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Eine Chance für internationale Glaubwürdigkeit

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In einem vor kurzem in Wien gehaltenen Vortrag sprach der Kurzzeit-Außenminister und frühere Botschafter Polens in Wien, Wlady-slaw Bartoszewski, über die steigende Bedeutung der Außenpolitik in der modernen Welt und stellte die Frage nach ihrer Ethik.

Nach der politischen Wende wird die öffentliche Meinung in den postkommunistischen Ländern Mitteleuropas regelmäßig erforscht. Die Ergebnisse deuten auf eine steigende, deutliche Bejahung des demokratischen Systems hin.

In Polen beispielsweise haben sich im Oktober 1995 71 Prozent der Polen für die Demokratie als beste Regierungsform ausgesprochen. Diese Tendenz zeichnet sich in allen postkommunistischen Ländern, die Russische Föderation ausgenommen, ab. Bartoszewski berief sich hier auf die russische Wissenschaftlerin Tatjana Aleksiejewna, die behauptet, daß es in der Bussischen Föderation bis heute keine öffentliche Meinung gebe. Die kommunistische Partei verlor die Kontrolle über die öffentliche Moral und niemand konnte bisher diese Bolle übernehmen. Die Verpflanzung westlicher Wertsysteme auf den russischen Boden sei sehr schwierig, und ohne Berücksichtigung der Moralbegriffe der ganzen Gesellschaft könne man über Ethik in der Politik nicht sprechen.

In der europäischen Gesellschaft, so Bartoszewski, werde eine gewisse Krise der Werte beobachtet. Die Entwicklung der Demokratie habe den Beruf des Politikers „entsakralisiert” und ihn der öffentlichen Kritik ausgeliefert. Von Politikern werde „Anständigkeit” erwartet, ebenso finanzielle Korrektheit wie das Setzen der Staatsräson über die Interessen der Partei.

In den letzten Jahrzehnten habe die Außenpolitik in der Meinung der Menschen einen hohen Stellenwert eingenommen, was Bartoszewski auf die Entwicklung der internationalen Situation in Europa zurückführt. Die beiden Weltkriege im Abstand von nur 25 Jahren, der Machtanspruch der totalitären Systeme sowie eine dynamische Entwicklung der Massenmedien haben die Außenpolitik an den „kleinen Mann” gebracht. Die Praxis autoritärer Systeme habe aber durch Erpressungsmethoden, Gewaltanwendung und Wortbruch die Außenpolitik ihrer Glaubwürdigkeit beraubt (Stichwort: Jalta 1945). Durch die Vereinten Nationen sei nach 1945 versucht worden, die Glaubwürdigkeit der internationelen Politik wiederherzustellen.

Nach der Überwindung des künstlich geteilten Europas sei nun eine neue Chance für die Gestaltung einer „offenen Außenpolitik für ganz Europa” entstanden. Bartoszewski glaubt an Europa, wie es vor Jahrhunderten bestand.

Es soll ein ähnliches, aber neues, friedliches Europa im 21. Jahrhundert errichtet werden. Positiv bewertet er die Entwicklung der öffentlichen Meinung in Europa, die Gewaltanwendung als Methode der Konfliktlösung ablehnt und von der Außenpolitik weitgehende Glaubwürdigkeit erwartet.

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