Ein Kämpfer für Freiheit und Nation

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Ein polnischer Publizist setzt dem vom Mainstream in Politik und Medien gepflegten Bild des ungarischen Premiers seine Sicht der Dinge entgegen: In einer Biografie zeichnet er einen wertkonservativen und patriotischen Viktor Orbán.

In Europa, besonders in Österreich und Deutschland, hält eine ganze Armada aus politisch korrekten "Lohnschreibern“ (Bertolt Brecht) in Zeitungen, Magazinen, Blogs und Internetforen sowie Moderatoren von Rundfunk und Fernsehen das Trommelfeuer gegen den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán am Leben. Die Politik tut es ihr weithin gleich. Unübersehbar stört es die - nicht mehr nur links der Mitte angesiedelten - Moral- und Tugendwächter, dass Orbán, unbeeindruckt von Kritik, das Land von Grund auf reformiert und umbaut, um es endlich von den im Gewande des (Neo-)Liberalismus daherkommenden Postkommunisten zu befreien. Was ihn aber im EU-Europa der political correctness verdächtig macht, wo man ihn - im günstigsten Fall - des "Cäsarismus“ "Bonapartismus“ oder "Horthyismus“ zeiht. Oder kurzum einen "Faschisten“ und/oder "Antisemiten“ nennt.

Nation, Tradition und Familie

Von all diesen Invektiven hat sich der polnische Publizist Igor Janke nicht nur nicht beeindrucken lassen. Der frühere Chefredakteur der Presseagentur PAP, der jetzt dem unabhängigen Thinktank "Freiheitsinstitut“ (Instytut Wolno´sci) in Warschau vorsteht, entwirft in seiner soeben auf Deutsch erschienenen und im "Club Pannonia“ zu Wien präsentierten Biographie vielmehr ein unvoreingenommenes, die Wirklichkeit widerspiegelndes Bild des ungarischen Regierungschefs: Orbán ist beileibe kein Diktator, wie ihm unterstellt wird, sondern - vor allem anderen - ein ungarischer Patriot. Das zeigt sich an seinem Bekenntnis zur (ge)ein(t)en Nation, über die Grenzen des heutigen ungarischen Territoriums hinaus.

Seiner Vaterlandsliebe, mit der er überall aneckt, ordnet Orbán vieles unter, wie Janke anhand zahlreicher Begebenheiten und Geschehnisse aus dessen pointiert nachgezeichneter Vita herausarbeitet. Schon als Student verlangte er den Abzug der Sowjettruppen aus Ungarn. Das hat nicht nur den Polen Janke beeindruckt, der im Juni 1989 als Vertreter des Unabhängigen Polnischen Studentenbunds in Budapest die Wirkung jener berühmten Rede Orbáns bei der erhebenden Umbettung der (unter János Kádár hingerichteten) Revolutionäre von 1956 miterlebte. Dass er für ihn und sein freiheitsliebendes, geschichts- und nationalbewusstes Volk Sympathien hegt, daraus macht Janke kein Hehl.

Er lobt ihn dafür, dass er in die Präambel der Verfassung die "Heilige Krone“ als Symbol der Wahrung der historischen Kontinuität der Nation hat schreiben lassen und darin der "Segen Gottes“ für deren Gedeih erfleht wird. Was für all jene, die sich "freisinnig“ dünken, geradezu als provokative Regelverletzung gilt. Auch das in der seit 2012 geltenden neuen ungarischen Verfassung enthaltene Bekenntnis zur Familie - und im Gegensatz dazu den Ausschluss der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften mit der ehelichen Verbindung von Mann und Frau - als christlich-zivilisatorischem Wert führt Janke rühmend an.

Kraft aus der Religion

Einen zentralen Abschnitt des Buches beanspruchen die Motive Orbán’schen Handelns und seiner Religiosität. So bestimmt Janke die antikommunistische Prägung des vom ursprünglich "Liberalen“ zum Konservativen Gewandelten in erfahrungsgesättigten Zäsuren: zum einen während seiner Zeit als Wehrpflichtiger 1980/81, zum andern durch seine Zugehörigkeit zu dem nach einem bedeutenden Gelehrten und Politiker benannten "Biró-Kolleg“ an der Juristischen Fakultät der Budapester Eötvös-Loránd-Universität (ELTE), der bedeutendsten Hochschule Ungarns, an der Orbán studierte. Zugang zum Glauben fand der in religionsfreiem, politisch angepassten Elternhaus Aufgewachsene - der Vater Agraringenieur und Parteimitglied, die Mutter Behindertenpädagogin - in seiner calvinistischen Ehefrau Anikó, Juristin wie er, die er 1986 heiratete, und mit der er fünf Kinder hat, sowie dem reformierten Geistlichen Zoltán Balog, einem seiner frühen Weggefährten, heute einer der bedeutendsten Ressortchefs in Orbáns Kabinett. Dem spät zur Religiosität Gekommenen gibt sein Glaube Kraft, gefestigt durch Krisen zu gehen. Besonders lesenswert ist in diesem Zusammenhang der Buchabschnitt über Orbáns Wahlniederlage 2002 und wie er sie überwand.

Der Autor stellt uns den ungarischen Ministerpräsidenten als jemanden vor, der auf dem politischen Parkett Europas und darüber hinaus fundamentale Denkanstöße zu geben vermag. Davon könnten sich vor allem jene seiner politischen "Mitspieler“ - der fußballbegeisterte Orbán vergleicht nicht selten Konstellationen mit dem Geschehen auf einem Spielfeld, das er, wann immer es geht, als Stürmer seiner Heimatmannschaft "SC Felcsut“ betritt - besonders dann ein Stück abschneiden, wenn es um Vereinheitlichung und Regelungsdichte in der EU geht, um zentralistisches Gebaren und Subsidiarität, kurzum um Sinn und Unsinn der EU.

Für Janke sind Nation und Freiheit die beiden zentralen Werte, die Orbáns politisches Handeln leiten und seine Mission bestimmen. Hauptziele seien nationale Souveränität des ungarischen Volkes und weitestgehende wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes. Letzteres bedeute indes nicht - und entgegen allem, was ihm Kritiker in Ungarn und außerhalb wirtschaftspolitisch unterstellen - dass er auf eine mehr oder minder gelenkte Staatswirtschaft zusteuere. Vielmehr wolle Orbán für ein gefestigtes Bürgertum sorgen, es solle im Lande "mehr ungarische Eigentümer“ geben. Dazu sei es nötig, die Rolle ausländischer Unternehmen dort einzuschränken, wo sie keine produktive Funktion erfüllten, sondern nur Kaufkraft abschöpften und - anstatt sie in Ungarn zu reinvestieren - ihre Gewinne ins Ausland transferierten.

Schattenseiten nicht verschwiegen

Jankes Biografie ist hervorragend recherchiert. Viele Gespräche hat er mit Orbán geführt, ebenso mit zahlreichen Weggefährten und Gegnern. Zwar durchzieht des Biografen Sympathie für ihn das 340-Seiten-Buch, doch keineswegs verschweigt er des Porträtierten Schattenseiten. Nirgends in den 25 luzide komponierten Kapiteln des Werkes versucht er zu belehren oder - bei Vorgabe vermeintlicher Ausgewogenheit oder Objektivität - gar zu indoktrinieren.

Jankes flüssig geschriebenes, daher eingängiges Buch ist uneingeschränkt zu empfehlen, besonders jenen Zeitgenossen aus Politik und Publizistik, denen es um ihrer Glaubwürdigkeit willen gut anstünde, ihre (Vor-)Urteile Viktor Orbán und jenen Ungarn gegenüber zu revidieren, die seine Anhänger, Sympathisanten und Wähler sind.

Der Autor ist Historiker und Publizist

Viktor Orbán

Ein Stürmer in der Politik

Von Igor Janke

Schenk Verlag 2014, 344 Seiten, geb., € 19,90

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