7093732-1994_39_01.jpg
Digital In Arbeit

Die Hoch-Zeit des Nationalismus ist vorüber

19451960198020002020

Der Höhepunkt nationalistischer Stimmung in der Slowakei ist vorbei, Meciars Stern sinkt. Christdemokratenchef Carnogursky steuert einen antinationalistischen Kurs.

19451960198020002020

Der Höhepunkt nationalistischer Stimmung in der Slowakei ist vorbei, Meciars Stern sinkt. Christdemokratenchef Carnogursky steuert einen antinationalistischen Kurs.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Gegner steht für die slowakischen Christdemokraten (KDH) „immer noch auf der nationalistischen Seite“, so Jan Carnogur- sky zur FURCHE. Wenige Tage vor den Parlamentswahlen am 30. September/1. Oktober in der Slowakei sieht der KDH-Präsident seine Partei „nicht mehr als die am meisten angegriffene Partei“ (wegen der seinerzeitigen Ablehnung der Teilung der Tschechoslowakei) des Landes. „Es ist gekommen, wie wir es vor- ausgesehen haben: Die nationalistische ‘ Atmosphäre ist nicht mehr so dicht. Wir unterhalten zu allen Parteien bessere Beziehungen als diese untereinander.“

Während des Wahlkampfes wurde Carnogursky immer wieder auf die Rolle der Christdemokraten bei der Selbständigwerdung der Slowakei angesprochen. Carno- gursky verteidigte dann seinen anti-nationalistischen Ansatz, den die Bevölkerung seiner Meinung nach jetzt verstehe. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Nationalismus hält der Christdemokratenchef aus zwei Gründen noch nicht für möglich: Dazu sei es noch zu früh, die Teilung der Tschechoslowakei liege erst kurz zurück, man dürfe nicht in Wunden rühren; und zweitens stehe eine Wiederherstellung der Tschechoslowakei überhaupt nicht zur Debatte. Die KDH habe die Teilung akzeptiert.

Für die Wahl rechnet Car- nogursky mit elf bis zwölf Prozent Stimmenanteil. Umfragen bestätigen die KDH als dritte Kraft in der Slowakei. Das Statistische Amt der Slowakischen Republik weist nach einer Umfrage für die KDH 11,6 Prozent aus (für Meäars HZDS 27,4, für den Linksblock SV, also den Reformkommunisten unter Peter Weiss, den Grünen, Sozialdemokraten und der Bauernpartei, 14,8 und für die Ungarische Koalition 10,4 Prozent, was bedeutet, daß die Ungarn den gesamten magyarischen Bevölkerungsanteil für sich zu mobilisieren verstanden.

Zu etwas anderen Werten kommt eine Radio-Umfrage, die Meciar mit nur 21,5, die SV mit 12,6, die KDH mit 10,4 und die Ungarische Koalition mit 8,1 Prozent ansiedelt. Die Demokratische Union des jetzigen Regierungschefs Jozef Moravcik — als Übergangsregierung in Koalition mit den Christdemokraten und den Reformkommunisten — liegt demnach zwischen sieben und acht Prozent. Fraglich und für das Schicksal Meciars von Bedeutung ist, ob die Nationalpartei SNS den Sprung ins Parlament schafft — nach Umfragen wird dies äußerst knapp werden Jjdie Boulevardzeitung „Novy Chs“, deren Leser eher mit Meciar sympathisieren, kommt für die SNS auf nur 3,6 Prozent, Meciar schneidet hier mit 30,8 Prozent überraschend gut ab, aber noch immer weit unter seinen bisherigen Werten).

Carno- gursky könnte sich eine Fortsetzung der bisherigen Koalition sehr gut vorstellen. In eine Koalition mit der HZDS und der SNS werde die KDH auf keinen Fall eintreten. Meciar habe nur der alten Phraseologie ein demokratisches Mäntelchen umgehängt: Er denke noch in der Weise, wie es die Menschen aus der kommunistischen Zeit gewohnt waren. Der HZDS-Chef könne zwar die Menschen mit seinem Populismus erreichen, aber sein Einfluß sei gesunken. Meciar werde nur dann eine konstruktive Politik betreiben, wenn er dazu gedrängt werde. Er allein werde immer nur populistisch agieren; zu einer anderen Politik fehle Meciar in seiner Partei auch die entbrechende Mannschaft, so carnogursky zur FURCHE.

Anders als in Polen oder in Ungarn werde es in der Slowakei keinen Sieg der Postkommunisten geben. Das Problem der KDH stellt sich in Carnogurskys Sicht so dar, daß „unsere Politik zu rational und zu wenig emotional ist“. Mit Blick auf den grandiosen Sieg der Vorbildschwesterpartei CSU in Bayern meint Carnogursky: „Ohne das Emotionale kommt man in der Politik heutzutage nicht mehr aus.“

Angesprochen auf das Problem Ost-Mafia, Bratislava ist ein Umscnlagplatz, verweist carnogursky auf einige spektakuläre Erfolge der Polizei unter Innenminister Pittner in jüngster Zeit: Hannes An- droschs gestohlenes Auto habe man in 48 Stunden gefunden, auch die Entführung eines China-Babys sei rasch aufgeklärt worden. „Wir sehen das Problem“, so Carnogursky, der weiterhin auf die ausgewiesenermaßen gestiegene Effizienz der Polizei setzt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung