Ein Weckruf aus Sorge um die Zukunft

19451960198020002020

Heinz Fischer hat mit seiner "Wortmeldung" der österreichischen Demokratie und der Zukunft unseres politischen Systems einen überaus guten Dienst erwiesen. Nicht zufällig hat er sein Statement unseren Enkelkindern gewidmet. Eine deutliche Botschaft an uns alle.

19451960198020002020

Heinz Fischer hat mit seiner "Wortmeldung" der österreichischen Demokratie und der Zukunft unseres politischen Systems einen überaus guten Dienst erwiesen. Nicht zufällig hat er sein Statement unseren Enkelkindern gewidmet. Eine deutliche Botschaft an uns alle.

Werbung
Werbung
Werbung

In seinem Buch "Eine Wortmeldung" fordert uns Heinz Fischer auf, für unsere Werte auch öffentlich einzutreten -Dialog ist nun einmal der Transmissionsriemen der Demokratie. Viele von uns scheinen jedoch übersehen zu haben, dass der gesellschaftliche Dialog immer mehr mit völlig anderen Mitteln geführt wird. Es muss uns zu denken geben, wenn sich zwei Millionen Österreicher nur mehr über die sozialen Medien der Populisten informieren lassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine postfaktische Gesellschaft entsteht, in der Begriffe wie Wahrheit oder Werte bedeutungslos werden und es auch keine Korrektur all der Lügen, die täglich aufgetischt werden, mehr gibt. Brexit, der amerikanische Wahlkampf, die Herren Orbán, Putin und Erdogan weisen genau in diese Richtung. Und auch in Österreich müssen wir rätseln, was es heißt, wenn uns ein Präsidentschaftskandidat sagt, dass wir ihn schon noch kennenlernen werden.

Die Wortmeldung von Heinz Fischer ist ein Weckruf, der aus der Sorge um die Zukunft unseres Landes geboren ist. Das Erfrischende am Beitrag Fischers ist, dass er wie selbstverständlich daherkommt. Es wird keine moralische Keule geschwungen, niemand frontal angegriffen, und dennoch wird klar zum Ausdruck gebracht, woran es zurzeit mangelt und was wir alles unseren Enkelkindern vorenthalten, wenn wir uns nicht mehr sorgfältig genug um den "common sense" bemühen. Das Konfliktlösungsprinzip heißt in einer Demokratie: Kompromiss. Ohne Kompromissfähigkeit fällt eine Gesellschaft früher oder später auseinander. Da hilft auch die direkte Demokratie nicht weiter, die von manchen Kreisen als Allheilmittel beschworen wird.

Demokratie versus Populismus

Fischer geht sehr ausführlich auf die Rolle der Demokratie in Österreich ein. Er schreibt: "Ich habe manches Mal den Eindruck, dass die Demokratie in Österreich einerseits überschätzt wird und anderseits unterschätzt wird. Überschätzt deshalb, weil viele glauben, dass die Demokratie in Österreich und in Europa unzerstörbar ist." Unterschätzt deshalb, weil "ich überzeugt bin, dass die Demokratie heute - trotz allem - viel stabiler ist, als in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen".

Unsere Zukunft kann nur dann eine gute sein, wenn wir Österreicher daran festhalten, dass unsere Chancen im europäischen Verbund wesentlich größer sind als in der historischen Kleinstaaterei. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass Österreich wie kein zweites Mitgliedsland von der Europäischen Union profitiert hat. Keine Frage, die Europäische Union steckt in einer ökonomischen, aber auch in einer Sinnkrise. Nur: Wer glaubt, dass man diesen Krisen durch Austritt davonlaufen kann, irrt.

"Dass wir nicht weniger, sondern eine bessere und funktionsfähigere europäische Zusammenarbeit benötigen, sieht man nicht nur in der Finanz-und Wirtschaftspolitik, sondern besonders schmerzlich auch am Fehlen einer durchdachten und kohärenten europäischen Flüchtlingspolitik." Dem ist nichts hinzuzufügen - außer diese Klarstellung: Die Tatsache, dass einzelne Mitgliedstaaten gemeinsam beschlossene Bestimmungen einfach ignorieren und nicht umsetzen, ist kein Argument gegen Europa, sondern für die riskanten Konsequenzen nationaler Alleingänge.

Daher verlangt Heinz Fischer einen Bundespräsidenten und eine Bundesregierung, "die dem europäischen Projekt mit entsprechendem Verständnis und mit positiver Energie gegenüberstehen". Und an eine ganz konkrete Adresse gewendet meint er: "Zu sagen, dass man nicht mehr so ganz eindeutig wie vor einem Jahr einen Austritt aus der EU in Erwägung zieht, ist zu wenig."

Demokratie von Populismus zu unterscheiden, das hält Fischer vor allem deshalb für sehr wichtig, weil zurzeit wieder die Versuchung wächst, diese beiden Dinge zu vermischen. Damit das nicht passiert, müssen wir uns wieder mehr auf die Werte der Aufklärung besinnen, auf die Idee der offenen Gesellschaft (Karl Popper), auf Fairness und darauf, dass die Demokratie von jedem von uns ein grundsätzliches Engagement verlangt - und sei es nur, dass wir zur Wahl gehen. "Die mit dieser Wahl verbundene Weichenstellung wird nachhaltige Auswirkungen haben - gerade auf das Thema der Menschenrechte und der Achtung der Menschenwürde, aber auch auf viele andere Themenfelder", meint der Altbundespräsident.

Im Interesse der österreichischen Demokratie sollten dieser Wortmeldung Heinz Fischers viele weitere folgen - besonders zahlreich in den sozialen Medien.

Eine Wortmeldung

Von Heinz Fischer.

Mit einem Nachwort von Hugo Portisch.

Ecowin 2016, 77 Seiten, e 14,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung