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Die Utopie der Partisanen

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Den Tagen der blutigen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Palästinapartisanen ist in Jordanien eine Woche der Pressekonferenzen, Koordinationsbemühungen und zukunftsweisender Erklärungen gefolgt, mit denen die Führer beider Lager die politischen Konsequenzen aus den tragischen Ereignissen der Junimitte zu ziehen versuchten. Die wichtigsten dieser Ansätze zur Bewältigung der jüngsten jordanischen Vergangenheit waren die Bildung des Sechsersekretariats der verschiedenen Partisanenbewegungen, die Gründung der palästinensischen Zeitung „Al-Fatah“, Organ der gleichnamigen Widerstandsgruppe, und die Pressekonferenzen König Husseins und der Vertreter der drei Hauptströmungen im Palästina-Widerstand, Arafat, Habasch und Hawatmeh.

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Den Tagen der blutigen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Palästinapartisanen ist in Jordanien eine Woche der Pressekonferenzen, Koordinationsbemühungen und zukunftsweisender Erklärungen gefolgt, mit denen die Führer beider Lager die politischen Konsequenzen aus den tragischen Ereignissen der Junimitte zu ziehen versuchten. Die wichtigsten dieser Ansätze zur Bewältigung der jüngsten jordanischen Vergangenheit waren die Bildung des Sechsersekretariats der verschiedenen Partisanenbewegungen, die Gründung der palästinensischen Zeitung „Al-Fatah“, Organ der gleichnamigen Widerstandsgruppe, und die Pressekonferenzen König Husseins und der Vertreter der drei Hauptströmungen im Palästina-Widerstand, Arafat, Habasch und Hawatmeh.

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Die Errichtung eines handlungsfähigen Führungskomitees aller ernst zu nehmenden Partisanengruppen hatte sich während der Kämpfe in Amman als Gebot der Stunde erwiesen, da das von der Kairoer Palästinakonferenz erst Anfang Juni eingesetzte 27köpflge Exekutivkomitee des Widerstandes der palästinensischen Flüchtlinge zu schwerfällig gewesen war, um den von seinem Präsidenten Arafat abgeschlossenen Waffenstillstand mit König Hussein in die Tat umsetzen. Allerdings droht auch dem neuen Sechsersekretariat von vornherein die Gefahr der Handlungsunfähigkeit, da es sich genau aus drei Vertretern des rechten Partisanenflügels unter Arafat und drei Repräsentanten der auf radikaler marxistischer Basis stehenden Volksfront, marxistischleninistischen Front und der baath-sozialistischen Saiqa zusamimensetzt. Yasser Arafat, die ihm unterstellte Widerstandsbewegung Al-Fatah und deren paramilitärische Assifa-Organisation haben daher nach anderen Mitteln und Wegen zur Aufrechterhai tung ihrer während der jordanischen Krise ernsthaft in Frage gestellten Führungsposition in der palästinensischen Partisanenbewegung Ausschau gehalten.

Während Yasser Arafat, der in seiner Organisation ein straffes Regiment führt, grundsätzlich jede arabische Autorität von den Königen bis zu den Revolutionsräten anerkennt und mit ihr zusammenzuarbeiten sucht, betrachten die marxistischen Partisanengruppen die Einsetzung progressiver Regimes syrischen Typs in Jordanien und dem Libanon als Voraussetzung einer erfolgreichen Infiltration des israelischen und israelisch besetzten Palästina. Diese unverhüllten Absichten sind der eigentliche Grund der ständigen Reibereien zwischen „Volksfront“ und „Saiqa“ sowie den Ammaner und Beiruter Regierungen. Während allerdings im Libanon der Ausgang dieser Kontroverse erst nach den Präsidentenwahlen vom Juli abzusehen sein wird, hat sich dieser revolutionäre Zug seiner Rivalen in Jordanien bereits zugunsten Arafats ausgewirkt. Die Marxisten gewinnen zwar in der katastrophalen sozialen Atmosphäre der Flüchtlingslager wachsenden Anhang, doch garantiert die vom Wüstencharakter geprägte Stammesstruktur des heute von seinem industrialisierten Westen getrennten Ostjordanlandes auf Jahre den Fortbestand der Hasche-mitenmonarchie und ihrer nationalislamischen Bindungen. Diese kommen aber in erster Linie der Al-Fatah zugute, die sich vor allem aus Christen und einstigen Moslembrüdern rekrutiert. Analog diesen Zielsetzungen unterscheiden sich auch die Pläne der verschiedenen Partisanengruppen für den Palästina-Staat der Zukunft. Während Arafat die Utopie eines zweiten, auf der Basis der verschiedenen Religionsgemeinschaften beruhenden Libanon für Palästina vorschwebt, wollen die Linkspartisanen das Problem des jüdisch-christlichislamischen Zusammenlebens durch humanitäre, klassenkämpferische und aufklärerische Ideale lösen. Dementsprechend beziehen sich die ersten Ansätze einer Annäherung zwischen Palästinensern und Israelis auch von Seiten der Al-Fatah auf das orthodoxe Judentum, während den marxistischen Partisanen von der israelischen Arbeiterpartei MAPAM konziliante Gesten und Erklärungen entgegengebracht wurden.

König Hussein ist nur zu gerne bereit, seinen 1948 von Jordanien angenommenen Titel „König beiderseits des Jordan“ der Befreiung Ostjordaniens von den ungebetenen Partisanengästen au opfern. Die drei Jahre seit 1967 haben die Regierung in Amman gelehrt, daß auch Transjordanien wirtschaftlich entwicklungs-und später lebensfähig ist. Hussein unterstützt daher das Drängen der Partisanen nach Palästina mit dem Hintergedanken, sich nur auf diese Weise langfristig von ihrer Präsenz befreien zu können. Es ist dem Herren des jordanischen Palastes natürlich nicht angenehm, zu wissen, daß diese Freischärler nicht nur Maschinenpistolen, sondern auch die Werke Lenins und Mao Tse-tungs mit sich herumtragen und weitergeben.

Allerdings scheint der Einfluß des Maoismus unter den Palästinensern wieder abzunehmen, seit der Volksfrontführer D. Georges Habasch mit seinem ideologischen Werk „Der Arbeiter in der palästinensischen Revolution“ einen eigenen Kurs eingeschlagen hat, der sich durch originelles Gedankengut auch wohltuend vom apparatistischen Staatssozialismus der VAR, Tunesiens, Syriens oder des Iraks unterscheidet. Habasch' Ideen haben auch schon bei der geistesverwandten „Befreiungsfront“ in Südjemen Eingang gefunden, die bisher ganz ins chinesische Fahrwasser zu geraten drohte.

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