Ein bissl Gulaschdemokratie, bitte!

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Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat nach den letzten Gemeinderatswahlen und dem Gewinn der absoluten Mandatsmehrheit sehr oft das Wort „Demut“ in den Mund genommen. Viktor Orbán, der neue ungarische Ministerpräsident, dessen Partei „Fidesz“ am Sonntag mit einer für das ganze Nachkriegseuropa einmaligen Zweidrittelmehrheit gewählt wurde, gibt sich ebenfalls bescheiden. Entgegen Spekulationen über schnelle Verfassungsänderungen beruhigte Orbán, dass mit keiner schnellen Änderung gerechnet werden brauche. Vielmehr bedürfe es einer „die Gemeinschaft aufbauenden Regierungstätigkeit“. Wichtigen nationalen Vorhaben sollen landesweite Konsultationen vorausgehen. Die Schaffung eines auf „nationaler Zusammenarbeit“ basierenden politischen und wirtschaftlichen Systems in Ungarn habe Vorrang für ihn.

Schöne Worte, die das eine Drittel Nicht-Orbán-Wähler in Ungarn und ob dieser Machtfülle erschrockene EU-Partner beruhigen könnten. Tun sie aber nicht. So wie man der Wiener SPÖ keine Demut abkauft – die ist nicht in ihrem genetischen Code. So wenig glaubt man auch in und außerhalb Ungarns den Worten Orbáns, dass er von seiner Allmacht nicht Gebrauch machen werde.

Der Mann ist besser als ein „politisches Tier“, denn als „homo politicus“ beschrieben. Orbán nützt seine politischen Instinkte, indem er auch die falschen Instinkte der Masse bedient, antreibt, befördert und letztlich – Respekt! – in Wählerstimmen umzumünzen versteht. Durch Orbáns politische Biografie zieht sich Machthunger wie ein roter Faden. Dass er diesen jetzt abschneidet, wo er alle Macht in Händen hält, glaubt ihm keiner.

Auf Bescheidenheit Orbáns wetten

Und doch, und obwohl es paradox erscheint: Es gibt gute Gründe, auf die Selbstbeschränkung Orbáns zu wetten. Der wichtigste Anlass dafür: Ungarn ist EU-Mitglied.

Politikern wird sehr schnell die nationale Bühne zu klein – und noch schneller, wenn sie daheim gut im Sattel sitzen. Dann wollen sie raus und rauf und rein in den Reigen der wirklich Wichtigen, der internationalen Tausendsassas …

Nicht als EU-Paria dastehen

Eine Vermutung, eher eine böse, umso richtigere Unterstellung: Die Erfolgsgeschichte des europäischen Einigungswerks hat auch damit zu tun, dass die größere EU-Show die Eitelkeiten der nationalen Politiker bedient hat und sie sich auch deswegen ganz gern mit ihren Ländern dieser Union angeschlossen haben. Ganz falsch?

Zurück zu Orbán heißt das: Der ungarische Premier wird sich nicht gerne als machtbesessener Paria und nationaler Polterer, der die Region in Aufruhr versetzt und die Nachbarländer verprellt, in Brüssel an den Pranger stellen lassen. Noch dazu, wo die leeren Kassen in Budapest ihm die wahren Machtverhältnisse – siehe Griechenland – bald aufzeigen werden.

Und auch der Zufall spielt eine alle möglichen ungarischen Heißsporne beruhigende Regie: Mit Anfang kommenden Jahres übernimmt Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft. Mit dem neuen ständigen Ratspräsidenten und der EU-Außenbeauftragten ist damit zwar nicht mehr so viel Aufmerksamkeit und Prestige verbunden wie früher. Doch ein wenig Glanz fällt immer noch auf das jeweilige EU-Land – und den Ungarn wird nachgesagt, dass sie es nicht ungern haben, wenn ihnen andere ihre Einmaligkeit bestätigen.

Neben der EU als ganzer darf Orbán aber auch Ungarns Nachbarn nicht weiter vor den Kopf stoßen. Bis auf Österreich kriselt es da nämlich mit fast jedem. Schlechte Beziehungen sind schlecht für die Wirtschaft – und das kann der als Sanierer angetretene Premier am wenigsten brauchen.

Und zum Schluss bleibt noch eine Hoffnung, die uns die Geschichte gelehrt hat: Die Ungarn haben es mit dem Kommunismus nicht so genau genommen – warum sollte auch in dieser absoluten demokratischen Herrschaft nicht ein wenig Gulasch dabei sein.

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