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Die Führung Chinas schart sich um Jiang Zemin

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KP-Generalsekretär Jiang Zemin, ein Mann, der aus Goethes Erlkönig und aus Shakespeare zitieren kann, ist längst als „Kern” der neuen Führung etabliert und hat sich in acht Amtsjahren bewährt. Die KP baut überdies eine neue Führungsgeneration auf.

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KP-Generalsekretär Jiang Zemin, ein Mann, der aus Goethes Erlkönig und aus Shakespeare zitieren kann, ist längst als „Kern” der neuen Führung etabliert und hat sich in acht Amtsjahren bewährt. Die KP baut überdies eine neue Führungsgeneration auf.

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Die Propaganda hat sich seit dem gesundheitlichen Verfall von Deng Xiaoping alle Mühe gegeben, den noch von Deng handverlesenen Generalsekretär der KP Chinas, Jiang Zemin, hervorzuheben. Der 70jährige mit dem tiefschwarz gefärbten Haar wird jetzt als „Kern der dritten Generation” beschrieben. Jiang, der in den turbulenten lagen der Demokratiebewegung im Mai 1989 überraschend zum Parteichef gewählt wurde, soll auf dem 15. Parteitag im Herbst für fünf Jahre im Amt bestätigt werden.

Jiang der 1989 als „Verlegenheitslösung” galt, nunmehr freilich schon im achten Amtsjahr ist, hat sich als Mann der Ausgewogenheit und der Mitte bewährt. Nach den Unruhen angetreten, um für die Besänftigung des aufgewühlten Landes und damit politische Stabilität zu sorgen, hat Jiang sich in letzter Zeit auch vermehrt auf der internationalen Bühne präsentiert und in der Weltpolitik Profil gezeigt. Daß er kein starker Mann, sondern eher zögerlich ist, mag dabei kein Nachteil sein. Chinas Bevölkerung, die wiederholt sich gegenseitig bekämpfende „starke Männer” erleben mußte, ist der Politik überdrüssig.

China fährt mit dem geschulten Technokraten Jiang besser als erwartet. Der stellt sich gerne als Bildungsbürger dar, brilliert vor Deutschen mit Sätzen aus Goethes „Erlkönig” und kann auch Shakespeare zitieren. Jiang sonnt sich gerne in den neuen Würden, ist nicht frei von Eitelkeiten, scheint Gefallen am Amt gefunden zu haben. In Anlehnung an Mao Tsetungs berühmte Bede von 1956 über „die zehn großen Beziehungen” hat Jiang unlängst in einem Artikel Grundsätze seiner Philosophie dargelegt. Der Titel seiner Rede: „Über die korrekte Behandlung der zehn großen Beziehungen”. Solche Versuche, auch bei öffentlichen Auftritten in das Kostüm des „großen Vorsitzenden” zu schlüpfen, gelingen trotz Propaganda-Schminke nicht ganz. Das Charisma von Mao Tsetung, Tschou En-

Lai und Deng Xiaoping fehlt dem ehemaligen Bürgermeister und Parteisekretär von Schanghai.

Jetzt muß Jiang beweisen, daß er auch ohne seinen Mentor Deng und die geliehene Macht bestehen kann. Dafür sind die Aussichten nicht schlecht. Über den Verdacht, zu liberal zu sein wie seine Vorgänger Hu Yaobang und Zhao Ziyang, ist er erhaben. Ein Erneuerer ist er nicht, eher der Verwalter des Bewährten.

Das Volk läßt sich von Jiang nicht hinreißen. Aber die kollektive Führung kann mit dem konservativfreundlichen Mann gut leben. Er versteht, Bücksichten auf die Partei-Personalpolitik zu nehmen und hat Rückendeckung bei den Militärs, denen er vor allem freie Entfaltung bei deren Geschäftsaktivitäten läßt. Jiang wird in diesem Jahr noch bei einem ersten Staatsbesuch in Amerika (und zuvor noch in Moskau) sich bei Clinton und Jelzin als Mann präsentieren, der aus dem Schatten von Deng längst herausgetreten ist.

Über die „vierte Generation” als Nachfolge der jetzigen Führungsschicht wird schon gesprochen. Die Kommunistische Partei Chinas sorgt sich mit einer elitären Kaderschmiede um den Nachwuchs, der sich aus den 55 Millionen Parteimitgliedern rekrutiert. Das Niveau heranwachsender Führungskräfte in China ist beachtlich. Die übernächste Generation hat nicht mehr wie Jiang in Moskau, sondern an US-Universitäten studiert. Auch in Peking akkreditierte Botschafter und Vorstände von multinationalen Firmen vermelden Positives über die neue Technokraten-Generation. Das Pensionsal-ter von Politikern wird jetzi strenger beachtet, man will nicht mehr eine neue Generation von „Senior-Politikern” heranziehen, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen.

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