Europa - zu Fall gebracht

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Das irische Referendum über den "Nizza-Vertrag" hat mit einem Schlag die Demokratisierung der EU aus einem kühlen Expertenthema zum heißen Politthema gemacht. Allerorten wird über die notwendige Bürgernähe der EU, über Mitbestimmung der Bürger in den zentralen europäischen Fragen diskutiert. Dass die EU derzeit ein bürokratischer Koloss ist, der solange auf "tönernen Füßen" steht, solange die europäischen Bürger nicht direkt über die Zukunft Europas bestimmen können, lässt sich nicht bestreiten.

Die Wahlen ins Europäische Parlament können dieses Demokratie-Defizit schon deswegen nicht befriedigen, weil die Kompetenzen des Parlaments weit hinter denen nationaler Parlamente liegen und die Kommission dem Parlament nur in äußerst geringfügigem Maß verantwortlich ist. Auch den nationalen Parlamenten gegenüber gibt es weder eine Berichtspflicht noch können nationale Parlamente europäische Entscheidungen in irgendeiner Form beeinspruchen oder bestätigen.

Ein demokratiches Unbehagen besteht also zu Recht und sollte von den führenden Politikern der EU endlich ernst genommen werden. Dieses Unbehagen an der Erweiterung festzumachen, ist dennoch eine gefährliche Strategie. Aus mehreren Gründen ist ein Referendum in dieser Frage abzulehnen: n Die Erweiterung ist ein Grundsatzbeschluss der EU, der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von allen Regierungen, und damals wohl auch von allen Völkern Europas gutgeheißen wurde.

n Nach Annahme dieses Grundsatzbeschlusses haben die Kandidaten ein Recht auf ihren Beitritt, sofern sie die Bedingungen erfüllen.

n Der Grundsatz der Reziprozität muss auch im europäischen Recht gelten. Wenn über die bisherigen Staaten nicht abgestimmt wurde, kann auch über neue Mitglieder nicht abgestimmt werden.

Die Forderung nach einer Volksabstimmung, die die Gegner der Osterweiterung derzeit erheben, ist nichts anderes als der Versuch, das historische Projekt der Zusammenführung Europas mit "demokratischen" Mitteln zu Fall zu bringen.

Trautl Brandstaller war langjährige ORF-Journalistin und Dokumentarfilmerin.

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