Dr. Eisenfausts Kampf um Stimmen

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Wenn die Ukraine am Sonntag, 28. Oktober, ein neues Parlament wählt, wird einer von vier Wählern zu Hause bleiben. Dabei sollte für jeden politischen Geschmack etwas dabei sein. Auswahl wird es auf den Stimmzetteln jedenfalls genug geben. 6.000 Kandidaten wurden registriert, die in 22 Parteien um die 450 Sitze ringen. Die "Partei der Regionen“ von Präsident Wiktor Janukowitsch ist dabei, das Oppositionsbündnis unter Julija Timoschenko, ein Abkömmling der Sozialdemokratischen Partei, die Kommunistische Partei, die ultranationalistische "Freiheits“-Partei - und ein Boxweltmeister.

Vitali Klitschko, im Ring "Dr. Eisenfaust“ genannt, ist 41 Jahre alt, zwei Meter groß und eigentlich für seinen schnellen linken Haken und die starke rechte Schlaghand bekannt. Seit sechs Jahren engagiert er sich aber auch politisch. Für viele kam es überraschend, dass er sich 2006 öffentlich für die Demokratiebewegung der Orangenen Revolution einsetzte und im März des selben Jahres selbst bei der Bürgermeisterwahl in Kiew kandidierte. Die gewann er zwar nicht, errang aber immerhin ein Mandat für den Stadtrat. Zwei Jahre später stellte er sich erneut der Wahl zum Bürgermeister, musste sich aber wieder mit dem dritten Platz zufriedengeben. Als Sport-Profi gab er sich damit aber nicht geschlagen, sondern kämpfte weiter. Bei den Parlamentswahlen heuer tritt er erstmals mit seiner Partei "Udar“ (zu Deutsch: Schlag) an. Und seine Chancen scheinen nicht so schlecht zu stehen. Seit dem Sommer schnellte er Umfragen zufolge in der Wählergunst von 10 auf 21,5 Prozent hoch und überholte damit sogar die "Vaterlandspartei“ von Julija Timoschenko. Die verbüßt gerade ihre siebenjährige Haftstrafe für angeblichen Amtsmissbrauch und darf selbst nicht kandidieren. Als Spitenkandidat ist Ex-Außenminister Arsenih Jazenduk eingesprungen, der nicht nur im Vergleich zum zwei Meter großen Klitschko eher schmalspurig auftritt. 20 Prozent sagen die Wahlprognosen der "Vaterlandspartei“ voraus. Janukowitschs "Partei der Regionen“ kommt immer noch auf rund 30 Prozent, muss aber den Verlust der Mehrheit fürchten.

Besonders junge Wähler im Zentrum und im Westen des Landes sind Klitschkos "Udar“ zugetan. Ursache dafür ist neben seiner sportlichen Popularität auch seine westliche Orientierung, die er mit seinen zwei Wohnsitzen in Kiew und Hamburg eindrucksvoll vorlebt. In "fünf Schlägen“ will er das Land verändern, lässt Klitschko im Wahlkampf wissen: "Wir brauchen Korruptionsbekämpfung, mehr Mitbestimmung für die Bürger, gleiche Chancen für alle, lokale Selbstverwaltung und europäische Lebensstandards.“

Er präsendiert sich als Hoffnungsträger, will die Dauerfehde zwischen Timoschenko und Janukowitsch beenden. Sollte das Wahlergebnis es zulassen, will er übrigens mit der Vaterlandspartei gegen Janukowitsch koalieren. Ganz unproblematisch dürfte das aber nicht werden. In der Kiewer Bürgermeisterwahl 2008 scheiterte er auch deshalb, weil Julija Timoschenko ihm die Unterstützung versagte. Hoffentlich hat er beim Boxen gelernt, vergangene Kämpfe ruhen zu lassen. Was ihm aus dem Ring schon jetzt zugutekommt, ist die antrainierte Ausdauer: Seit Wochen tourt Klitschko unermüdlich durchs Land, immerhin den zweitgrößten Staat Europas. Wenn am Sonntag drei von vier Ukrainern zu den Urnen schreiten, wird Klitschko im Kampf um Stimmen 30.000 Kilometer zurückgelegt haben.

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