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EWG-Assoziierung vorerst nicht ratsam

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Inzwischen schlagen sie vor, sich zunächst mit der EWG zu assoziieren. Diese Assoziation wurde zwar im ersten Aufwall der Gefühle für absurd erklärt, ein großer Teil der Industrie wäre aber jetzt bereit, nationale Gefühle für wirtschaftliche Vorteile auf den Markt zu tragen. Es muß hingegen ernsthaft bezweifelt werden, ob eine Tory-Regierung angesichts des bereits erlittenen Prestigeverlustes je diesen Ausweg wählen wird. Denn man darf nicht übersehen, daß Harold Wilson die überwältigende Mehrzahl der Engländer angesprochen hatte, als er bemerkte, daß nie wieder ein britischer Minister in der Kälte des Vorzimmers auf eine Entscheidung warten dürfe. Man ist sich einig, daß die Konservativen sich jeder Chance einer Wiederwahl begeben würden, falls sie sich um eine Assoziation bewerben.

Die „Katastrophe von Brüssel“ zeitigte freilich auch ein positives Ergebnis. Es half, die Gedanken zu klären und brachte die vernünftige Einstellung zum Durchbruch, daß auch ein EWG-Beitritt die grundsätzlichen wirtschaftlichen Probleme Großbritanniens nicht hätte lösen können. Ein Erfolg in Brüssel hätte weder die regelmäßig wiederkehrende Pfundschwäche noch die strukturelle Arbeitslosigkeit in einzelnen Regionen (Schottland, Nordostengland, Merseyside und seit kurzem auch die Midlands) behoben. Diese Probleme muß das britische Kabinett im eigenen Wirkungskreis lösen. Völlig neue Wege werden zu beschreiten sein, meinte ein angesehener Nationalökonom kürzlich in einem Aufsatz. Der „National Economic Development Council“ und die „National Income Commission“ — von der Regierung Macmillan geschaffen, um Richtlinien für ein beschleunigtes Wachstum der britischen Wirtschaft auszuarbeiten sowie um die Lohninflation zu bremsen — wird ebenso für ein untaugliches Mittel erklärt, wie der Plan des Schatzkanzlers des sozialistischen Schattenkabinetts, Callaghan. Dieser möchte eine allgemeine Gewinn- und Vermögenssteuer einführen und eine staatliche Behörde schaffen, welche alle Investitionsmittel nach einem langfristigen Plan regional verteilen sollte.

Der Ruf nach Neuwahlen

Nach Ansicht des erwähnten Wirtschaftsexperten — eine Meinung, die vielfach geteilt wird — müßten Mittel ergriffen werden, um im Einverständnis mit den Gewerkschaften das Realeinkommen der breiten Masse zu senken. Das Ergebnis eines solchen, gewiß drastischen Schrittes würde aber nicht zuletzt davon abhängen, ob es gelingen wird, „die nötigen strukturellen Anpassungen in der britischen Wirtschaft wirkungsvoll durchzuführen und zu verhindern, daß unsere Kosten rascher als jene unserer Konkurrenten“ zunehmen.

Allgemein beurteilt man die Chancen der konservativen Regierung, dieses Ziel zeitgerecht zu erreichen, eher skeptisch. Der Exekutivrat der britischen Gewerkschaften hat es von vornherein abgelehnt, mit der Regierung zwecks Steuerung der Lohnbewegung zusammenzuarbeiten. Gerade jetzt, da die Möglichkeit eines sozialistischen Wahlsieges, das erstemal seit 1951, für wahrscheinlich gehalten wird, glaubt man nicht, daß die Gewerkschaft der Regierung helfen wird. Die Labour Party drängt deshalb auf Neuwahlen, um das psychologische Tief für sich ausnützen zu können. Man zweifelt freilich auch nicht daran, daß der erfahrene Taktiker Macmillan dies erfaßt hat und sein Spiel auf Zeitgewinn ausrichten wird. Das Rekordbudget 1963/64 mit Ausgaben von mehr als 6,1 Milliarden Pfund Sterling wird als Hinweis dafür gewertet. Ob es aber Macmillan und seiner Mannschaft wieder wie 1959 gelingen wird, die Flut zu wenden, wird für mehr als fraglich gehalten, zumal die Bevölkerung die in den letzten Wochen rasch zunehmende Arbeitslosigkeit kaum so schnell vergessen wird. Oder soll, wie schon vor vier Jahren, Lord Halisham den Konservativen helfen, das Unmöglich scheinende zu vollbringen? Man traut es ihm jedenfalls zu.

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