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Die Nacht gehört den Rebellen

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„In meinem Land kontrolliert die Regierung bei Tag eine etwa doppelt so große Fläche wie bei Nacht“, meinte ein burmesischer internationaler Beamter, der im Gegensatz zu seinem Landsmann an der Spitze der UNO offene Worte nicht scheute. In der Tat stellt die politische Situation in der hinterindischen Bepublik seit ihrer im Jahre 1947 errungenen Unabhängigkeit selbst für asiatische Verhältnisse ein Unikum dar. Dabei dürfte es das in der Weltpresse am meisten totgeschwiegene Land der Erde sein, wofür neben einer strikten regierungsamtlichen Zensur und der verworrenen, auch für die wenigen Eingeweihten nur schwer duchschaubaren Lage vor allem die von einigen Insurgentengruppen auf Korrespondentenköpfe ausgesetzten Prämien verantwortlich sind.

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„In meinem Land kontrolliert die Regierung bei Tag eine etwa doppelt so große Fläche wie bei Nacht“, meinte ein burmesischer internationaler Beamter, der im Gegensatz zu seinem Landsmann an der Spitze der UNO offene Worte nicht scheute. In der Tat stellt die politische Situation in der hinterindischen Bepublik seit ihrer im Jahre 1947 errungenen Unabhängigkeit selbst für asiatische Verhältnisse ein Unikum dar. Dabei dürfte es das in der Weltpresse am meisten totgeschwiegene Land der Erde sein, wofür neben einer strikten regierungsamtlichen Zensur und der verworrenen, auch für die wenigen Eingeweihten nur schwer duchschaubaren Lage vor allem die von einigen Insurgentengruppen auf Korrespondentenköpfe ausgesetzten Prämien verantwortlich sind.

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Sie 1962 heißt der starke Mann der Reisrepublik Burma General Ne Win, und nun, nach acht Jahren wechselvollen und blutigen Bodengewinnen und Stützpunkteverlusten der Regierungstruppen deuten einige Anzeichen auf eine momentane militärische und politische Festigung des Militärdiktators hin.

Die Schlüsselrolle für das zweitere Schicksal der burmanischen Union wird sicherlich von Peking gespielt. Die Beziehungen zwischen Rangun und Maos Metropole hinterließen in den letzten beiden Dezennien einen leicht schizophrenen Eindruck. Hatte sich der erste Ministerpräsident und gescheiterte Schöpfer eines burmesischen Wohlfahrtsstaates, U Nu, mächtig beeilt, als erster Nicht-kommunist die Volksrepublik China bereits am 18. Dezember 1949 anzuerkennen, kam die „Belohnung“ vier Jahre später in Form einer Invasion. Drei Jahre lang verfolgten Mao-

Truppen geflüchtete Kuomintang-Soldaten auf burmesischem Hoheitsgebiet. Hernach folgte etwa ein Jahrzehnt offiziell „guter Beziehungen auf höchster Ebene“, was allerdings Peking keineswegs hinderte, die nationalen Kommunisten tatkräftig in Form umfangreicher Waffenlieferungen und einer Guerillaausbildungsstätte im Grenzgebiet zu unterstützen. Nur die Rivalität zwischen den einzelnen kommunistischen Gruppen, deren Wurzel noch in die Zeit des Freiheitskampfes gegen die Briten zurückreicht, verhinderte einen „Endsieg“ der Insurgenten. Dabei waren sowohl die „Weiße-Flagge“-Kommunisten wie auch ihre Konkurrenten von der „Roten Flagge“ ausgesprochen China-orien-tiert und ohne wesentliche ideologische Differenzen.

Im Juni 1967 gipfelte das seltsame Verhältnis . zwischen den beiden Nachbarn in schweren antichinesischen Ausschreitungen und Pogromen, die hauptsächlich in Rangun und Mandalay eine Vielzahl an Todesopfern forderten. In der Folge näherten sich die nach außen hin bisher recht amicalen Beziehungen dem Nullpunkt; die chinesischen Berater wurden zurückbeordert, und viele ihrer Landsleute zogen es vor, den heiß gewordenen Boden Ranguns in Richtung Peking, aber auch nach Taiwan, zu verlassen. Als im September 1968 die brutale Heldenfigur der „Weißen Flagge“, Thakin Than Tun, von seinem Unterführer Maung Mya ton Dschungel erschossen wurde, bedeutete dies eine entscheidende Schwächung der kommunistischen Bewegungen Burmas. Dia Zahl der Uberläufer zu den Regierungstruppen stieg enorm, und in Peking sah man rasch ein, daß auf dem bisher beschrittenen Wege die Chancen einer Machtübernahme auf ein Minimum gesunken waren. Sofort wurden die Waffenlieferungen umdirigiert, und nun können sich die bislang von Rotchina nicht übermäßig subventionierten Kachin- und auch die Shan-Rebellen über Mangel an Kriegsmaterial nicht mehr beklagen.

Seit der mit Ne Wins unblutigem Staatsstreich verbundenen Verfassungssuspension kämpft die Unabhängigkeitsarmee der Kachin (KIA) unter Führung der drei Brüder Zaw für einen selbständigen Staat im Norden des Landes, Ihre Erfolge waren nicht überwältigend, doch das Dschungelgebiet, wohin die Aufständischen fast alle Dörfer verlegt hatten, entzieht sich nach wie vor der Regierungskontrolle. Unabhängig davon hatten die Shar» eine Separatistische Bewegung entfacht — groteskerweise erst, als sie von der erblichen Herrrschaft der feudalistischen „Sawbwas (Stammesfürsten) durch hohe, seitens der Regierung geleistete Ablösesummen befreit worden waren. Zum Dank verbündeten sie sich mit den Kuomintang und erklärten einen unabhängigen Shan-Staat, der die östlichen Gebiete Burmas, aber auch thailändisches und chinesisches Territorium umfassen sollte, zu ihrem politischen Ziel. Allerdings sind sich die meisten Beobachter darüber einig, daß diese Rebellion heute hauptsächlich aus ökonomischen Gründen fortgesetzt wird, da der lukrative Schmuggel aus dem siamesischen Nachbargehiet fast vollständig in den Händen der Shan liegt. Im Süden des Landes schließlich fordern die rebellierenden (überwiegend) christlichen Karen bereits seit 1928 ein eigenes Gemeinwesen.

Der Kleinkrieg an so vielen Fronten lastet die 130.000 Mann starke Armee Burmas ziemlich aus; trotz aller Erfolgsmeldungen aus Rangun wächst die Gefahr im Norden des Landes. Seit Anfang 1969 wächst die Infiltration chinesischer Truppen im Shan-Gebiet beträchtlich, und in der Hauptstadt wagt man es aus naheliegenden Gründen nicht, Rotchina offiziell dafür verantwortlich zu machen. Denn Peking spricht bereits seit geraumer Zeit von efiner Zunahme der Anmeedeserteure, deren kriegerische Aktionen „natürlich“ ohne Wissen und Wollen der Volksrepublik China stattfinden.

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