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Das Beispiel von 300 afrikanischen Flüchtlingen in Hamburg zeigt das Kompetenzenwirrwarr der Asylpolitik - zum Schaden der Flüchtlinge.

Der Kiez, die Reeperbahn, St. Pauli leben sonst ja von ihren Hafenkneipen, dem alten Seemansgarn, Hans Albers und den besoffenen Freuden des Nachtlebens. Seit zwei Wochen aber ist St. Pauli zu einem Zentrum der politischen Diskussion Deutschlands geworden. Und dass das so ist, liegt an "denen“ vom Elbpark: Über 300 Afrikaner, Vertriebene des Krieges in Libyen, die mitten in St. Pauli gestrandet sind. Besser gesagt, haben sie sich verheddert in den Netzen der europäischen Asylpolitik. Und zwar so sehr, dass sich nun gar niemand mehr für sie zuständig fühlen mag: Die Stadt nicht, die Regierung nicht - Europa nicht - auch nicht mit den neuen Gesetzen.

Es ist eine Geschichte in der Art, wie sie Flüchtlingshelfer im Dutzend erzählen können: Im libyschen Bürgerkrieg zu Tausenden vertrieben, landen die Flüchtlinge 2011 in Italien. 2013 aber will sie Italien loswerden. Also schließt die Regierung unter Mario Monti im Februar kurzerhand die Lager. Die Flüchtlinge berichten, Beamte hätten sie mit Reisedokumenten und 500 Euro Wegegeld Richtung Deutschland geschickt. Ein paar Hundert von ihnen schlagen sich in den kommenden Wochen und Monaten bis in den Norden Deutschlands durch. "Viele von ihnen sind sehr erschöpft oder krank“, berichtet der Sprecher der Hamburger Diakonie Steffen Becker. Die Hamburger Stadtregierung und die deutsche Bundesregierung scheint das allerdings wenig zu kümmern.

Statt ein geordnetes Asylverfahren in Gang zu setzen, werden sie von Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit den Worten empfangen: "Die müssen zurück nach Italien.“ Seither gibt es ein diplomatisches Tauziehen zwischen Berlin und Rom, wer denn nun eigentlich zuständig sei.

Ebenso chaotisch geht es auf Hamburger Ebene zu. Hätte nicht der Pastor von St. Pauli seine Kirche geöffnet und hätten nicht Diakonie und der Flüchtlingshilfsverein Karawane die Betreuung übernommen, die Afrikaner würden unversorgt auf der Straße stehen.

Dabei können sie sich noch glücklich schätzen, im Vergleich zu anderen Flüchtlingen. Seit Jänner schiebt beispielsweise Italien Flüchtlinge trotz entgegengesetzten Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Griechenland zurück. Dort erwarten sie überfüllte Lager, katastrophale sanitäre Zustände, unmenschliche Behandlung, rassistische Übergriffe außerhalb der Lager und kaum Aussicht auf Asyl. Amnesty International beklagte zuletzt die "beschämenden und fürchterlichen Bedingungen“ in den Unterbringungen, die "unwürdig für die Europäische Union“ seien.

Was tun mit Syrien-Flüchtlingen

Dass der Zustrom der Flüchtlinge nicht nachlässt, dafür sorgt der grausame Bürgerkrieg in Syrien. Im vergangenen Jahr suchten laut Eurostat 23.510 Menschen aus Syrien in EU-Ländern um Asyl an, um 255 Prozent mehr als im Vorjahr. Heinz Patzelt von Amnesty international Österreich fordert ein radikales Umdenken der Aufnahmepolitik: "Wir müssen weg dem Florianiprinzip: wenn schon Flüchtlinge, dann nicht bei mir.“ Tatsächlich herrschte gerade im Zusammenhang mit dem Syrienkonflikt die politische Strategie, die Flüchtlinge in den Nachbarländern Türkei, Libanon und Jordanien zu versorgen, was wiederum dort mit zunehmenden Zahl der Flüchtlinge zu einer äußerst prekären Versorgungslage führt.“ Die EU und auch Österreich seien gefordert, so Patzelt: "Österreich betreibt hier eine doppelzüngige Politik. Man steht offiziell zu seinen Verpflichtungen, versucht aber, es diesen traumatisierten Menschen so schwer wie möglich zu machen. Man muss endlich aktiv Flüchtlingskontingente anbieten und die geordnete Aufnahme der Menschen gewährleisten.“

Dass die Angelegenheit relativ dringend wäre, zeigt eine Geschichte aus einem Lager für Syrienflüchtlinge an der türkischen Grenze. Im Camp Suleymansah gab es Ende März gewalttätige Proteste gegen die Zustände im Lager. Daraufhin sollen 600 Menschen abgeschoben worden sein.

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