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Ein Land gibt sich einen Stoß

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Sieg" - jubelte eine Kärntner Zeitung in Balkenlettern über die Entscheidung des Österreichischen Olympischen Comites für Klagenfurt als Bewerber um die Winterspiele 2006. „Das ist Gold für Kärnten", formulierte ein anderes Blatt auf der Seite eins. Man kann die Freude verstehen.

Das ÖOC hat einigen Mut bewiesen, das Klagenfurter Drei-Länder-Projekt so prominenten Bewerbern wie Salzburg und Kitzbühel vorzuziehen, bei denen sich allein schon mit dem Namen weltweit bestimmte Vorstellungen verbinden.

Aber das ÖOC setzt darauf, daß sich das Internationale Olympische Comite durch klingende Namen immer weniger beeindrucken läßt. „Bescheidenheit", der Einsatz einer weniger verwöhnten Bevölkerung und zunehmend auch ökologische Gesichtspunkte sowie neue Ideen, die ein Austragungsort bieten kann, zählen mehr.

Das Wagnis, erstmals olympische Spiele in drei Ländern abzuhalten, könnte eine solche Idee sein, die das Olympische Comite beeindruckt.

Für Kärnten ist das Vorhaben eine Herausforderung. Hubert Patterer formuliert das in der Kärntner „Kleinen Zeitung" so:

„Das visionäre Nachbarschaftsgroßprojekt wird, wenn es die Köpfe zulassen, das Land aus seiner Agonie und Larmoyanz und Verzagtheit führen. Es wird Energien, Leidenschaften und Kräfte bündeln. Es wird, wenn es die Köpfe zulassen, das Selbstbild und Fremdbild Kärntens ändern.

Senza confini: Noch klafft - machen wir uns nichts vor - eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Banner und Geleb-tem. Die Schikanen an der gemeinsamen Grenze, das beschämende Gezeter um eine zweisprachige Kindergartengruppe in Ferlach, die Kraftmeierei hüben wie drüben im Zusammenhang mit der deutschsprachigen Minderheit Sloweniens - all das will nicht so recht zum großen Olympia-Motto passen."

Daß ausgerechnet Kärnten mit seinen schweren historischen Belastungen gegenüber den beiden Nachbarn im Süden es wagt, die Grenzen zu überspringen, ist ein gutes Zeichen. Das Land versucht, über seinen eigenen Schatten zu springen. Ob das gelingt, wird man schon bei den nächsten Landtagswahlen sehen. Dieselben, die sich für ein Olympia ohne Grenzen einsetzen, werden nicht die alten nationalen Ressentiments schüren können.

Ein Prüfstein würde „senza confi-' ni" auch für das neue Europa. Zwischen Slowenien und Italien schwelen noch ungelöste Fragen um Minderheiten und Entschädigungszahlungen. Wenn Slowenien 2006 nicht schon Mitglied der Europäischen Union und des Schengen-Abkommens sein sollte, würde das Olympiaaustragungsgebiet durch eine Schengen-Grenze durchschnitten.

Selbst wenn letztendlich Klagenfurt den Zuschlag nicht bekommen sollte, den Versuch ist die Sache jedenfalls wert.

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