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Es gibt ihn doch und noch, den rotweißroten Konsens

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Der Souverän hat souverän entschieden. Das Ja zu Europa vom 12. Juni signalisiert einen breiten gesellschaftlichen Grundkonsens über Österreichs Zukunft.

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Der Souverän hat souverän entschieden. Das Ja zu Europa vom 12. Juni signalisiert einen breiten gesellschaftlichen Grundkonsens über Österreichs Zukunft.

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Eine Zwei-Drittel-Zustimmung aller Österreicherinnen und Österreicher, ein unzweideutiges Ja zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union durch alle österreichischen Bundesländer und Bezirke, quer durch die Generationen: die Entscheidung über die Zukunft dieses Landes hat im Plebiszit vom 12. Juni soliden gesellschaftlichen Rückhalt erhalten. Erhofft, aber in diesem Ausmaß nicht erwartet' (Furche 19/1994). Es gibt ihn doch und noch, diesen rotweißroten Grundkonsens, den man fast schon verloren wähnte. Der Souverän hat souverän entschieden: tatsächlich ein historischer politischer Willensakt.

Jenseits der Heftigkeit und Verbissenheit, mit der die Diskussion in den Tagen und Wochen vor diesem Sonntag im Juni 1994 geführt worden ist, die ja teilweise gezielt das Land zu spalten suchte, hat das Bundesvolk durch seine Beteiligung am Referendum demokratische Reife bewiesen. Keine Spur von Demokratieverdrossenheit, ganz im Gegenteil. Die Demokratie hat in dieser Volksabstimmung, ein ganz wesentlicher Punkt, ihre lebendige Ausformung erfahren. Umso intensiver muß über Politikverdrossenheit und Nicht-Wahlbeteiligung nachgedacht werden. Denn wenn es um Österreich geht, lassen die Stimmbür-ger(innen) jetzt nachweislich dieses Land nicht im Stich.

Zweitens: Das eindeutige Ja zu Europa ist auch eine klare Zustimmung zum Verhandlungsergebnis, das die Regierung aus Brüssel heimgebracht hat. Diesen Erfolg dürfen sich die Koalitionsparteien ungeschmälert gutschreiben, ergänzt um die klare Haltung, die das Liberale Forum ab Gründung dazu eingenommen hat.

Bespekt vor allen, die ehrlich und redlich ihrer Überzeugung gefolgt sind, daß ein EU-Beitritt Österreichs für das Land insgesamt - und unter sorgfältiger Abwägung aller Argumente - nachteilig wäre. Ehrlichkeit unterscheidet sie da grundsätzlich von parteipolitischen Windbeuteln, die ihren Sack voran von jener heißen Luft blähen lassen, die sie selbst erzeugt haben.

Auch in diesem Punkt gibt es - drittens - zudem für die politische Kultur des Landes nach diesem 12. Juni einen Hoffnungsschimmer: weil die gröbsten und primitiv-dümmsten Drein-schlagworte ihre Wirkung verfehlt haben. Vielleicht nebenbei ein „Denkzettel” für manchen, der selbst (noch) irgendwie Kontrolle über sich und seinen Verantwortungsbereich zu reklamieren versucht.

Halt! Die Regierungskampagne habe, ist jetzt weinerlich zu hören, alles niedergewalzt, jeden Widerspruch im Keim erstickt. Jene Regierungskampagne, die als miserabel gegeißelt, ja sogar als „Schützenhilfe' für Beitrittsgegner kritisiert worden ist? Das Duett von Jörg Haider mit Kurt Falk, in einer Gegenkampagne lächelnd bis lächerlich angestimmt, hat sich im harmonischen Dreiklang volksmusikalisch aufgelöst: sogar selbst die Kärntner(innen) waren durch diesen Akkord anders gestimmt.

Der Entschluß der Koalitionsparteien, die Zusammenarbeit mitsamt dem eingeschlagenen Weg in den nächsten vier Jahren fortzusetzen, wird daher - und bereits passiert -in dieser präjudizierenden Deutlichkeit Widerspruch provozieren. Der naserümpfende Einwand, daß damit eine Entscheidung des Wählers vorweggenommen würde, ist so berechtigt wie der Wunsch dieses Wählers, schon vorher haargenau wissen zu wollen, wer nachher mit wem koalieren möchte.

Im Miteinander läßt sich, wenn man entschieden an einem Strang zieht, tatsächlich etwas bewegen. Wenn man der Koalition einen Vorwurf machen kann, dann den, dies in anderen wichtigen Fragen politischer Gestaltung nicht annähernd ausreichend bewiesen zu haben. Und dafür wird die Rechnung am 9. Oktober präsentiert werden.

Trotzdem: Die starke Position, die Österreich nach diesem Referendum in der EU hat, kann auch nur von einer starken Regierung auf breiter Grundlage genützt und umgesetzt werden. Eine durchaus logische Konsequenz. Mitten im Fluß wechselt man nicht die Pferde.

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