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Die neue Szene in der Tschechoslowakei

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Als Ministerpräsident Gottwald am 25. Februar die Liste seines neuen Kabinetts bekanntgab, konnte man wahrnehmen, daß sie vier Minister aus den Reihen der zwei nicht linkssozialistischen tschechischen Parteien und einen Staatssekretär aus den Reihen der slowakischen Demokraten enthielt. Es schien einen Augenblick, als sei die „Nationale Front", die Dachorganisation aller erlaubten Parteien, aus der großen Krise unverändert hervorgegangen. Manche glaubten schon von einer Kompromißbereitschaft Gottwalds, der doch ursprünglich nicht nur ein Ausscheiden der renitenten zwölf Minister seines ersten Kabinetts, sondern eine reine Linksregierung gefordert hatte, reden zu dürfen. Dieser Irrtum dauerte nicht lange. Schon die Tatsache, daß sich die drei großen nichtsozialistischen Parteien nunmehr mit zweitrangigen Ressorts begnügen mußten, war ein Zeichen dafür, daß es nicht nur um ein Auswechseln einiger Personen, sondern im Grunde um den Ersatz des bisherigen Fünfparteienkabinetts durch eine Zweiparteienregierung mit einigen Statisten ging.

Heute sind von den vier tschechischen Parteien nur zwei in der Regierung übrig geblieben. Wohl haben sich nach der Entscheidung des Staatspräsidenten Dr. Benesch für den kommunistischen Führungsanspruch auch innerhalb der Volkssozialistisdien Partei und der Lidovä strana Msgr. Šrameks Palastrevolutionen vollzogen, die deren linke Flügel ans Ruder brachten, aber es half ihnen wenig, sie blieben verfemt und ihre Sekretariate versiegelt. Die Aktionskomitees, die innerhalb der Organisation die „Säuberungen“ vornehmen sollen, haben sich in letzter Instanz an die Entscheidungen der lokalen Aktionskomitees, in denen die Kommunisten den Ton angeben, zu halten, so daß alle Bestrebungen um einen Neuaufbau der beiden diskriminierten Parteien schon im Beginne größten Schwierigkeiten begegnen. Von diesen Gruppen sind nur noch Trümmer übrig, die von Tag zu Tag weiter zerbröckeln. Die jetzigen Parteiführungen der noch vor zwei Jahren machtvollen Partei Dr. Benesdis und der Volkspartei Doktor Šrameks, sind längst zu Generalen ohne Soldaten geworden.

Es vergeht kein Tag, wo nicht eine Selbst.luflösung einer Parteiorganisation aus der Mitte der bürgerlichen Parteien gemeldet würde. Der bisherige Vorsitzende der Volkspartei, Msgr. Šramek, ist aus der Partei ausgeschlossen, die er vor fünfzig Jahren gegründet hatte; 18 Abgeordnete seines Klubs, der 47 Mann zählte, werden aus der „Nationalen Front" „distanziert“. Darunter die früheren Minister Msgr, Hala, Dr, Pro- chizka und Ing. Kopecky, der bisherige Generalsekretär der Partei, Dr. Klimek, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Nationalversammlung, Dr. Duchaček. Der in den letzten Tagen aufgetauchte Gedanke, an Stelle des bisherigen Namens der Volkspartei den Titel „Christlichsoziale Partei" anzunehmen, dürfte auf den Widerstand der Kommunisten stoßen.

Eine noch radikalere Säuberung hat die Volkssozialistische Partei erfaßt, die jüngst wieder ihren alten Namen aus dęr Zeit der Monarchie: „Tschechische Sozialistische Partei“ angenommen hat. Von 55 Abgeordneten wurden 34 ausgeschlossen, doch haben viele von diesen wenigstens nicht jene unterwürfigen „Loyalitätserklärungen" für die Regierung abgegeben wie ihre Kollegen von der Volkspartei, die erklärten, daß sie „nach den schicksalhaften Fehlern in die Partei zurückkehren und im Geiste der Volksdemokratie arbeiten wollen". Immerhin sind auch innerhalb der Volkssozialistischen Partei viele auf der Flucht. In den letzten Tagen wurde unter anderem die Auflösung der Parteiorganisationen in den Bezirken Nikolsburg, Prachatitz, Aussig und Jägerndorf, Zuweilen zugleich mit dem Eintrittsansuchen in die Kommunistische Partei gemeldet. Alle Köpfe der Partei wurden entfernt; die heutigen Führer sind nicht mehr als Verwalter einer großen Konkursmasse.

So zeigen die tschechischen Lager, die von den Gottwaldsdien Blitzen getroffen wurden, ein nicht gerade imponierendes Bild.

In der Slowakei ist die Demokratische Partei sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Doch hat der Aktionsausschuß der Demokratischen Partei beschlossen, eine „Partei der slowakischen Erneuerung“ zu gründen, in deren Präsidium Staatssekretär Dr. Ševči'k, der Partisanenoberst Milan Polak und der vor einigen Wochen ausgeschlossene Preßburger Bürgermeister Dr. Kysely sitzen. Von den 43 demokratischen Abgeordneten sind der neuen Partei 25, von den 63 Landtagsabgeotdneten 31 beigetreten. Als Nachfolge für die eingestellte Tageszeitung „Cas“ erscheint seit Ostern „Lud", „Das Volk“, Auch die neue Partei wird es nicht leicht haben. Kaum zwei Wochen nach der Ernennung des Abgeordneten Mjartan zum Vizepräsidenten der slowakischen Landesregierung wurden von den Kommunisten bereits Einwände gegen ihn erhoben.

Vielleicht am interessantesten ist die Entwicklung in der Sozialdemokratischen Partei, deren Führung nunmehr wieder Fier- linger übernommen hat. Als Ganzes blieb sie von den Ereignissen der letzten Wochen ziemlich verschont, aber ihre jetzige Existenz als selbständige politisdie Individualität ist nur ein Übergangsstadium, denn Fierlinger selbst bekannte sich zu der Anschauung, daß „die Verwirklichung des Sozialismus zur Bildung einer großen Partei des arbeitenden Volkes führen wird“. Eine schön frisierte Formel für das angekündigte Ende einer politischen Gemeinschaft von den bedeutenden Traditionen der tschechischen Sozialdemokratie. Nach Fierlinger besteht die Rolle seiner Partei lediglich darin, ein Sammelplatz für diejenigen zu sein, „denen die kommunistische Disziplin nicht gefalle und die den Marxismus anders auslege n“. Auch der tschechischen Sozialdemokratie ist die „Säuberung“ nicht erspart geblieben; zehn von den 36 Parlamentariern wurden aus der Partei ausgestoßen, darunter der gewesene Minister Majer, der bisherige Generalsekretär Vilim und der Abgeordnete Sedlak. der auf dem letzten Parteitag der Sowjetunion nachgesagt hatte, ihre Liebeserklärungen für die Tschechoslowakei bestünde nur in Worten, nicht aber in Taten. Vojta Benesch, der Bruder des Staatspräsidenten, der damals Fierlinger des Verrats an der Partei beschuldigt hatte, wurde aus begreiflichen Gründen nicht ausgeschlossen, legte aber selbst sein Mandat nieder, ln der umfangreichen Ausschlußliste der Nichtparlamentarier stehen noch der frühere tschechische Gesandte in Kanada, Fr. Nemec, der bisherige Prager Vizebürgermeister Dr. Pieman und alle früheren Kommunisten, die seinerzeit zur Sozial demokratie gestoßen waren.

Die kleine slowakische Katholische Freiheitspartei, die es abgelehnt hatte, sich in die Ämter der aus der Landesregierung entfernten christlichen Demokraten zu setzen, hat gleichfalls innere Veränderungen erlebt. Der bisherige Parteivorsitzende Dozent Dr. D iešką wurde durch den Gründer der Partei, Minister Dr. Š r o b a r, ersetzt. Damit ist auch die letzte Partei gleichgeschaltet.

Während also die Volkssozialisten, die Volkspartei und die slowakischen Demokraten heute nur noch Körper sind, die immer noch weiteren Amputationen unterliegen, und die Sozialdemokratie bestenfalls eine Stagnation erlebt, verzeichnen die Kommunisten einen Massenzustrom, der an die Zeit erinnert, da sich im Deutschland von 1933 eine Partei nach der anderen „freiwillig" auflöste. Ende November 1947 zählten die Kommunisten 1,281.000 Parteimitglieder; heute melden sie allein aus den ersten vier Tagen der „Gottwald-Woche“ (die der Mitgliederwerbung gilt) 103.000

neue Mitglieder. An einem Sonntag allein wurden so viel Anmeldungen erzielt wie im ganzen Monat Februar. Eine der Erklärungen dafür bot eine Mitteilung des kommunistischen Generalsekretärs Rudolf Slansky, „in einigen Ämtern hätten kommunistische Funktionäre an alle Beamten Anmeldungen verteilt, mit der Bemerkung, daß sie am nächsten Tag ausgefüllt sein müßten. Der diesen eifrigen Werbern ausgesprochene Tadel kann die weithin verständliche Methodik nicht mehr ungeschehen machen. Jetzt ist die Zeit, wo die menschliche Schwäche aufbricht, die kleinen Geister versagen und alles Unechte zur traurigen Fratze wird.

Die Mai wählen zum Parlament werden ohne Zweifel eine kommunistische Mehrheit bringen. Die Rolle, die den anderen Parteien in der tschechoslowakischen Volksdemokratie zugedacht ist, wird jener nahekommen, die heute von der Bauernfront Grozas in Rumänien, der „Zweno“ in Bulgarien und den Kleinlandwirten in Ungarn gespielt wird. „Vae victis,“

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