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Endrunde beginnt

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Noch war am 19. Oktober das Endergebnis aller Wahlgänge in Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg nicht bekannt, da begann bereits das Eingraben der Startblöcke für die politische Endrunde in Österreich. Das Rattern der Rechenmaschinen wurde zum Startzeichen für die Nationalratswahlen 1970.

Das wohl erstaunlichste Faktum war die Haltung der Volkspartei nach diesem letzten strahlend-schönen Herbstwochenende.

Was an diesem Wahlergebnis als „Sieg“ zu bezeichnen ist, bleibt nämlich dem nüchternen Beobachter verborgen. Man kann Bundeskanzler Klaus nur zugute halten, daß er nicht alle Zahlen kannte, als er bereits von einer „Trendumkehr“ sprach. Denn die Volkspartei hat ja überall gegenüber den Vergleichswahlen vor fünf Jahren Stimmen eingebüßt. Setzt man das Vorarlberger Landtagswahlergebnis 1964 gleich 100, dann kam die ÖVP nunmehr auf 93,5, die FPÖ hingegen auf 132,5. Ganz ähnlich liegt es in Niederösterreich: auch dort rutschte die ÖVP von 100 auf 97,5, die Sozialisten stiegen auf 104,1, die Freiheitlichen auf 107,3.

Denn der Trend ging in Salzburg im März und in Wien im April 1969 bereits in die gleiche Richtung: die Sozialisten gewannen mäßig, hingegen gibt es eine massive Bewegung von ÖVP-Wählern zur FPÖ, wenngleich zugestanden werden muß, daß die KPÖ überall einen Zerreibungs- prpzeß durchmacht, der ohne Frage der SPÖ zugute kommt.

Von „Trendumkehr“ kann also nach wie vor keine Rede sein. Die Situation der Regierungspartei ist nämlich um so prekärer, als 1964 in Niederösterreich und Vorarlberg noch die Probleme der Koalition anstanden und die Volkspartei erst nach den Bundespräsidentenwahlen 1965 zur Hochform aufzulaufen begann. Anders ausgedrückt: Die Volkspartei liegt heute noch erheblich schlechter als 1964.

Und wie vom Herbst 1964 bis zum 6. März 1966 noch viele Fehler der SPÖ unter Pittermann der Partei des Josef Klaus zugute kamen, wird die SPÖ unter Kreisky diesmal die Lehren ziehen.

Die Konsequenzen aus dem 19. Oktober sind vorerst:

• Der Bundesrat wird angesichts des kurzen Rests der Legislaturperiode nicht mehr voll die „totale Opposition“ — sofern sie geplant ist — ausspielen können. Aber jede wie immer geartete nichtsozialistische Regierung wird nach dem 1. März nur mittels Beharrungsbeschlüssen die Länderkammer niederringen können.

• Klaus und Withalm stellen sich dem im November stattfindenden ÖVP-Bundesparteitag als halbe „Sieger“. An ihrer Wiederwahl ist eigentlich nicht mehr zu zweifeln.

Die Landtagswahlen haben aber auch ein wenig mehr Licht in den Dschungel der Koalitionskombinationen der Zukunft geworfen: Die

Volkspartei muß jetzt neuerlich erkennen, daß die größte Gefahr von der FPÖ kommt; dorthin weichen unzufriedene ÖVP-Wähler nach wie vor aus.

Die FPÖ weiß ihren Kurs bestätigt, den eine verbale Zurückhaltung auszeichnet, der aber für eine faktische und unterschwellige Unterstützung der ÖVP (wie etwa nach den oberösterreichischen und Salzburger Landtagswahlen) im Zuzug aus dem ÖVP-Lager belohnt wird.

Und die SPÖ hat ihre Weichen schon in früheren Kommentaren gestellt: sie bestätigt den „Unzufriedenen“, daß FPÖ gleich ÖVP ist: weil sie damit rechnen kann, den „Blauen“ um Peter auf ÖVP-Kosten Stimmen zuzutreiben.

Drei Prognosen lassen sich nunmehr bis zum 1. März stellen:

• Für jede der beiden großen Parteien ist eine Mehrheit theoretisch möglich; es wird ein echtes Kopf-an- Kopf-Rennen geben.

• Die indirekte Aufwertung der FPÖ wird noch durch das deutsche Beispiel verstärkt. Die Hoffnung der FPÖ, „Zünglein“ zu spielen, ist besser denn je.

• Der nächste Wahlkampf wird der massivste der Zweiten Republik werden. Und der Wahlkampf hat im Grunde bereits in voller Härte begonnen. Die Konzentration wird eindeutig in Ostösterreich liegen, so etwa in den Wiener Wahlkreisen 1, 2, 3, 5 und 7 geringfügige Verschiebungen bereits zu Mandatsumschichtungen führen können. Und Hauptschlachtfeld werden die Städte sein: die SPÖ kämpft um ihre Bastionen; und die ÖVP hat dort echte Chancen. Wr. Neustadt und St. Pölten haben hier überrascht.

Die Wählerschaft ist in Schwung gekommen. Sie wird es auch am 1. März 1970 sein.

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