Ein Tropfen in Zentralasiens Einöde

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Deutsche Entwicklungshelfer versuchen mit grenzüberschreitendem Weidenmanagement, die Verödung einst blühenden Weidelandes zu verhindern. Doch Traditionen und die Politik erschweren das Unterfangen.

Mitten in der Einsamkeit der kasachischen Berge steht eine Jurte. Der Filzstoff ist schwarz vor Ruß. Vor dem Eingang sitzt ein von der Sonne gezeichneter, alter Mann und scharrt in einem kleinen Ofen das Holz zusammen. An die hundert Ziegen verteilen sich unweit seiner Jurte auf dem Hang im Landkreis Almaty und grasen. Auf den höher liegenden Gipfeln glänzt der Schnee.

Es könnte ein idyllisches Postkartenmotiv aus den zentralasiatischen Bergen sein. Doch aus der Ferne sieht man, dass die grünen Grasflächen ausgedünnt sind. Trittspuren und Erdflecken überziehen den Hang. Der Boden gibt nicht mehr viel her. "Die Wiese zeigt deutliche Anzeichen der Überweidung“, sagt Heino Hertel, Mitarbeiter der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Kasachstan. "Zur Regeneration bräuchte sie dringend eine Pause.“ Hertel ist Bodenspezialist, ein drahtiger Mann, der stets einen Cowboyhut trägt. In Kasachstan leitet er das GTZ-Projekt zum mobilen Weidemanagement.

Ökologische Zerstörung

Zentralasien, zwischen Kaspischem Meer und chinesischer Grenze gelegen, ist wie keine andere Region der Welt von Desertifikation betroffen. "Schon heute sind weite Gebiete der Länder Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgisistan ökologisch zerstört“, erklärt Hertels GTZ-Kollege Reinhard Bodemeier. "Intensive Bewässerung, Überweidung der Steppe und Abholzung der Bergwälder haben die natürlichen Ressourcen vernichtet. Und täglich gehen weitere Hunderte Hektar fruchtbaren Bodens verloren“, so sein Fazit.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die zentralasiatischen Staaten unabhängig. Statt demokratischen Regierungen bildeten sich jedoch Autokratien, statt zusammenzuarbeiten mehrte jeder seinen eigenen Nutzen - auch auf Kosten der Nachbarrepubliken.

Während der Sowjetzeit leiteten zudem zwei Stauseen in Kirgisistan und Tadschikistan das Schmelzwasser aus dem Tien-Schan- und Pamir-Gebirge um - für die landwirtschaftlichen Bedürfnisse, aber vor allem für den Baumwollanbau in den Unterlaufstaaten Usbekistan, Turkmenistan und Kasachstan. Die Tadschiken und Kirgisen erhielten dafür zu günstigen Konditionen Gas und Öl - an die Natur dachten sie alle nicht. Monokulturen wie der Baumwollanbau sowie verschwenderische Bewässerungssysteme führten nicht nur zum Austrocknen des Aralsees, sondern auch zu einer Versalzung und Vergiftung der Böden.

Zu Sowjetzeiten trieben die Hirten das Vieh in Zentralasien über die Grenzen hinweg im Winter auf die Steppe und im Sommer in die Berge. Heute sind die Grenzen jedoch weniger durchlässig, die Tradition der wandernden Hirten ist zu Ende. "In Kasachstan gibt es keine Nomaden mehr“, sagt Hertel, "die Farmen heuern Angestellte an, die die Tiere dann vor allem auf siedlungsnahe Weideplätze führen.“ Und das hat fatale Folgen. "Die Flächen in der Ferne sind unterweidet und die in unmittelbarer Dorfnähe abgegrast“, erklärt Hertel. Und so ist heute kaum eine Region so nachhaltig von Verwüstung bedroht wie Zentralasien. Zwischen Baku und Taschkent sind die Böden geschädigt, drohen Seen auszutrocknen und Hänge abzurutschen. Deshalb hat die deutsche GTZ Zentralasien zu einem Schwerpunkt in ihrer internationalen Desertifikationsbekämpfung gemacht. "Die Selbsthilfekräfte der lokalen Bevölkerung sollen gestärkt werden, betroffene Bauern die Entwicklung, Planung und Umsetzung von lokalen Problemlösungen erst erlernen und dann nach und nach selbst übernehmen“, sagt GTZ-Mitarbeiter Bodemeier.

Herden-Management

Im Landkreis Almaty organisiert die Entwicklungszusammenarbeit seit 2009 das Management der Herden. In vier Regionen des Dschambul Rayons, 150 Kilometer westlich von Almaty, gründete sie mit den Einwohnern sogenannte Weidekomitees. Deren Aufgabe ist es, neu zu regeln, wann und wo welche Tiere zu welcher Weide getrieben werden. Gleichzeitig setzt die deutsche Entwicklungshilfe die Treibwege in der Region wieder instand und baut oder repariert die Brunnen.

Ohne ausreichende Wasserreserven können die Hirten die Tiere nicht über das Land führen. Die GTZ plant zudem den Ankauf von Jurten für die Hirten, um sie wieder mobiler zu machen. Zusammengefasst werden die Projekte vor Ort in einem Versuch, ein regionales Desertifikations-Bekämpfungsprogramm gemeinsam auf die Beine zu stellen. Bereits 2007 schlossen sich die betroffenen Staaten und die internationalen Geberorganisationen zur "Central Asian Countries Initiative on Land Management“ mit Sitz in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek zusammen.

Hier allerdings liegen die größten Herausforderungen für die Hilfe, wie etwa das Beispiel Kirgisistan zeigt. Dort erhielten die Weidekomitees in den Dörfern zwar Anfang 2010 durch einen Parlamentsbeschluss eine legale Grundlage.

Die ehemalige kirgisische Abgeordnete Kabai Karabekow ist aber skeptisch. "In Zentralasien gibt es faktisch keine Zusammenarbeit zwischen den Staaten mehr. Schon gar nicht, wenn es um Landnutzung oder Wasserrechte geht.“ Für die einzelnen Projekte ist der regionale Ansatz jedoch alternativlos. Für GTZ-Mann Hertel ist klar: "Bleibt Desertifikationsbekämpfung in Zentralasien auf kleine Einheiten beschränkt, bleibt sie wirkungslos.“

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