Ein Risikoforscher, der Unruhe stiftet

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Die EU-Kommission hat es bestätigt: Sie hat ein kritisches Schreiben von Christopher Portier erhalten. Damit gießt der Ex-Direktor des US-National Toxicology Program wieder einmal Öl in die Debatte rund um das umstrittene Herbizid Glyphosat, das zur Unkrautbekämpfung in der Landwirtschaft häufig eingesetzt wird. Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass die EU-Kommission eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat für zehn Jahre plant. Doch Portier, seit langem mit der wissenschaftlichen Bewertung von Umweltrisiken befasst, hat in den Krebsstudien der Hersteller weitere Tumorbefunde ausfindig gemacht. Demnach gäbe es in den Glyphosat-Fütterungsstudien mit Mäusen und Ratten nun 21 signifikante Krebshinweise - anfangs waren es nur vier gewesen. Risikoforscher Portier bemerkt in seinem offenen Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass die EU-Behörden bereits 2015 durch einen wissenschaftlichen Bericht darauf aufmerksam gemacht wurden, dass die Angaben der Industrie über ihre Krebsstudien nicht korrekt waren. Nachdem die Studien aufgrund eines Antrags der Grünen im Europaparlament teils zugänglich gemacht wurden, konnte Portier darin Einsicht nehmen.

Der studierte Biostatistiker ist oft imAuftrag internationaler Institutionen tätig, darunter die WHO oder die OECD. So untersuchte er die Risken von Dioxinen oder von elektromagnetischen Feldern. Und er leitete die Initiative der US-Regierung, die gesundheitsschädlichen Effekte des im Vietnamkrieg eingesetzten Giftstoffs "Agent Orange" zu dokumentieren. In seinem Schreiben an die EU-Kommission fordert der Forscher nun, dass die neuen Befunde Eingang in die Bewertung von Glyphosat finden und dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) alle Rohdaten im Sinne der Transparenz öffentlich zugänglich machen sollte - hat doch erst kürzlich der von Global 2000 publizierte Report "Die gekaufte Wissenschaft" Zweifel an der wissenschaftlichen Unabhängigkeit des EU-Zulassungsverfahrens gesät. Mit seiner Arbeit macht sich Portier natürlich nicht nur Freunde; in den USA werden ihm selbst intransparente Praktiken vorgeworfen.

Die EFSA hat die krebserregende Gefahr des Pestizids bislang als "unwahrscheinlich" bezeichnet. Auch die EU-Kommission hält vorläufig an dieser Einschätzung fest. Zugleich hat sie klargemacht, dass sie auf Portiers Schreiben reagieren wird - und die zuständigen Behörden zur Antwort auffordern wird.

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