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Die NATO-Sorgenkinder

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Während das griechische Militärregime der NATO-Führung durch seine französischen Waffengeschäfte Kopfzerbrechen macht, gibt die neue Labilität in der türkischen Innenpolitik und das gespannte Verhältnis auf Zypern zu vermehrten Sorgen der Amerikaner um die Südostflanke ihrer Bündniskette Anlaß, die sich zusätzlich von der sowjetischen Flotte im Mittelmeer und den frischen Spannungen im Nahen Osten überflügelt sehen muß. Da sich die Schwierigkeiten, denen die Regierungen in Athen, Ankara und Nikosia im Inneren gegenüberstehen, überdies in einer Verschärfung der griechisch-türkischen Gegensätze aus wirken, kann die Situation am der arabisch-israelischen Krise benachbarten Nordost-Mittelmeer nicht kritisch genug beurteilt werden.

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Während das griechische Militärregime der NATO-Führung durch seine französischen Waffengeschäfte Kopfzerbrechen macht, gibt die neue Labilität in der türkischen Innenpolitik und das gespannte Verhältnis auf Zypern zu vermehrten Sorgen der Amerikaner um die Südostflanke ihrer Bündniskette Anlaß, die sich zusätzlich von der sowjetischen Flotte im Mittelmeer und den frischen Spannungen im Nahen Osten überflügelt sehen muß. Da sich die Schwierigkeiten, denen die Regierungen in Athen, Ankara und Nikosia im Inneren gegenüberstehen, überdies in einer Verschärfung der griechisch-türkischen Gegensätze aus wirken, kann die Situation am der arabisch-israelischen Krise benachbarten Nordost-Mittelmeer nicht kritisch genug beurteilt werden.

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Das Papadopoulos-Regime in Griechenland, dessen Machtposition auf längere Sicht gefestigt erscheint, und dessen revolutionäre Hierarchie mit der ziemlich endgültigen Ausbootung König Konstantins durch die Ernennung des Juntaregenten Zoitakis zum General abgeschlossen wurde, zeigt sich nach seiner politischen Diskriminierung durch die europäischen Demokratien vor allem an der Sicherstellung seiner militärischen und wirtschaftlichen Autarkie interessiert, nachdem die USA alle schweren Rüstungslieferungen und die EWG alle Integrationsmaßnahmen eingestellt hatten. Hat sich die als Schreckschuß für Griechenlands westliche Handelspartner gedachte offizielle Eröffnung von Handelsmissionen in Ost-Berlin, Tirana und Peking dabei als Schlag ins Wasser erwiesen, so führten die Kontakte Athens mit Paris über die Iiizenzfabrikation von Mirage-Flug-zeugen in Griechenland zu um so rascheren und einschneidenderen Reaktionen von Seiten dar USA.

Bei deren Beschluß zur Wiederaufnahme der Lieferung schwerer Waffen an die griechischen Obersten, die offiziell mit der sowjetischen Flottenpräsenz südlich von Kreta be-

gründet wurden, spielte nicht nur die Sorge des amerikanischen Kapitals mit, daß die Franzosen nach der arabischen Welt nun auch in Griechenland das Waffenmonopol an sich ziehen könnten. Im Pentagon hatte vor allem die Befürchtung eingeschlagen, daß in Athen produzierte Mirages mit ziemlicher Sicherheit auch den

Weg in die arabischen Länder finden würden, zu denen Griechenland traditionell gute Beziehungen unterhält

Die Entscheidung Washingtons über die Entsendung neuer Kampfflugzeuge, Raketen und Panzer nach Hellas stieß aber nicht nur in der demokratischen Athener Opposition auf Widerspruch, deren Wortführer Kanellopoulos und Stephanopoulos Botschafter Henry Tasca darauf aufmerksam gemacht hatten, daß eine solche amerikanische Unterstützungsgeste für das Militärregime das Schwergewicht im griechischen Widerstand noch weiter von den prowestlich-konservativen Kräften auf die extreme Linke übertragen müsse. Aber auch in der Türkei regte sich heftiger Widerspruch, zu dessen Wortführer sich die Istanbuler Zeitung „Hüriyet“ machte.

Hochgespielter Konflikt

Wie schon 1963 bis 1964, als die kemalistische Regierung Inönü die Götterdämmerung ihrer auf den Staatsstreich von 1960 gegründeten Herrschaft durch Hochspielung des griechisch-türkischen Konfliktes um Zypern, das orthodoxe Patriarchat von Konstantinopel und die griechische Minderheit von Istanbul hinauszuzögern hoffte, läuft auch jetzt neben den verzweifelten Bemühungen des durch eine Spaltung in seiner Adalet-Partei um den überwältigenden Wahlsieg vom Oktober gebrachten Ministerpräsidenten Demirel um die Bildung einer neuen arbeitsfähigen Regierung eine verschärfte Kampagne gegen Griechenland und die regierende griechische Mehrheit in der Republik Zypern einher. Der militante Ton, den Demireis sonst eher konzilianter Außenminister Caglayangil dabei anschlägt, soll sowohl der Wiedergewinnung des abgespaltenen rechtsnationalistischen Flügels der Gerech-tigkeits(Adalet)partei wie vor allem

der Ablenkung der türkischen Generalstäbler dienen, die mit einem neuen Putsch ä la 1960 drohen, falls Demirel mit seiner Regierungsbü-dung nicht bald zu Rande kommen sollte.

Im Kraftfeld der Parteien

Ankara hat diesbezüglich bei Papa-dopoulos scharf gegen den Anschlußterror der „Nationalen Front“ auf Zypern protestiert und erreichen können, daß führende griechische Offiziere, die für die Organisation dieses nationalistisch-autoritären Terrors verantwortlich gemacht wurden, von der griechischen ELDYK-

mit Rücksicht auf die Türkei offiziell distanziert hatte. Inzwischen wurde aber durch den in der Presse in Nikosia veröffentlichten Briefwechsel des in Athen exilierten alten EOKA-Kämpfers General Grivasmit dem Klub der Reserveoffiziere von Zypern bekannt, daß zwar nicht Papadopoulos persönlich, wohl aber Grivas mit Unterstützung des griechischen Diktators den Anti-Maka-rios-Terror zumindest moralisch unterstützt. Das türkische Eingreifen auf Zypern hat aber nicht nur den Interessen der neutralistischen Politiker von Nikosia, sondern auch den Interessen der NATO auf der

Schutztruppe auf der Insel in die Heimat zurückbeordert wurden. Damit hat die Türkei der Sache der zypriotischen Neutralisten um Makarios, die längst nichts mehr von der „Enosis“ mit Griechenland wissen wollen, einen unschätzbaren Dienst erwiesen, den der Erzbischofpräsident bei den Verhandlungen über vermehrte Rechte für die türkischzypriotische Minderheit, die einen neuen Anlauf genommen haben, sicher honorieren wird. Nach der Durchsetzung seiner eigenen „Natio-nalgarde“ und Staatspolizei mit papa-dopoulostreuen Offizieren und Geheimdienstleuten aus Griechenland war Makarios nämlich allein nicht mehr in der Lage gewesen, mit Athens 5. Kolonne fertig zu werden, von der sich die Athener Führung

Insel gedient, die zwei Militärbasen Großbritanniens beherbergt Die „Nationale Front“ hatte sich seit dem Votum Londons für den Ausschluß der griechischen Diktatur aus dem Europarat auch nachdrücklich gegen jede britische Militärpräsenz auf der Insel gewandt und damit die Entmilitarisierung Zyperns, die ursprünglich Anliegen des linken Makariosflügels war, zu ihrem griechisch-nationalen Programm gemacht. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die zypriotische Tochterorganisation des Athener Regimes wesentlich radikaler ist als die Exponenten der griechischen Junta, die sich bisher zu keinem so eindeutigen Abrücken von der westeuropäischen Gemeinschaft entschließen konnten.

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