Die versteckten Kosten der Krim-Krise

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Militärisch entsteht Russland aus der Krimkrise keine Gefahr. Auch die politische Isolierung kann es verkraften. Es spricht aber immer mehr dafür, dass die russische Wirtschaft schwer geschädigt werden könnte. Ökonomen warnen vor den Folgen.

Gary Kasparow, der Schachweltmeister und Oppositionspolitiker, den das System Putin ins Exil nach Litauen zwingt, mag politisch vielleicht weniger wichtig sein als ein Minister. Aber die Gabe logischen Denkens wird ihm niemand absprechen wollen. Während die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen schon eine stärkere NATO-Präsenz an den Grenzen zu Russland ins Treffen führte, forderte Kasparow, das militärische Säbelrasseln sein zu lassen. Und die Lösung für die KrimKrise lieferte er auch gleich mit: "Its banks, not tanks“.

Tatsächlich liegen die wahren Risiken der Krim-Annektion nicht im militärischen Bereich. Russlands Wirtschaft aber wird leiden und leidet bereits. Wenn es nach den Analysten und Ökonomen von Business New Europe geht, Moskauer Wirtschaftsthinktank, dann könnte die Krise Russland 2014 noch 400 Milliarden Dollar kosten.

Kosten, Kosten, Kosten

Allein der Wertverlust des russischen Aktienmarktes durch die Invasion der Krim kostete 55 Milliarden Dollar, die bei dem Absturz der Indizes um durchschnittlich 15 Prozent verloren gingen.

Dazu beschleunigte sich die Kapitalflucht internationaler Anleger in Russland. Schon in der Woche des Krim-Einmarsches waren das 130 Millionen Dollar, ein Betrag, der sich in den vergangenen Wochen der Krise vermutlich weiter erhöht hat. Die Kapitalflucht von russischen Staatsbürgern selbst stellte ja schon vor der Krise eine der wichtigsten Hemmnisse der wirtschaftlichen Entwicklung dar. 17 Milliarden Dollar sollen allein im Jänner ins Ausland transferiert worden sein. Putins Wirtschaftsberater Alexej Kudrin spricht sogar von 70 Milliarden Dollar für das erste Jahresviertel. Damit hätte Russland in nur zwei Monaten mehr an Kapital verloren als im ganzen Jahr 2013. Die Kapitalflucht aus Russland wird im ersten Quartal den höchsten Stand seit der Finanzkrise 2008 erreichen.

Dazu kommen noch die Schwierigkeiten des Rubel. Schon im vergangenen Jahr hatte die russische Währung gegenüber dem Dollar um 16 Prozent abgewertet, um die Binnenwirtschaft anzukurbeln. Das Kalkül war, die eigenen Waren billiger und damit wettbewerbsfähiger zu machen. Doch das Kalkül ist so nicht aufgegangen. Mit der Krim-Annexion hat der Rubel noch einmal um 10 Prozent abgewertet und konnte nur durch eine scharfe Leitzinserhöhung der Notenbank von 5,5 auf 7 Prozent wieder stabilisiert werden. Das Manöver hatte allerdings den Preis, dass nun Kredite teurer sind, und das Wachstum weiter gebremst wird.

Business New Europe berichtet, dass die Bevölkerung versucht, der Entwertung durch die Konvertierung von Rubel auf Dollar zu entkommen. Rubel im Gegenwert von sechs Milliarden Euro sollen so gewechselt worden sein.

Am meisten Sorgen müssen sich derzeit allerdings jene machen, die immer hinter Putin als dem starken Mann Russlands gestanden sind und seine politische Karriere mit Milliarden gefördert haben: Die Industriellen und die Oligarchen. Vergangenen Donnerstag glaubten sie, wegen der Entwicklung der Lage Aufklärung vom kriegerischen Präsidenten erwarten zu dürfen. Doch Putin ließ sie zunächst eine Stunde warten, um ihnen dann exakt fünf Minuten zu schenken. Dabei machte er keinerlei Zusagen, ihnen die verlorenen Millionen zu ersetzen, die sie im Lauf der Krise verloren haben. Allein der größte Stahlproduzent Russlands, Alexei Mordashews Severstal, verlor nach eigenen Angaben 900 Millionen Dollar an Börsewert. Insgesamt nehmen die Befürchtungen zu, dass die Sanktionen die russische Wirtschaft in die Rezession ziehen dürften. Die Ratingagenturen haben den Ausblick auf Null heruntergestuft.

Auf der anderen Seite scheint Europa nicht in dem Maße durch russisches Erdgas erpressbar wie angenommen. Eine Studie des "Center for European Policy Studies“ stellt fest, dass nur sechs Prozent der EU-Energie aus Russland stammt. Umgekehrt stammen 53 Prozent der Erdgaseinnahmen für Russland aus Europa. Die Frage ist freilich, ob diese Rechnung auch der Kreml so anstellen würde.

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