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Die Männer um Makarios

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Ihr gehören der nach dem Erzbischof vielleicht mächtigste Mann auf der Insel, der Innen- und Verteidigungsminister Georgadjis, ein früheres prominentes Mitglied der EOKA, der Außenminister Kyprianu, ein sehr beweglicher, gescheiter und geschickter Taktiker, und der gebildete Handels- und Industrieminister Araouzos an. Sie scheinen eine Art Inneres Kabinett zu bilden, zu dem jedoch noch der Präsident des zyprischen Parlaments, der Rechtsanwalt Kleridis, und der Abgeordnete Lyssaridis, der Leibarzt des Präsidenten, gezählt werden müssen, den man in Nicosia als eine wichtige Schlüsselfigur betrachtet.

Wichtigste politische Partei ist zweifellos die AKEL, die Kommunistisch Partei Zyperns. Sie hat sei nerzeit das Züricher Abkommen gutgeheißen, erklärte aber später, die einengenden Bestimmungen seien ein Verrat an der Insel. Sie gibt sich recht bürgerlich, und sieht man von dem unauffälligen Schild an der Vorortvilla ab, die das Parteilokal beherbergt, läßt nichts auf den Sitz des Parteiapparates schließen. Im Innern keine Aufrufe zum Klassenkampf, keine aufrührerischen Schlagwörter an den Wänden. Die Parteizeitung „Neos Democratis“ erinnert allerdings sehr an die „Prawda“. Der Parteisekretär Papaioannu ist ein geschmeidiger, höflicher Mann, der aufmerksam zuhört, wenig spricht und ausweichend antwortet.

Trotzdem glaubt der Erzbischof nicht an die Gefahr einer kommuni stischen Unterwanderung; er vertraut offensichtlich auf den noch immer sehr starken Einfluß der Kirche und seiner eigenen Persönlichkeit. Er hat vielleicht recht, denn sieht man etwas genauer hin, kann man schnell feststeilen, daß auf ein Bild einer roten Größe immer noch mindestens hundert des bärtigen Präsidenten kommen. Das muß sogar der kommunistische Parteisekretär zugeben.

Auf der anderen Seite stehen die unentwegten Anhänger der bedin gungslosen Enosis, der Angliederung an Griechenland, deren Idol der alte EOKA-General Grivas und deren lautester Sprecher Monsignore Kyprianos, der Bischof von Kyrene, ist. Ihre politische Organisation heißt „Demokratische Union“, deren Einfluß infolge der Entwicklung so zurückgegangen ist, daß man von ihr nur noch wenig spricht.

Die Waage neigt sich

Die Türken teilen die griechischen Zyprioten in drei Gruppen ein: Die Kommunisten, die für ihre eigenen Ziele arbeiten; die extremistischen Enosis-Anhänger und die Gemäßigten, die für ein Zusammenleben auf einer vernünftigen Grundlage sind. Über eine Teilung wird seit einiger Zeit viel weniger gesprochen; man scheint neuerdings wieder mehr an einen Bundesstaat zu denken. Aber auch dieser Vorschlag wird von mehr und mehr Leuten als kaum durchführbar betrachtet, weil es nun einmal keine fest abgegrenzten türkischen Siedlungszonen gibt. Im übrigen müssen auch die Türken zugeben, daß sich in den letzten Monaten die Waage zugunsten des Erzbischofs geneigt hat, dessen Forderung auf einen unabhängigen Einheitsstaat, den ausdrücklichen Verzicht aller fremden Mächte auf eine Einmischung und eine klare Sicherung der Rechte der türkischen Minderheit durch den Jännerbeschluß der Vereinten Nationen einen recht soliden Rückhalt besitzt.

Manche Diplomaten wollen schon erste Anfänge einer Rückkehr zu normaleren Verhältnissen sehen. Tatsächlich geht ja ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung wieder seiner gewohnten Beschäftigung nach. Aber die zyprische Auffassung von „normalen Verhältnissen“ ist doch von der unseren sehr verschieden; sie erklärt sich aus einer langjährigen politischen Turbulenz. Vorsicht ist in der Dunkelheit noch immer angebracht, und der Bauer auf dem Feld arbeitet nicht, ohne sich seiner Sicherheit halbwegs versichert zu haben.

Müde Helden

In Wirklichkeit ist die Lage zu einem richtigen politischen Dickicht geworden. Beim ersten Zusehen könnte man die Gespräche des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Bernardes, mit der türkischen und der griechischen Regierung und die jüngste Fühlungnahme zwischen Athen und Ankara für unmittelbare Verhandlungen als die ersten emst- zunehmenden Zeichen für eine Lösung des zyprischen Knotens bezeichnen. Tatsächlich herrscht in beiden Ländern eine aufgeschlossenere und vernünftigere Stimmung als vor zwei Jahren, sind in beiden Ländern mehr und mehr Leute der im Grunde genommen nichtigen Affäre müde.

Die türkische Regierung ist jetzt bereit, die dreizehn berühmt gewordenen Verfassungspunkte des Erzbischofs zu erörtern, die Ankara vor drei Jahren rundweg ablehnte. Die Frage bleibt natürlich, welche Haltung heute der zyprische Präsident einnehmen wird, denn eine Annahme würde einer Anerkennung der Verfassung von 1960 und der sie begleitenden Verträge gleichkommen. Da aber die Verfassung in den zwei letzten Jahren mehr als einmal von ihm aufgehoben wurde, läßt sich jetzt schwer eine Kehrtwendung über Nacht vorstellen. Tatsächlich ist die neue Lage voll von unangenehmen Fragezeichen. Ist der Erzbischof zum Beispiel bereit, die führenden türkischen Zyprioten wieder aufzunehmen und sich mit ihnen zu vertragen, die er so oft als Rebellen hingestelli hat? Aber läßt sich, falls er tatsächlich dazu bereit ist, eine gemeinschaftliche Staatsverwaltung vorstellen? Es gibt Anzeichen dafür, daß die griechischen Zyprioten vielleicht zugänglicher wären, wenn ihnen eine feste Zusage für eine Volksbefragung nach ihren Vorschlägen im Jahre 1971 zugestanden würde, aber das würden mit aller Wahrscheinlichkeit die Türken ablehnen. In der Zwischenzeit bleiben hüben und drüben die Finger gefaltet.

Währenddem stärkt der Erzbischof, der als der wirkliche Sieger der UNO-Debatte angesehen werden muß, seine eigene Stellung und fördert mit allen Kräften die Unabhängigkeit der Insel. Sein Gegenspieler, der General Grivas, ist ihm nicht gewachsen. Beide sind seit dem Züricher Abkommen verfeindet, aber erst seit Ende Jänner wird die Auseinandersetzung in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Makarios will den EOKA-Befehlshaber, den die griechische Regierung im Jahre 1964 nach Zypern geschickt hatte, um die griechische Nationalgarde zu organisieren, unter seinen Oberbefehl bringen und nach Möglichkeit überhaupt von der Insel entfernen. Die Einzelheiten des Streites sind von untergeordneter Bedeutung. Was aber zählt, sind die Spannungen zwischen Nicosia und Athen, die durch den Streit offenkundig geworden sind. Tatsächlich bemüht sich der Erzbischof darum, der griechischen Regierung die Initiative im Zypern- konflikt zu entwinden, um selbständig handeln zu können. Es sieht nämlich tatsächlich so aus, als ob sich Makarios als Führer des Hellenismus betrachte.

Der Schatten des Erzbischofs liegt über den mühselig in Gang gebrachten Gesprächen zwischen Athen und Ankara. Gegen den Willen des Ethnarchen läßt sich auf Zypern nichts mehr unternehmen. Eines bleibt ihm indes noch zu tun, nämlich, sich mit der Türkei zu arrangieren. Gelingt ihm das nicht, könnte es leicht geschehen, daß die Entwicklung einen Verlauf nimmt, der seinen Vorstellungen völlig widersprechen würde.

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