Kobalt: Die gefährliche Jagd nach dem neuen Öl

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Smartphone, PC oder Elektroauto – keines dieser Produkte kommt ohne den Batterierohstoff Kobalt aus. Damit die Verbraucher in den Industrienationen mit schicken elektronischen Geräten versorgt werden können, setzen Menschen im Kongo ihr Leben aufs Spiel.

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Smartphone, PC oder Elektroauto – keines dieser Produkte kommt ohne den Batterierohstoff Kobalt aus. Damit die Verbraucher in den Industrienationen mit schicken elektronischen Geräten versorgt werden können, setzen Menschen im Kongo ihr Leben aufs Spiel.

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Es schimmert leicht silbrig, bildet bizarre Kügelchen an der Oberfläche und gehört zu einem der begehrtesten Rohstoffe der Welt: Kobalt. Der Name des Schwermetalls leitet sich vom bösen Berggeist Kobolt ab. Weil die Erze beim Rösten giftigen Rauch ausstießen und es nicht gelang, aus dem Röstprodukt Metall zu schmelzen, witterten die abergläubischen Berg-und Hüttenarbeiter darin das Werk von bösen Geistern, den Kobolden, die das Schwermetall dem viel wertvolleren Silber teuflisch ähnlich machten. 1735 hatte der schwedische Chemiker Georg Brandt das bis dato unbekannte Element in Bismuterzen entdeckt und es auf den Namen "Koboldkönig" getauft. Das Metall, so ist in alten Chemie-Lehrbüchern nachzulesen, wurde in Glasmanufakturen dazu verwendet, Glas eine blaue Farbe zu verleihen. Auch die gotischen Kirchenfenster der Abteikirche von Saint-Denis verdanken Kobalt ihre tiefblaue Farbe.

Schmierstoff der Elektrowelt

Heute dient der Rohstoff einem ganz anderen Zweck: Kobalt ist neben Lithium integraler Bestandteil von Akkus und Batterien -und sozusagen der Schmierstoff der Elektrowelt. Während in einem handelsüblichen Handy-Akku neben 30 Milligramm Gold lediglich rund sechs Gramm Kobalt stecken, benötigt eine konventionelle Batterie für ein Elektrofahrzeug 21 Kilogramm Kobalt. Neben Batterien ist Kobalt in einer Reihe weiterer industrieller Produkte enthalten: Hartmetalle, Magnete, Katalysatoren, Trocknungsmittel für Farben. Kein iPhone, keinen PC, kein (Elektro-)Auto gäbe es ohne Kobalt. Als BMW 2016 seinen Elektro-SUV und -Mini präsentierte, lag der Preis für eine Tonne Kobalt bei etwas über 20.000 Dollar. Nachdem weitere Autobauer die Produktion von E-Fahrzeugen in Serie ankündigten und die Politik den Druck auf Verbrennungsmotoren erhöhte - Frankreich und Großbritannien planen ab 2040 ein Verkaufsverbot für Diesel-und Benzinmotoren -, sind die Weltmarktpreise explodiert. Der Preis für eine Tonne Kobalt liegt heute bei über 80.000 Dollar. Eine Entspannung ist einstweilen nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Nachfrage nach dem Rohstoff wird immer größer. Und damit steigen auch die Preise.

60 Prozent der globalen Kobalt-Vorkommen befinden sich in Lagerstätten in der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika. Ein Fünftel der Vorkommen wird von Minenarbeitern unter widrigsten Bedingungen mit bloßen Händen gefördert. Die "creuseurs" ("Gräber") steigen ohne Schutzkleidung und Grubenhelm in ungesicherte Schächte ab. Die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" hat diese skandalösen Arbeitsbedingungen in mehreren Berichten angeklagt. Frauen schürfen die giftigen Mineralien in Flüssen, Kinder müssen bis zu zwölf Stunden am Tag für einen Hungerlohn arbeiten. UNICEF schätzt, dass in den Minen im Kongo rund 40.000 Kinder schuften. Arbeitsunfälle sind an der Tagesordnung, die notdürftig mit Holzbalken gestützten Stollen stürzen ein, Mineure werden bei lebendigem Leib begraben. Manche Tunnel-und Schachtsysteme sind so tief unter der Erde, dass künstlich Sauerstoff zugeführt werden muss. Wenn die Generatoren ausfallen, droht der Sauerstoff auszugehen -die Minenarbeiter müssen dann so schnell wie möglich wieder aus der Grube aufsteigen, was nicht immer gut geht. Die Kobalt-Jäger riskieren ihre Gesundheit und ihr Leben, damit die Verbraucher in den Industrienationen mit schicken Elektrogeräten versorgt werden können.

Amnesty International kritisiert, dass Smartphone-Hersteller von Kinderarbeit profitierten und fordert die Unternehmen auf, die Kobalt-Lieferkette transparent zu machen. Zwar hat Apple im vergangenen Jahr zum ersten Mal eine Liste von Unternehmen veröffentlicht, die Kobalt in ihren Batterien liefern. Der Elektronikkonzern hat sich zudem einer Selbstverpflichtung verschrieben, dass kein Kobalt aus Kleinstbergbau bezogen werde, solange keine "angemessenen Schutzmaßnahmen" getroffen würden. Doch ist diese Absichtserklärung rechtlich nicht bindend -und ändert auch nichts an der Weltmarktsituation.

Das Problem ist, dass 97 Prozent aller Vorkommen nicht in Reinform vorliegen. Kobalt fällt als ein Nebenprodukt bei der Förderung von Kupfer oder Nickel an. Der Rohstoff reicht bei weitem nicht aus. Wenn jedes der eine Milliarde Autos, die auf den Straßen dieser Welt unterwegs sind, durch ein Tesla Model X ersetzt würde, rechnet die Nachrichtenagentur Bloomberg vor, bräuchte man 14 Millionen Tonnen Kobalt -das entspricht in etwa dem Doppelten der globalen Reserven. Selbst in einem realistischen Szenario, in dem bis 2030 30 Millionen Elektro-Autos auf den Straßen rollen, müsste man die Fördermenge verdreifachen.

Neue Goldgräberstimmung

China, das einen gigantischen Hunger nach Rohstoffen hat und seinen Verkehr aufgrund der gesundheitsgefährdenden Umweltbelastung in den Metropolen elektrifizieren will, hat sich im Kongo bereits den Zugriff auf den wertvollen Rohstoff gesichert -sieben der zehn größten Kobalt-Minen befinden sich im Besitz chinesischer Konsortien. Autobauer wie Volkswagen und BMW setzen alle Hebel in Bewegung, mit langfristigen Lieferverträgen die Versorgung mit dem Schwermetall zu sichern -bislang vergeblich. Um drohende Engpässe zu vermeiden, will Apple den Rohstoff künftig direkt von den Minenbetreibern beziehen. Autobauer rekrutieren reihenweise Geologen, um mehr über die Beschaffenheit des Minerals zu erfahren, von dem Experten schon jetzt sagen, es sei das neue Öl. Derweil investiert die schwedische Regierung 10 Millionen Kronen (eine Million Euro) in die Erkundung neuer Vorkommen und Fördermöglichkeiten von Kobalt und Lithium. In Tunaberg in Südermannland befindet sich eine der ersten Lagerstätten, wo Kobalt bereits Ende des 18. Jahrhunderts abgebaut wurde. Der Rohstoffboom hat eine neue Goldgräberstimmung ausgelöst. Doch so wie Rohöl oder andere fossile Brennstoffe sind auch die Ressourcen für Elektro-Batterien begrenzt.

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