Landkarte - © Foto: iStock / BardoczPeter

Du sollst dir ein Weltbild machen

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In der Kartografiegeschichte spiegelt sich die Geschichte der Zivilisation – mit Eduard Hölzel entstand ein Zentrum dieser Geschichte in Wien.

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In der Kartografiegeschichte spiegelt sich die Geschichte der Zivilisation – mit Eduard Hölzel entstand ein Zentrum dieser Geschichte in Wien.

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Am Anfang war die Geografie, aber die Geografie war nicht im Kopf. Um die Erdkunde aber in die Köpfe der Menschen und vorrangig die der Schüler zu bringen, brauche es Bilder, war Eduard Hölzel überzeugt: „Soll der geographische Unterricht endlich dahin kommen, dass die Schüler die Erde kennen lernen, wie sie ist, dann müssen wir vor allem uns von der Idee befreien, als seien Karten und Leitfaden allein schon genügend die Aufgabe zu lösen …“, forderte der Wiener Verleger von Karten, Atlanten, Bildbänden und Litographien 1882 die Einführung von „Geographischen Charakterbildern“ als pädagogisch hilfreiche Ergänzung für den Erdkundeunterricht. „Mögen die Geographielehrer endlich erklären, dass sie auch ein Cabinet benöthigen“, argumentierte Hölzel, „denn das wird endlich doch klar werden, dass wenn der Naturhistoriker eine Ente oder einen Affen nicht ohne Exemplar oder Bild zu beschreiben vermag, wir auch nicht ein Vorgebirge, die Berggipfelformen, die Steilküste ec. ohne Bild klar machen können.“

Hölzel nannte als Beispiel den Physiklehrer, der bei einer bloßen Erzählung eines Experiments ausgelacht würde. „Wie lange will der Geographielehrer noch in den nie über wenige Meilen der Heimat hinausgekommenen Jungen durch Beschreibungen eine Vorstellung von den Steppen Asiens, den Dschungeln Indiens, den Gebirgsformen Afrikas hervorzubringen sich abquälen“, lautete der logische Schluss des Wiener Geschäftsmanns mit Prager Wurzeln, nicht ohne noch einen Seitenhieb auf die Weltläufigkeit der Pädagogen anzubringen: „Wobei noch die Kleinigkeit zu beachten ist, dass er in sehr vielen Fällen selbst kaum die rechte Vorstellung hat von dem, was er anderen klar machen soll!“

Die k. k. Geographische Gesellschaft folgte dem Ansuchen des honorigen Standesvertreters der Buchhändler und Verleger Österreichs und ersuchte auch die geographischen Gesellschaften und Konsulate der Donaumonarchie Hölzel „bei der Beschaffung von verlässlichen Naturaufnahmen jener Punkte, die mir noch fehlen, behilflich zu sein“.

Ringen um die Geografie

Im Detail nachzulesen ist Eduard Hölzels Ringen um einen zeitgemäßen und pädagogisch wertvollen Geografieunterricht in der Festschrift „Innovation aus Tradition – 175 Jahre Verlag Ed. Hölzel“ – darüber hinaus finden sich noch zahlreiche weitere Beiträge, die anhand der Verlagsgeschichte eine Tour dʼHorizon durch die Kartografiegeschichte der vergangenen zwei Jahrhunderte bieten, ausgehend vom Verlagsort Wien in die Länder der Donaumonarchie und darüber hinaus in die Welt.

Hölzels Eintreten für die Verbildlichung der Welt als Ergänzung zur Kartografie kann aber auch gleichermaßen als Vorwegnahme heutiger Maßnahmen „zur Beschaffung von verlässlichen Naturaufnahmen“ von Google Maps, Google Earth bis hin zu Google Street View gesehen werden.

Am Anfang war die Kartografie, denn der Mensch wollte und musste sich verorten, sich einen Platz zuweisen, die große Welt um ihn herum auf seinen Maßstab verkleinern, oder treffender gesagt zurecht schnitzen und ritzen. Denn die ersten bekannten geografischen Skizzen finden sich auf Steinen, Knochen oder Horn. In der ­Ukraine fand man einen rund 12.000 Jahre alten Mammutzahn, auf dem eine Art Stadtplan eingeritzt ist. Als älteste (6200 v. Chr.) detailgenaue Darstellung einer Landschaft gilt eine Wandmalerei aus Anatolien. Das Bild zeigt die Häuser der Stadt Çatal Hüyük vor dem Doppelgipfel eines Vulkans.

Die älteste erhaltene Weltkarte stammt aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert: Sie ist eine in eine Tontafel eingeritzte, schematische Darstellung des babylonischen Weltbildes als Kreis. In der griechischen Antike werden Geografie und Kartografie zu wissenschaftlichen Disziplinen. Eratosthenes von Kyrene berechnete im dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung den Erdumfang bereits fast so genau wie heute.

Die Idee einer Gradnetzkarte mit Breiten- und Längengraden geht ebenfalls auf ihn zurück. Den Römern ging es bei der Verbildlichung der Welt vor allem um praxisnahe Detailgenauigkeit, sprich um eine gute Beschreibung der Weg- und Straßennetze. Wie in vielen anderen Wissenschaftsbereichen war es dann die arabische Welt, die das Bild der Welt weiterentwickelte. Die europäischen Entdeckungen der Neuzeit wären ohne die Kenntnisse der arabischen Kartografie nicht möglich gewesen, heißt es. Denn so wie heute vielerorts im arabischen Raum musste sich damals in der christlichen Welt die Erdwissenschaft der Glaubenslehre unterordnen und diente weniger dem Wissensaufbau als vielmehr der Untermauerung des christlichen Weltbildes.

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