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Die steirisdie Wirtschaf

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Das wachsende Verständnis der zuständigen Stellen unseres öffentlichen Lebens hat zu wirtschaftsfördernden Maßnahmen geführt, die ihre positiven Auswirkungen auf das Wachsen des Sozialproduktes und des allgemeinen Wohlstandes zweifellos unter Beweis stellen werden. Es soll — der Forderung nach strenger Objektivität entsprechend — aller-ding auch nicht verschwiegen werden, daß noch längst nicht alle lebenswichtigen Forderungen der gewerblichen Wirtschaft erfüllt wurden und daß es überdies Bereiche gibt, in denen die seit Jahren anstehenden Probleme einer dringenden Lösung .bedürfen.

Gerade die Steiermark, deren Wirtschaft einschließlich des Fremdenverkehrs, unter ungleich schwierigeren Bedingungen arbeiten muß, kann in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Komplexe verweisen, die zum Teil aus ihrer Randlage und den damit zusammenhängenden Transport- und Kostenproblemen erwachsen und zum Teil auf die ererbte Wirtschaftsstruktur zurückzuführen sind, in der Produktionszweige dominieren, die zwar in Zeiten weltweiter wirtschaftliher Schwierigkeiten und Notzeiten als Rohstoffquellen von unschätzbarer Bedeutung sind, die jedoch angesichts der zunehmenden Liberalisierung des Welthandels durch billiger produzierende Konkurrenzstaaten oder die Einführung billigerer Roh- und Grundstoffe mehr oder minder drastisch an die Wand gedrückt werden. Diese Produktionszweige, die in der Steiermark etwa 50 Prozent der gesamten industriellen Erzeugung umfassen und angesichts der heutigen Struktur der Weltwirtschaft wenig Aussichten auf Expansion bieten, zeitigen selbstverständlich nachteilige Auswirkungen auf alle sonstigen wirtschaftlichen und finanziellen Bereiche: es leiden darunter die Höhe der Pro-Kopf-Einkommen, die Summe der Steuereingänge und damit der gesamte wirtschaftliche Kreislauf. Daß hier Wandel geschaffen werden muß, steht außer Frage! Denn es ist schließlich nicht nur ein Problem der betroffenen Wirtschaftezweige, sondern der gesamten Wirtschaft, deren weitere Fortschritte problematisch zu werden drohen, wenn sie die Hälfte dieser ansonsten durchaus möglichen Fortschritte wie ein Hemmschuh erschweren.

Die gewerbliche Wirtschaft der Steiermark muß daher sowohl in ihrem eigenen Lebensinteresse als auch im Interesse des materiellen Fortschrittes der Bevölkerung die dringende Forderung erheben, durch Ausschöp-fung aller sachlichen und materiellen Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der echten sozialen Belange eine Revision und Reorganisation der wirtschaftlichen Struktur unseres Bundeslandes herbeizuführen. Es kann kaum bezweifelt werden, daß ein radikaler Schritt — und eine evolutionäre Umstellung wird sich angesichts der raschen wirtschaftlichen Entwicklung unserer Konkur-renzstaaten kaum ermöglichen lassen — nicht ohne Härten vor sich gehen wird. Solche, die sich trotz aller Rücksichtnahmen nicht länger vermeiden lassen, werden um so schmerzloser sein, je rascher die Umstrukturierung erfolgt und wirtschaftliche Erfolge zu bringen beginnt. Daß dieses große, ja gewaltige Vorhaben bedeutende technische und finanzielle Mittel erfordert, ist klar; anderseits kann es sich ein kleiner Staat wie Österreich kaum leisten, daß ein nennenswerter Teil seiner wirtschaftlichen Produktion stagniert und damit die Gesamtbilanz belastet. Alles, was in diese Umstrukturierung investiert werden muß, wird sich sehr bald und materiell sehr einträglich bezahlt machen. Und in dem Augenblick, in dem die neuen Produktionsgrundlagen aktiv werden, wird sich daraus für die gesamte Wirtschaft eine sieht- und spürbare Belebung ergeben, und auch die öffentliche Hand wird auf ihre Rechnung kommen.

Natürlich genügt es nicht, irgendwelche Produktionsstätten aus dem Boden zu stampfen; im gleichen Rhythmus müssen Verkehrs- und Transportmöglichkeiten, Wohnräume, Kommunikationsmittel sowie zugehörige und sonst unerläßliche wirtschaftliche Einrichtungen geschaffen werden. Es wäre zu begrüßen, wenn d'e hier nur andeutungsweise skizzierten Forderungen nicht als Zukunftsmusik betrachtet würden, sondern als Aufzählung realer Notwendigkeiten, deren Schaffung nicht mehr aufgeschoben werden kann, weil sie unauflöslich mit dem weiteren wirtschaftlichen Wachstum unseres Bundeslandes zusammenhängen.

Auf keinen Fall sollen diese Ausführungen den Eindruck erwecken, als würde die stei-rlsche gewerbliche Wirtschaft für sich eine Art von Sonderstellung beanspruchen, aus welcher notwendigerweise eine Sonderbehandlung abzuleiten wäre; das überläßt die Wirtschaft anderen Erwerbsgruppen, die zwar ungleich bescheidenere Beiträge zum Wachsen des Sozial- und Nationalproduktes leisten, dafür jedoch bei dem Pochen auf die Erfüllung ihrer Wünsche weniger Rücksicht auf das Gemeinwohl und auf die erforderliche Selbstdisziplin zu nehmen gezwungen sind.

Wie also schon gesagt, die steirische Wirtschaft fordert für sich keine Sonderleistung; was sie aber mit Recht erwartet, ist eine entsprechende Beseitigung jener Tatbestände, die sich bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Fortschritte unseres Bundeslandes als ausgesprochene Hindernisse erweisen. Hierzu gehört in erster Linie die schon unzählige Male aufgezeigte Verkehrslage und die aus dieser resultierenden höheren Transport- und sonstigen Kosten. Es dürfte im Lauf der Jahre allgemein bekannt geworden sein, daß die steirische Wirtschaft, um die Zahl ihrer Arbeitsplätze und die Höhe ihrer gegenwärtigen Produktion zu halten, im Durchschnitt rund 40% ihrer Erzeugungen und Leistungen exportieren muß; daß die Kalkulation der Exportpreise entscheidend von inländischen Kostenfaktoren abhängt, ist jedermann klar. Also gilt es, diese Nachteile auf irgendwelchen Wegen aus der Welt zu schaffen und ausländische Beispiele zeigen, daß solche Vorhaben bei einigem guten Willen ohne weiteres verwirklicht werden können.

Es ist richtig, daß sich die Handelskammer Steiermark in enger Zusammenarbeit mit der Grazer Messe mit bemerkenswertem Erfolg bemüht hat, diese nachteilige Verkehrslage durch die Wiederaufnahme und den Ausbau des Warenaustausches mit dem- benachbarten JugbsTawieh einigermaßen zu überspielen. Ein “ Staat allein genügt aber nicht, und die Vielfalt der steirischen Produktion zwingt dazu, die westlich gelegenen Bundesländer und das anschließende Ausland auf keinen Fall zu vernachlässigen, mag es sich nun um die Einfuhr von Rohstoffen oder Hilfs- und Vormaterial oder um den Absatz steirischer Erzeugnisse oder — und dies nicht zuletzt — um die ziffernmäßige Belebung des steirischen Fremdenverkehrs handeln.

Auf allen diesen angedeuteten Gebieten gibt es leider immer wieder Schwierigkeiten, die in erster Linie auf die durch erhöhte Kosten bedingte Preiskalkulation zurückzuführen sind, die in vielen industriellen und gewerblichen Bereichen zur Aufgabe mühsam aufgebauter Positionen auf den Weltmärkten zwingt. Gerade auf dem Gebiet des gewerblichen Exportes hat sich die Handelskammer Steiermark besondere Mühe gegeben, und wenn heute mit einiger Genugtuung festgestellt werden . kann, daß vom gesamten gewerblichen Export Österreichs in Höhe von rund vier Milliarden Schilling die Steiermark einen erheblichen Prozentsatz auf ihr Konto buchen darf, dann wird es verständlich, daß man auf die Früchte dieser Entwicklungsarbeit ungern verzichten möchte. Es gibt unzählige Beispiele jenseits unserer Grenzen, die beweisen, daß es sehr wohl möglich ist, durch entsprechende Maßnahmen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten des wirtschaftlichen Standortes zu paralysieren; die Steiermark erwartet, daß diese Beispiele auch bei uns Schule machen.

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