Entwicklungshilfe-Vehikel Asylwerber

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Die Entwicklungszusammenarbeit Österreichs schrumpft weiter. Ein neuer Bericht internationaler NGOs geht mit der Regierung hart ins Gericht.

In Nueva Guinea, Muelle de los Buenos und Rama, drei Gemeinden in der südlichen Atlantikregion Nicaraguas, hatte Österreich bisher einen exzellenten Ruf. "930 Kleinbauern“, so der offizielle Bericht des Außenministeriums zur öffentlichen Entwicklungshilfeleistung (ODA) 2010, "erhalten dort eine neue Perspektive“. Verbessertes Saatgut für Kakaoplantagen, Kochbananen und verschiedenste Gewürzpflanzen. Darüber hinaus Unterweisungen von Experten zur Verbesserung von Anbaumethoden und zur Steigerung der Qualität der Produktion. Das brachte den Bauern und 1400 indirekt vom Projekt betroffenen Händlern und Lieferanten immerhin 800 Dollar jährliches Mehreinkommen, ein wichtiger Schritt aus der Armut. Damit ist es in sechs Monaten aber vorbei.

Nicaragua, ein Land, das seit 25 Jahren von der Entwicklungszusammenarbeit Österreichs profitierte, verschwindet 2013 von der Liste der unterstützten Länder. Freilich nicht sang- und klanglos, sondern begleitet von einem Schwall behübschender Formulierungen aus dem Außenministerium in Wien. Etwa: "Bis Ende 2013 wird das bilaterale Engagement in einem mit den Partnerinstitutionen abgestimmten Prozess abgeschlossen. Großen Wert legen wir dabei auf die Absicherung der erreichten Erfolge und die Einbettung der Programme in weiterführende Kooperationen etwa mit anderen Gebern.“ Die künftige Ausrichtung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit richtet sich demnach "im Einklang mit den Prioritäten der EU“ auf "Partnerländer in Afrika“. Und dieser Satz klingt wohl nur unabsichtlich so, als hätte die EU die Umleitung der Gelder verlangt.

Systematische Kürzungen

Durch den Fokus der nackten Zahlen betrachtet, werden die Gelder nämlich nicht einfach nach Afrika umgeleitet sondern zunächst generell gekürzt - um mehr als 30 Prozent bis 2014, in absoluten Zahlen von 98 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 65 Millionen 2014. Nicht umsonst protestierten am Dienstag mehr als 30 in Afrika tätige NGOs mit einer Petition der Aktion 3000 gegen die beständige Kürzung der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit.

Auch der aktuelle "AID-Watch Bericht“ vom europäischen Dachverband der Entwicklungshilfe-NGOs zeichnet ein desaströses Bild: "Österreichs Beitrag muss man leider mit der Lupe suchen“, sagt Michael Obrovsky von der "Forschungsstiftung für internationale Entwicklung“: "International vereinbart ist, dass 0,7 Prozent des Bruttonationalproduktes der Entwicklungshilfe gewidmet werden sollen. In Österreich sind es 2011 nur 0,27 Prozent gewesen.“

Mittlerweile haben die privaten Spender mit jährlich mehr als 100 Millionen Euro die öffentliche Hand in der direkten Entwicklungshilfe als Geber Nummer eins abgelöst. Diese Logik folgt auch einem internationalen Trend, das private und meist gewinnorientierte Investment dem traditionellen Prinzip der Begünstigung der Empfängerländer entgegenzusetzen. Der Profit der Geldgeber löst die Gabe ab. Genau diesen Weg verfolgen internationale Finanzierungsinstitutionen und Fonds unter ihnen die "International Finance Corporation“ (IFC), ein auf Privatinvestitionen basierender Projektfinanzierer der Weltbank, dessen Vertreter am Montag in Wien zu Gast waren.Nach Angaben der IFC hat sich das Finanzierungsvolumen von privaten Investoren in den vergangen zehn Jahren von 10 Milliarden auf 40 Milliarden Dollar vervierfacht.

Die gegenteilige Tendenz ist allerdings bei den Finanzflüssen staatlicher Entwicklungshilfe der reichen Nationen zu verzeichnen. Diese sind seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 von acht auf vier Prozent gefallen. Die gewinnorientierten Privatinvestitionen zeichnet vor allem eines aus: Sie werden auch von immer mehr Staaten als Entwicklungspolitik-Vehikel genutzt, während die bilateralen Zuwendungen an Staaten sinken. Hilde Wipfel von der Koordinationsstelle der österreichischen Bischofskonferenz bringt es auf den Punkt: "Österreich kürzt gerade dort, wo Hilfe am dringendsten nötig ist, nämlich in der unmittelbaren bilateralen Zusammenarbeit mit seinen Partnerländern.“

Asylwerber als EZA-Posten

Das ist allerdings eine Sicht der Dinge, die das Außenministerium so nicht zu teilen scheint. Immerhin entfaltet sich auf der Hompage des Ministeriums eine eindrucksvolle Grafik, die einen Anstieg der gesamten Entwicklungshilfleistung Österreichs beschreibt. Wer in die Details der Statistiken sieht, bemerkt, dass die Steigerung der Einrechnung des Katastrophenfonds zuzuschreiben ist. Außerdem mangelt es nicht an kurios anmutenden Posten, die zur Entwicklungshilfe gerechnet werden. Etwa "indirekte Studienplatzkosten“ von Studenten aus Entwicklungsländern. Als Entwicklungshilfe werden auch 27,3 Millionen Euro gerechnet, die der Bund für Asylwerber aufwendet, egal ob deren Herkunftsland ein Zielland der EZA ist oder nicht.

Tatsächlich gibt Österreich weniger als neun Prozent der als Entwicklungshilfeleistung titulierten 900 Millionen Euro für konkrete Hilfsprojekte aus. Ein ruhmloser letzter Platz unter den OECD-Ländern ist das messbare Ergebnis dieser Politik. Selbst eine finanziell schlecht gestellte Nation wie Portugal hat einen Anteil von 53 Prozent, in Spanien sind es immerhin noch 33 und selbst Griechenland liegt mit 16 Prozent Projektfinanzierung weit über dem österreichischen Schnitt.

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