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Ex-Dissident Jakimin klagt über die Haltung der Kirche

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Die Mehrheit der russisch-orthodoxen Metropoliten sympathisiert mit dem Chef der faschistoiden Liberaldemokraten, dem Wahlgewinner Wladimir Wolfowitsch Schirinowski. Wie der Ex-Priester und Ex-Dissident Gleb Jakunin gegenüber der FURCHE betont, wird die orthodoxe Kirche nicht gegen Schirinowski auf- treten. „Im Gegenteil: die meisten Metropoliten hassen Präsident Boris Jelzin.“

Gleb Jakunin, der in der kommunistischen Ära fünf Jahre im Gefängnis und weitere fünf in der Verbannung verbrachte, ist Vorsitzender der Bewegung für ein Demokratisches Rußland und Chef der Christlichen Partei; er wurde bei den Parlamentswahlen am 12. Dezember in die Staatsduma gewählt - und schon vorher von der Heiligen Synode der russisch-orthodoxen Kirche als Priester sus-

pendiert, die Priestern verboten hatte, für die Wahlen zu kandidieren.

Jakunin bezeichnet die Tatsache, daß ein Mann wie Schirinowski auf Anhieb einen derartigen Erfolg (70 Mandate) einheimsen konnte als „Zeichen der geistigen Krankheit unserer Gesell- • schaft“. Die Kirche beschuldigt er, den Russen nicht rechtzeitig die Augen geöffnet, ihnen nicht gesagt zu haben, wer Schirinowski wirklich ist. Der Ex-Dissident ist gegen den Rückzug der Kirche aus der Politik.

„Seinerzeit waren viele Metropoliten Mitarbeiter des KGB. Im kommunistischen Parlament hatten zum Beispiel der jetzige Patriarch Ale- xej, die Metropoliten Pimen und Pitirim einen Sitz. Sie haben neben ihren kirchlichen Insignien auch den Roten Stern getragen Und jetzt, wo die Möglichkeit gegeben ist, die demokratische Gesellschaft aufzubauen, zieht man sich zurück.“

Curt Gasteyger, Schweizer Sicherheitsexperte, verweist im Gespräch mit der FURCHE trotz aller Unabwägbarkeiten, was Rußlands künftige Entwicklung betrifft, auf eine Sichtweise der Amerikaner, die sich Rußland gerne als demokratische Ordnungsmacht zwischen Baltikum und Zentralasien vorstellt. Das Enga-

fement der Amerikaner in uropa (Analyse auf Seite 8) hänge davon ab, was in Rußland passiert. An Ordnungsprinzipien bleibe heute - aas zeigte auch der NATO-Gipfel in Brüssel - nur eine Art Gleichgewichtsdenken übrig. Hegemonie und Anarchie werden abgelehnt, NATO-In- tegration sei noch nicht möglich; man müsse sich eben neu arrangieren.

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