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Fanfani im Kabinett

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Der Christdemokrat Amintore Fanfani ist als Außenminister und der Sozialdemokrat Lami Starnuti als Minister für Industrie und Handel in das Kabinett Moro eingetreten. Die Regierungsumbildung war nach der Wahl am 28. Dezember des ehemaligen sozialdemokratischen Außenministers Guiseppe Saragat zum Staatsoberhaupt notwendig geworden. Für einen Regierungschef sollte sie normalerweise eine „technische“, ja beinahe banale Aufgabe darstellen. Aber Aldo Moro hat zu ihrer Bewältigung zwei volle Monate benötigt.

Die Linkssozialisten Pietro Nennis hatten darauf gedrungen, daß die schwierige Koalition der linken Mitte anläßlich der Regierungsumbildung durch ein Klär- und Härtebad gehen müsse, damit sie neugestärkt an die seit einem Jahr auf Lösung wartenden Fragen einer überaus ernsten wirtschaftlichen Situation herantreten könne. Die Präsidentenwahl hatte die Kontraste innerhalb der Democrazia Cristiana in skandalöser Weise offenkundig gemacht, und die Nenni-Partei wollte wissen, mit welcher DC sie es eigentlich zu tun habe. Man stellte sich vor, daß nach Klärung durch den Eintritt aller Gruppen und Strömungen in die Regierung, eine Konzentration der Kräfte und ein neuer Start der linken Mitte zu erzielen sei. Natürlich ist die Lage in der Sozialistenpartei nicht weniger klärungsbedürftig als bei den Democristiani. Die Anhänger des ewigen Widersachers Pietro Nennis, Riccardo Lombardi, und der neue linke Flügel, hatten sich nicht nur von der Regierung ferngehalten, sie verlangten schlankweg die Krise und sogar den Austritt aus der Koalition. Wunderbarerweise, und nicht ohne Mitwirkung von höchster kirchlicher Stelle, hat die DC tatsächlich zumindest ihre formale Einheit wiedergefunden, indem sich alle ihre Gruppen, inbegriffen die des einzigen wirklichen Opponenten der „Linksöffnung“, des ehemaligen Regierungschefs Mario Scelba, in dem im Jänner einberufenen Nationalrat zur strikten und loyalen Durchführung des Koalitionspro-grammes bekannten.

Die Geschichte ist jedoch in Italien mehr als anderswo nicht Zustand, sondern Bewegung. Die Pax demo-christiana hat genau 48 Stunden gedauert, bis nämlich die Sonntagsredner der DC auf den Plan traten. Die Einigung war mit Zeichen des Antikommunismus und des Widerstandes gegen die Volksfront hergestellt worden, und jetzt brach der Streit darüber aus, um welchen Antikommunismus es sich handle, um jenen alten Stils oder um einen neuen, aufgeklärten, der den Kommunismus nicht mit dem Anathema, sondern durch soziale Reformen bekämpfen will. Dafür trat die Umgebung Moros ein, und es ist klar, warum: Die Verhandlungen mit den marxistischen Sozialisten waren im Gange, man wollte sie nicht mit dem entfalteten Banner des Antikommunismus in Verlegenheit bringen. Zwischen den Lombardianern und den Kommunisten bestehen noch effektive Neigungen. Diese Rücksicht hat sich freilich als überflüssig herausgestellt. Lombardi, Frondist von Beruf und Jakobiner aus Berufung, dachte nicht daran, sich durch Eintritt in die Regierung Moros an die Kette legen zu lassen. Er sparte sich offensichtlich für eine spätere, fortgeschrittenere „linke Mitte“ auf, in der die „Mitte“ nur noch schmückendes Beiwort ist. Schon jetzt verhält er sich in einer Weise, als ob die Sozialisten in der Regierung nicht nur die zehn Prozent der Wählerschaft zu vertreten hätten, die sie tatsächlich hinter sich haben, sondern auch noch dazu die fünfundzwanzig Prozent kommunistischer Wähler.

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