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Die Slowakei ist noch nicht verloren

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Umweltministerin Maria Rauch-Kallat sieht eine Chance, slowakische Politiker als Verbündete gegen die Kernenergie zu gewinnen.

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Umweltministerin Maria Rauch-Kallat sieht eine Chance, slowakische Politiker als Verbündete gegen die Kernenergie zu gewinnen.

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diefurche: Welches konkrete Ziel verfolgt die österreichische Bundesregierung in Sachen Mochovce? Maria Rauch-Kallat: Wir wollen, daß Mochovce als Kernkraftwerk weder fertiggestellt wird, noch in Betrieb geht. Es geht uns dabei aber nicht darum, bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in London einen Kredit zu verhindern. Im Gegenteil: wir sind sogar sehr dafür, daß die Bank einen Kredit vergibt. Allerdings soll er nicht für ein Kernkraftwerk sein. Die Unterlagen zeigen ja schon, daß die Sicherheitsvorkehrungen und die Umweltverträglichkeits-prüfung völlig ungenügend sind. Was wir wollen ist, daß entsprechende Alternativen - und die gibt es — finanziert werden.

diefurche: Wethes Ziel verfolgt die Regierung darüber hinaus? rauch-kallat: Generell verfolgt die Bundesregierung das Ziel eines kernkraftwerkfreien Mitteleuropas. Das ist eine klare und einheitliche Linie. Wir wollen ja auch verhindern, daß beispielsweise das tschechische Kernkraftwerk Temelin in Betrieb geht.

diefurche: Welche Mittel stehen Ihnen dafür zur Verfügung? rauch-kallat: Alle legalen und diplomatischen Möglichkeiten. Wir werden beispielsweise unseren Einfluß bei der Kreditvergabe der EBRD geltend machen. Dazu werde ich versuchen, in Einzelgesprächen mit den wirklichen politischen Entscheidungsträgern in den einzelnen Ländern die österreichische Position darzulegen.

Ich werde auf unsere Bedenken auf Basis der Projektunterlagen und der Bewertung dieser Unterlagen sowie auf die große Verantwortung aller Beteiligten bei dieser Entscheidung hinweisen.

diefurche: Sie glauben, gutes Zureden wird den gewünschten Erfolg bringen?

Rauch-Kallat: Nein, natürlich nicht. Wir werden als Aktionär der Bank selbstverständlich auch gegen den Kredit stimmen. Nur - wenn Osterreich allein dagegen stimmt, hat das keine Wirksamkeit. Wir müssen eine Mehrheit gewinnen. Außerdem haben wir die Möglichkeit einer Ausstiegshilfe angeboten. Es liegt eine Energieeffizienzstudie vor, die wir gemeinsam mit der Slowakei entwickelt haben. Die zeigt ganz deutlich, daß das Kernkraftwerk Mochovce nicht notwendig ist, weil mit gleichen Mitteln, wenn nicht sogar mit geringerem Einsatz, das gleiche Ergebnis erzielt werden kann. Wir haben diese Studie nicht nur präsentiert, sondern es gibt auch Arbeitsgruppen, die an der Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen arbeiten. Wir wollen jetzt, daß auch die EBRD derartige Projekte mitfinanziert.

So eine Studie wurde auch mit der tschechischen Republik gemacht.

diefurche: Ohne Erfolg. Die österreichischen Angebote fiir Ausstiegshilfen wurden von den Tschechen einfach vom Tisch gewischt Umweltminister Frantisek Benda sprach erst kürzlich wieder eindeutig von einer „aussichtslosen Kritik” der Österreicher. Warum sollten die Slowaken letztendlich anders agieren? rauch-kallat: Gott sei Dank bemerken wir in der Slowakei eine etwas flexiblere Haltung. Wobei ich aber noch nicht sagen kann, inwieweit in der neuen Regierung diese Flexibilität immer noch gegeben ist. Bei der vorigen Regierung war es jedenfalls so, daß es im Fall Mochovce, aber auch bei Bohunice unterschiedliche Meinungen innerhalb der Regierung gab. Die Befürwortung der beiden Kraftwerke scheint mir nicht so uneingeschränkt positiv zu sein wie in der Tschechischen Republik im Fall Temelin.

diefurche: Haben Sie noch keinen Verbündeten in der neuen slowakischen Regierung gefunden? rauch-kallat: Na ja, der jetzige Minister Jozef Zlocha, der schon einmal Umweltminister war und gerade wieder ins Amt gekommen ist, ist sicherlich kein Kernkraftbefürwor-ter. Auch sein Vorgänger war das nicht. Der dortige Energieminister ist hingegen kein Gegner der Atomkraft. Aber ich könnte mir vorstellen, daß er bei vernünftigen Alternativen mit sich sprechen ließe.

In der Tschechischen Republik habe ich hingegen den Eindruck gewonnen, wenn man von Temelin zu reden anfängt, endet jegliche Diskussionsbereitschaft.

diefurche: Nun sagten Spitzenpolitiker in der Slowakei immer, Mochovce muß in Betrieb gehen, um das Schrott-AKW Bohunice abstellen zu können Auch die Londoner'Bank für Wiederaufbau und Entwicklung argumentiert so, hieß es. Könnte man in Osterreich nicht auch die Minimallösung akzeptieren- Tolerieren wir Mochovce und schließen dafür lieber Bohunice?

rauch-kallat: Nein, es gibt keine Minimallösung, die ein Kernkraftwerk ist. Das wäre eindeutig ein Schritt in die falsche Richtung. Und was Mochovce statt Bohunice betrifft: Genau dieses Argument wird durch die 1.100 Seiten starken Projektunterlagen eindeutig widerlegt. Es gibt keine klare Aussage, daß eine Abschaltung von Bohunice wirklich sichergestellt ist.

diefurche: Sie sagten, die gesamte Bundesregierung steht hinter Ihrer Anti-AWK-Linie. Manche Minister wie Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel oder Finanzminister Ferdinand Lacina erwecken aber den Eindruck, als ginge sie das alles gar nichts an Stehen Sie ziemlich alleine da?

rauch-kallat: Ich fühle mich weder einsam noch allein gelassen. Vor allem deshalb nicht, weil es einen Beschluß der Bundesregierung gibt zur öffentlichen Erörterung des Problems und somit auch zur Darlegung der Position. Damit wurde das Umweltministerium beauftragt. Daher bin ich federführend, und es gibt eine ausgezeichnete Kooperation mit dem Bundeskanzleramt. Ich werde auch regelmäßig über die Aktivitäten im Ministerrat berichten. Wir werden darüber hinaus versuchen, auch entsprechende gemeinsame Aktionen zu setzen.

Außerdem wird jedes Regierungsmitglied seine Kontakte nützen. Ich bin davon überzeugt, daß Osterreich auch bereit wäre, im Rahmen eines Gesamtkonzeptes einen finanziellen Beitrag zu leisten.

diefurche: Die Slowakei will bis spätestens Ende Juli dieses Jahres einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen und hat bereits deutlich gemacht, wie sehr das Land auf Österreichs Hilfe hofft Halten Sie es für legitim, daß Österreich notfalls seine Zustimmung von der Schließung von gefährlichen Kernkraftwerken abhängig macht*

Bauch-KallaT: Nein. Es ist nicht legitim, die beiden Dinge miteinander zu verknüpfen. Selbstverständlich werden wir die Europa-Bestrebungen der Slowaken unterstützen, sie aber nicht von Atomkraftwerken abhängig machen. Das können wir schon alleine deshalb nicht tun, weil es EU-Länder gibt, die auch Kernkraft verwenden.

Aber ich glaube, es ist nicht uninteressant, für die weitere Entwicklung dieser Energiegewinnung folgendes zu wissen: Von den bisherigen zwölf EU-Ländern haben sechs überhaupt keine Kernkraft, vier weitere haben ihre Ausbauprogramme gestoppt; lediglich Frankreich und England bleiben übrig und betreiben eine offensive Kernkraftwerks-politik. Die drei neuen Mitglieder Schweden, Finnland und Österreich sind ebenfalls keine Befürworter. Wenn immerhin damit schon insgesamt 13 Länder eine gewisse Skepsis gegenüber der Kernenergie haben, dann sehe ich hier Chancen für eine entsprechende Entwicklung.

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