantwortungsträger und Experten. Die Forderung, daß alle alles davon wissen müssen, um dafür oder dagegen sein zu können, ist zwar demokratisch, aber weltfremd. Das war übrigens auch nicht beim anderen historischen Vertragswerk der Repubhk, beim Staatsvertrag der Fall, dessen unrunder Jahrestag der Unterzeichnung bevorsteht, und von dem ja kaum ein Mensch wußte und weiß, was im Detail in diesem 300-Seiten-Dokument drinnensteht.

Die Gefahr ist jedenfalls groß, daß sich Unsichere und Ängstliche in ihr Schneckenhaus zurückziehen und der Volksabstimmung am 12. Juni fernbleiben. Bei der Zwentendorf-Volksabstimmung am 5. November

1978 lag die Beteiligung bei lediglich 64 Prozent, 30.008 Stimmen haben entschieden. Demokratisch, eine einzigfe Stimme Überhang hätte auch genügt. Ohne die Bedeutung des seinerzeitigen Atom-Votums schmälern zu wollen: bei der Entscheidung für oder gegen Europa geht es diesmal doch um mehr.

Bei aller Gegensätzlichkeit in Position und Argumentation der Kampagnen lohnt sich der Aufwand, wenn sie zur Beteiligung mobilisieren und motivieren, wenn sie Stimmung zur Stimmabgabe machen. Die Europa-Entscheidung verdient - so oder so - einen festen und eindeutigen gesellschaftlichen Rückhalt. Es braucht einen Grundkonsens über den Abstimmungstag hinaus. Eine hauchdünne Zufallsentscheidung - sechs Prozent wollen sich erst am Abstimmungstag selbst festlegen, ein Prozent hat Zwentendorf entschieden - würde dem Land nicht guttun.

Ob die Haltung zum EU-Beitritt Österreichs gut oder schlecht ist, hängt von Position und Sichtweise ab. Aber wenigstens klar soll sie sein: es gibt nur ein Ja oder ein Nein, keine Alternative dazwischen.

Um diese Klarheit haben sich -die Medien miteingeschlossen - ausnahmslos alle zu bemühen, auch und voran der Bundespräsident, selbst wenn kaum ein heute noch Ratloser in banger Erwartung verharrt, was ihm Thomas Klestil später am Vorabend des Referendums empfehlen wird.

Nur wie in kaum einem anderen Fall muß diesmal jedem bewußt sein: Wer nicht selbst entscheidet, für den entscheiden andere - über seine und Österreichs Zukunft.

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