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EWG-Engagement in Afrika

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Der Vater Europas, Robert Schuman, liebte es häufig im kleinen wie im großen Kreis zu betonen, daß der nach ihm benannte Plan das Ziel verfolge, eine engere Bindung der neuen Staaten Afrikas an das werdende Europa zu erreichen. Die Partei der Volksrepublikaner (MRP) hat. diesen Gedanken auf zahlreichen Kongressen aufgenommen und von der Bildung einer europäischafrikanischen Union, gesprochen. Frankreich hatte ja in Afrika ein bedeutendes Kolonialreich und wollte mit Hilfe der Partnerstaaten des Gemeinsamen Marktes diese Gebiete systematisch entwickeln und den 70 Millionen französischsprechenden Afrikanern eine ständige technische und soziale-Unterstützung sichern.

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Der Vater Europas, Robert Schuman, liebte es häufig im kleinen wie im großen Kreis zu betonen, daß der nach ihm benannte Plan das Ziel verfolge, eine engere Bindung der neuen Staaten Afrikas an das werdende Europa zu erreichen. Die Partei der Volksrepublikaner (MRP) hat. diesen Gedanken auf zahlreichen Kongressen aufgenommen und von der Bildung einer europäischafrikanischen Union, gesprochen. Frankreich hatte ja in Afrika ein bedeutendes Kolonialreich und wollte mit Hilfe der Partnerstaaten des Gemeinsamen Marktes diese Gebiete systematisch entwickeln und den 70 Millionen französischsprechenden Afrikanern eine ständige technische und soziale-Unterstützung sichern.

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Außenminister Robert Schuman wollte natürlich nicht nur die Völker des schwarzen Afrikas mit Europa zusammenführen, sondern dachte an eine organische Eingliederung der drei Magreb-Staaten, die nach seinem Konzept eine Wirtschaftseinheit zu bilden hätten, welche die beiden Ufer des Mitteimeers verbinden würde. Der langdauernde Algerienkrieg hat dieses Projekt zum Scheitern gebracht. Als Algerien 1962 selbständig wurde, verschrieb es sich einem militanten und revolutionären Sozialismus und ließ sich von der Sowjetunion ausrüsten. Tunesien und Marokko dagegen richteten konservative Regime ein, die von den jeweiligen Staatschefs Bourgiba und Mohamed V. sowie dem Nachfolger des bedeutenden Königs, Hassan II., getragen wurden. Diese beiden arabischen Staaten distanzierten sich von den Konflikten des Nahen Ostens und bekundeten mehrfach den Wunsch nach einer engeren Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Markt.

Dank der vernünftigen Kolonialpolitik de Gaulles haben auch die Staaten, des schwarzen Afrika mit Ausnahme Guineas nicht den revolutionären, sondern den evolütiven Weg beschritten. 18 französischsprechende Länder Afrikas einschließlich des ehemaligen Belgischen Kongo und der Insel Madagaskar vereinten sich, um gegenüber der EWG eine — wenn auch prekäre — Einheitsfront zu bilden. Es muß festgestellt werden, daß nicht alle Partner der EWG die Wichtigkeit einer koordinierten Hilfe an diese Staaten erkannten. Holland hatte trotz des einstigen Kolonialreiches in Südost-

asien niemals ein richtiges Verständnis für Afrika aufgebracht. Die Be- • Ziehungen Deutschlands zu den einstigen afrikanischen Kolonien gehörten bereits so sehr der Geschichte an, daß zwischen diesen Gebieten und der Bundesrepublik keine organische Verflechtung gefunden werden konnte.

Frankreich war natürlich interessiert, den früheren Kolonialvölkern die finanziellen und technischen Möglichkeiten der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu erschließen. Die Partner der V. Republik in der EWG haben diesen berechtigten Wunsch mehrfach dazu benützt, um Druck auf Paris auszuüben. Krise in der EWG, von General de Gaulle ausgelöst? Sehr gut, dann verweigern wir einfach die Subventionen an die französischsprechenden Länder Afrikas. Trotz solcher Spannungen in der Wirtschaftsgemeinschaft können die afrikanischen wie europäischen Staaten eine positive Bilanz der Zusammenarbeit erstellen. Ende Juli wird in Yaounde der zweite Assoziationsvertrag zwischen der EWG und den 18 afrikanischen Staaten geschlossen. Es. ist das Verdienst, des luxemburgischen Außenministers Gäston Thorn, der als Vorsitzender des Ministerrates der EWG gewisse Bedenken der Holländer und Deutschen zerstreute und infolge seines anerkannten Verhandlungsgeschicks die Erneuerung des Assoziationsver-trages ermöglichte. Die kooperative und verständnisvolle Handlung der Bundesregierung sowie die Steigerung des italienischen Beitrages wird in Paris mit Genugtuung registriert. Die Zusammenarbeit zwischen der EWG und den afrikanischen Staaten

ist seit dem ersten Vertrag von Yaounde durch gewisse Institutionen gesichert. Etwa den hohen „Assoziierungsrat“, der die Minister von 24 Staaten ein bis zweimal jährlich in Europa oder in Afrika versammelt. Dieser Rat delegiert gewisse Rechte an eine Botschafterkoniferenz, die in regelmäßigen Abständen in Brüssel zusammentritt. Die 24 Staaten haben sich auch eine parlamentarische Vertretung gegeben, die mindestens einmal im Jahr in Europa oder Afrika tagt.

1 Milliarde Subvention

Die Schwierigkeiten der Kooperation zwischen Europa und Afrika liegen in erster Linie auf praktischem Gebiet. Die afrikanischen Staaten zeigen in ihrem Aufbau unterschiedliche Grade. Es gibt relativ wohlhabende Länder, wie Senegal und die Elfenbeinküste, und außergewöhnlich arme Staaten, unter anderen Ober-volta. Wie die meisten Länder der Dritten Welt, stützt sich ihre Wirtschaft auf Monokulturen, Kakao, tropische Hölzer usw. Sie sind also von den Kursen der Weltmärkte abhängig. Die finanzielle Hilfe der EWG diente zuerst dazu, die Kurse der wichtigsten Exportgüter zu stabilisieren. Die EWG als solche hatte in der ersten Konvention von Yaounde den afrikanischen Staaten 730 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, während ursprünglich in den römischen Verträgen 581 Millionen vorgesehen waren. Frankreich und die Bundesrepublik lieferten von den genannten Beträgen jeweils 246 Millionen. Der erneuerte Vertrag sieht 1 Milliarde vor. Die afrikanischen Staaten sind enttäuscht, sie hatten mit . 1,5 Milliarden gerechnet und weisen; darauf hin, daß durch die schleichende Geldentwertung die erzielte Erhöhung illusorisch geworden sei; Die Verwendung dieser Gelder soll nicht mehr ausschließlich der Kursstützung von Rohstoffen dienen, sondern einen industriellen und sozialen Aufstieg fördern. So werden 75 Prozent echten Investierungen zugeleitet, während 25 Prozent sozialen Infrastrukturen zugute kommen. Der europäische Entwickkingsfonds kann seinerseits Kredite zu niederem Zinsfuß bestimmten industriellen Projekten gewähren. Die europäische Investierungsbank studiert ebenfalls Kredite zu banküblichen europäischen Bedingungen für diese Staaten. Die afrikanischen Nationen verlangen einen besseren Zugang zu den europäischen Märkten. Solange sie unter französischer Souveränität standen, kannten sie ungehindert in Frankreich ihre Produkte verkaufen. Die EWG freilich errichtete gegenüber der Dritten Welt beachtliche Zollschranken. Der Handelsverkehr zwischen dem ehemaligen Mutterland und seinen Kolonien wurde merklich gebremst. Die jungen afrikanischen Staaten sind natürlich gezwungen, ihre bescheidene lokale Industrie zu verteidigen, die in keiner Weise die Konkurrenz europäischer Großfirmen ertragen würde. Soweit ein solcher Schutz nicht notwendig ist. zeigen sich die 18 Staaten durchaus bereit, die Importe europäischer Industriegüter zu erleichtern. Die Insel Madagaskar zum Beispiel belegt japanische und amerikanische Autos mit einem 40prozewtigen Zoll, während die europäischen Automobilwerke ihre Erzeugnisse ohne Zollbelastung exportieren können. Die europäischen Staaten haben bisher zu wenig erkannt, daß die für die Entwicklungshilfe votierten Summen bis zu 70 Prozent im EWG-Raum verbleiben. Mit diesen Geldern werden Industrieeinrichtungen erworben.

... nicht in Moskau oder Peking

Aber nicht nur die französischsprechenden Staaten Afrikas suchten aus dem Existieren eines europäischen Großwirtschaftsgebietes Vorteile zu ziehen. Während Ghana und Sierra

Leone des öfteren den Wunsch bekundeten, mit der Brüsseler Kommission ins Gespräch zu kommen, haben die Staaten Nigeria, Kenia, Tansanien und Uganda ebenfalls Verträge mit der EWG abgeschlossen. Am 26. Juli 1968 wurde in der afrikanischen Stadt Arusha eine Konvention zwischen der EWG und der ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichnet. Die vorangegangenen Verhandlungen setzten bereits 1965 ein und mußten verschiedene Schwierigkeiten überwinden. Die Exporte dieser drei englischsprechenden Länder Afrikas nach Europa wurden verbessert, während die genannten Staaten der EWG in der Zollbelastung entgegenkamen und diese um 2 bis 9 Prozent senkten. Mit Nigerien wurde ein spezielles Abkommen in Lagos getroffen. Im Gegensatz zu den französischsprechenden Regionen ist jedoch eine finanzielle Unterstützung der englischsprechenden nicht vorgesehen. Die Kapitalien des europäischen Ent-wickluoasfonds sind ausschließlich den Staaten der Konvention von Yaounde bestimmt. Es ist anzunehmen, daß nach einem Beitritt Großbritanniens zur EWG diese Probleme auf die Tagesordnung gesetzt werden

und Ostafrika ebenfalls in den Genuß einer Unterstützungshilfe der Wirtschaftsgemeinschaft gelangt. Die eben abgeschlossenen Diskussionen in Brüssel und Luxemburg unterschieden sich deutlich von den früheren Begegnungen zwischen Afrikanern und Europäern. In den letzten Jahren wurde um große Prinzipien gerungen, schleuderten die afrikanischen Diplomaten Anklagen gegen ihre europäischen Verhandlungspartner und die praktische Arbeit versandete in feierlichen Erklärungen: „Wir brauchen Unterstützung.“ „Wir wollen helfen.“ Diesmal wurden in einer nüchternen Atmosphäre die Fragen erörtert und die gemeinschaftlichen Interessen der europäischen und afrikanischen Staaten herausgearbeitet. Das große Konzept Robert Schumans hat sich wohl nicht verwirklicht, aber die Beziehungen zwischen Europa und Afrika sind harmonisiert worden. Europa zeigte sich willens, diesen gemäßigten Regierungen eine effektive und vor allem konstruktive Hilfe zu gewähren. Die Zukunft der 18 Staaten von Yaounde liegt nicht in Peking oder Moskau, sondern wird sich in Brüssel,' Luxemburg und Straßburg mitgestalten.

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