Eine geeinte Faust gegen Europa

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Möglicherweise geht für Heinz-Christian Strache in diesem Sommer ein Wunsch in Erfüllung. "Ich kenne Geert Wilders nicht. Ich würde mir gerne selber ein persönliches Bild von ihm machen“, erklärte der FPÖ-Chef Ende 2010 in einem Interview, das auf dem rechten Blog pi-news.net zu sehen ist. Süffisant ergänzte Strache, er lese in den Medien, Wilders sei "ein fürchterlicher Rechtsextremist“ - in den Medien bekäme Wilders aber sicher dasselbe Bild von ihm.

Im Juli berichteten niederländische Medien über eine bevorstehende Reise des umstrittenen Islam-Gegners Wilders nach Österreich, um dort mit der "Partei des inzwischen verstorbenen Jörg Haider“ Kontakt aufzunehmen. Ob es sich dabei um das BZÖ oder die FPÖ handelt, war nicht deutlich. Wohl aber, dass nicht der Wunsch nach Sommerfrische Wilders nach Österreich treibt, wo die gleichsam kontroverse IslamKritikerin Elisabeth Sabaditsch-Wolff bislang seine engste Verbündete ist.

Zusammenarbeit bei Europawahl 2014

"Wilders baut an Block gegen Europa“, titelte die Website des Nachrichtenprogramms RTL Nieuws. Gemeint ist eine Zusammenarbeit, die Wilders im Hinblick auf die Europawahlen im kommenden Mai anstrebt: In den letzten Monaten traf er zu diesem Zweck auf die Front National-Chefin Marine Le Pen; die Spitze des sezessionistischen Vlaams Belang aus Belgien, Filip Dewinter und Gerolf Annemans; den Vorsitzenden der Schweden-Demokraten, Jimmie Åkesson; und Roberto Maroni, Leiter der regionalistischen Lega Nord in Italien.

Das Anliegen seiner europafeindlichen Supergroup ist klar: Im niederländischen Rundfunk kündigte Wilders "eine Faust gegen Europa“ an, um gegen die "Drei-Prozent-Norm“ ebenso zu kämpfen wie dagegen, dass Geld "nach Griechenland und Spanien gebracht“ werde. Die jeweilige nationale Souveranität müsse Vorrang haben, was auch einen Austritt aus Euro-Zone und EU bedeuten könne.

In gewohnt brachialer Rhetorik prognostizierte Wilders einen "politischen Erdrutsch“ als Folge des rechten Joint Venture. Aufbruchstimmung verbreitet auch Marine Le Pen, nach Umfragen vom Frühjahr die zweitbeliebteste Politikerin Frankreichs: "Alle patriotischen Parteien, die für ihre Identität und ihre Souveranität kämpfen, müssen sich während der EU-Wahlen vereinigen.“

Dieser Schulterschluss lässt die ohnehin schwammigen Begrifflichkeiten wie "Rechtspopulismus“ und "Rechtsextremismus“ weiter verlaufen. Neue Kräfte, sich liberaler gebende Akteure wie die Schwedendemokraten und Wilders’ Partij voor de Vrijheid (PVV), rücken somit näher an Parteien, die wie Front National und Vlaams Belang einem traditionell rechtsextremen Milieu mit deutlich antisemitischer Färbung entstammen.

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet Wilders nun als rechter Brückenbauer in Erscheinung tritt. Just er war bisher auffällig um Distinktion bemüht und mied alles, was im Entferntesten den Geruch von kahlrasierten Stiefelnazis hatte. Letztere wiederum verachten ihn als "Zionisten“ oder "Judenknecht“, weil er wie ein großer Teil der internationalen Anti-Islam-Szene ausgesprochen pro-israelisch ist und sich konsequent gegen Antisemitismus ausspricht. Als Strache und Dewinter Ende 2010 in Begleitung von Kent Ekeroth (Schwedendemokraten) und von dem Deutschen René Stadtkewitz (Die Freiheit) nach Israel reisten, fehlte Wilders demonstrativ.

FPÖ in Europäischer Allianz

Im EU-Parlament will die PVV bislang nichts von rechten Zusammenschlüssen wissen. Damit agiert sie anders als FPÖ, Vlaams Belang und FN, die etwa 2007 in der Fraktion Identität, Tradition, Souveranität (IST) kooperierten und an nationalistischen Spannungen zwischen ihren Mitgliedern scheiterten. Aktuell nehmen FPÖ, VB, FN und Schwedendemokraten an der "European Alliance for Freedom“ (EAF) teil.

Die PVV, aktuell wieder an der Spitze der niederländischen Umfragen, will nun auch in Brüssel und Straßburg ihr elektorales Potential ausschöpfen und, so RTL Nieuws, "Europa von innen aushöhlen“.

Wie weit aber wird Wilders zu diesem Zweck gehen? Er selbst betont, dass dem Bündnis keine "rassistischen Parteien wie Jobbik“ angehören sollen. Zwischen deren offen faschistischen Tendenzen und der offiziellen Linie seiner neuen Partner liegen in der Tat Welten. Selbst der Front National oder Vlaams Belang bemühen sich zunehmend um ein gemäßigtes Image und haben zuletzt bei islam-kritischen Strömungen angedockt, die in vielen Ländern Europas den einstigen Immigrations-Diskurs überschatten. So bescheinigt Wilders Marine Le Pen, sie habe den Front National verändert.

Das betont auch Paul Damen, früherer Chefredakteur der niederländisch-jüdischen Wochenzeitung Nieuw Israëlitisch Weekblad, der indes anmerkt: "Sicher hatte der alte Le Pen eine Abneigung gegen Juden. Man darf annehmen, dass Wilders weiß, was für ein Pack in diesen Parteien herumläuft.“ Worte, die an Manfred Haimbuchner erinnern, den FPÖ-Landesobmann in Oberösterreich. Er sagte im Mai in einem Standard-Interview: "Bei uns schaut man natürlich - auch zu Recht - mit Argusaugen auf den Rechtsaußen-Rand. Ich gebe das offen zu, wir haben da ein Problem.“

Es ist ein breiter Spagat, den Wilders anstrebt. Damit deutet alles darauf hin, dass die Opposition als inhaltliches Amalgam zur EU nun eine Annäherung fortsetzt, die bereits unter dem identitären Anti-Islam-Kurs begann. Was wiederum belegt, dass Europa nach sechs Jahren Krise nicht nur permanent hoch auf der politischen Agenda steht, sondern auch als politischer Kampfbegriff bei seinen Gegnern eine ungekannte Konjunktur erlebt, die nicht den Anschein eines Strohfeuers erweckt.

Die ewigen EU-Sanktionen

Gegen diese Entwicklung erscheint es wie ein Szenario aus einer anderen Zeit, dass EU-Mitgliedstaaten vor nicht einmal anderthalb Jahrzehnten wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ die diplomatischen Beziehungen mit Österreich auf Eis legten. In den identitären Bewegungen des Kontinents sind die Freiheitlichen längst vernetzt. Bemerkenswert, dass etwa ihr Generalsekretär Harald Vilimsky 2010 die deutsche Pro-Bewegung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz als "Außenstelle der freiheitlichen Politik in der Bundesrepublik“ bezeichnete. Vilimskys damaliger Gastgeber, "Pro NRW“-Vorsitzender Markus Beisicht, gab im Folgenden eine politische Koordinatenbeschreibung ab: "Im Vakuum zwischen CDU und NS-Narrensaum ist viel Platz entstanden. Diese Lücke wollen wir auffüllen.“ Es sieht danach aus, dass neue Bewegung in dieses Vorhaben gekommen ist.

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