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Forderungen an das Nichts

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Im Rahmen der Verhandlungen um die Erstellung des Budgets 1963 wurde von einzelnen Sozialisten in der Öffentlichkeit eine erstaunliche, ja mit dem Blick auf das allgemeine Wohl geradezu bestürzende Unbekümmertheit gezeigt. Wer auf Grund seines politischen Ranges damit befaßt wird, ein Budget aufstellen zu helfen, muß vor allem so etwas wie ein fiskalisches Balancegefühl besitzen und daran denken, daß beabsichtigte Ausgaben nur dann zu realen und nicht lediglich zu nominellen Konsumchancen führen, wenn sie auch durch so gut wie sicher zu erwartende Einnahmen in gleicher Höhe gedeckt sind. Formell integriert zwar ein Budget zwei entgegengesetzt verlaufende Geld ströme, tatsächlich aber handelt es sich um vom Staat erworbene Anweisungen auf Güter und um ausgegebene Anweisungen. Die Tatsache, daß ein Geldschein eine Güteranweisung darstellen soll, wurde aber von vielen Mandataren der SPÖ nicht zur Kenntnis genommen, wobei sie in ihrem Zwie-Denken mit Abgeordneten der ÖVP in harter Konkurrenz standen. Und dies alles in einer Situation, in der die Bundeseinnahmen bereits eine rückläufige Tendenz zeigen, wo hingegen freilich die Einnahmen der anderen Gebietskörperschaften einen leichten Aufstieg zu verzeichnen haben. Aus diesem Grund ist auch die von Sozialisten unterstützte, einem Notopfer zugunsten des Bundes abge-

neigte Haltung der Länder und Gemeinden nicht ganz verständlich gewesen. Es sei denn, man geht daven aus, daß das Geld, das der Finanzminister einnimmt, eben als „Gegner-Geld“ angesehen wird.

Einzelne Prominente der SPÖ gaben jedenfalls in Geldsachen Meinungen kund, die den Theorien des Herrn John Law zumindest ähnlich waren, so wenn uns empfohlen wurde, ohne Rücksicht auf die ohnedies bereits hohe Verschuldensquote des Bundes der Ausgabe von Schuldscheinen, also von Assignaten, zuzustimmen. Viele der sozialistischen Forderungen wurden gleichsam an das Nichts gestellt. Der Reflex der Erfüllung solcher Forderungen ist im Absinken der Kaufkraft des Schillings angezeigt, in einer Verstärkung der säkularen Inflation, die ohnedies nur jenen nützt, die zu bekämpfen die Sozialisten bemüht sind, den großen Schuldnern und den „Reichen“, die ökonomische Substanz genug haben, um von Geldentwertungen nicht so „berührt“ zu werden.

Die Armen ärmer, die Reichen reicher

Die Reduktion des Geldwertes ist ist die moderne und heimtückische Form der Ausbeutung der Massen. Man mag dagegen sagen: Wenn eine Abwertung die Sparer trifft, dann handelt es sich ohnedies um Menschen, die eine Kaufkraftverringerung durchaus erleiden können. Daß aber die

Sparer in ihrer Mehrheit nicht die sagenhaften „Reichen“ sind, wissen alle Funktionäre der Geldinstitute. Die Großen, die „Kapitalisten“ sparen nicht. Nicht, weil sie ihr Geld vergeuden, sondern weil sie ihre Gewinne meist unmittelbar in Produktionsmittel umwandeln. Gerade die Großen, die Eigentümer der großen Unternehmungen und die anonymen Gesellschaften, sind gezwungen, Kredite aufzunehmen, und bekommen sie auch leichter, weil sie eben „groß“ und dadurch kreditwürdig sind. Die Kreditgewährung erfolgt aber indirekt aus den „Spargroschen“ der kleinen Leute, die, zu Spartausendern akkumuliert, jene beachtlichen Beträge ergeben, die erst ausreichen, um gigantische Investitionen zu finanzieren. Kommt es zur Verringerung der Kaufkraft des Schillings, haben die Schuldner, die „Reichen“, allen Grund sich zu freuen, da sie nunmehr gutes Geld mit schlechterem zurückzahlen und dies völlig legal tun dürfen.

Wer eine Geldabwertung begünstigt, macht, um eine politische Phrase zu gebrauchen, „die Armen ärmer und die Reichen reicher“, jene Reichen, die man im Interesse der Kapitalakkumulation von der „Zinsknechtschaft“ befreit, indem man ihnen das, was sie an Zinsen zu zahlen haben, durch Geldwertverschlechterung teilweise refundiert. Ähnliches taten die Kipper und Wipper um 1620 und im 18. Jahrhundert, die Münzbetrüger der guten alten Zeit.

Der Kampf gegen den kleinen Sparer, dessen „Partei“ glücklicherweise von Jahr zu Jahr größer wird, ist bereits aufreizend geworden. Das zeigt sich darin, daß der Habenzinsfuß der Spareinlagen bereits geringer ist als die Abwertungsrate. Es wäre unfair und wider besseres Wissen, wollte man nun den Sozialisten für diesen Sachverhalt die Alleinschuld geben. Was man einzelnen sozialistischen Führern, vor allem jenen, die immer wieder durch viele Reden auf sich aufmerksam machen, zum Vorwurf machen muß, ist, daß sie zwar Forderungen stellen, aber

keine praktikablen Maßnahmen vorschlagen und mitdurchzusetzen bemüht sind, durch welche die Forderungen abgedeckt werden können.

Finanzminister für alle

Man muß in fiskalischen Fragen auch dann Österreicher sein, wenn der Finanzminister der anderen Partei angehört, da er ja Staats- und nicht Parteifinanzen verwaltet und eine Währungskatastrophe von allen zu tragen ist, von den politischen Sekundäreffekten ganz zu schweigen.

Parteifreunde des Herrn Finanzminister sind bemüht, mit den Sozialisten in Forderungskonkurrenz zu treten und drängen sich ebenfalls drohend nach vorne, davon ausgehend, daß die Staatseinnahmen eine unbegrenzte Fündigkeit haben. Um ihre Mehrausgaben zu decken, verlangen einzelne dieser Herren, die nicht Volks-, sondern Gruppenvertreter groteskerweise gleichzeitig sind, eine Reduktion der Staatseinnahmen. Nicht wenige Politiker meinen eben ihr politische Unvermögen dadurch überdecken und sich ihre Bezüge auch in der nächsten Legislaturperiode sichern zu können, wenn sie ihren Wählern Präsente offerieren, die sie charmant den öffentlichen Kassen entnehmen, während gerade jene außerordentlich unbeliebt sind oder bloßgestellt werden, die bemüht sind, die Kassen aufzufüllen.

Wer sorgt vor?

Alle diese Dinge ereignen sich, obwohl man da, wo auf unsere Kosten lizitiert wird, genau weiß, daß uns die Diskriminierung seitens der Kleineuropäer aus der Region der EWG noch in diesem Jahr außerordentlich hart treffen kann. Müssen wir doch eine Verringerung unserer Exporte in den EWG-Raum in der Größenordnung von einer Milliarde erwarten. Gleiches gilt für die Konjunktur, die zumindest gegenwärtig eine wenn auch nicht sehr bedenkliche Abflachung zeigt, so daß wir mit Einnahmen unseres Staatshaushaltes rechnen und sie flugs bereits

ausgeben, die wir in der angenommenen Größenordnung vielleicht gar nicht beziehen werden.

Es ist auch erstaunlich, daß es gerade Sozialisten sind, die dem Bund jene Mittel immer mehr entziehen, die er benötigt, um in ausgewählten Bereichen unserer Wirtschaft intervenieren zu können, gar nicht zu sprechen von der Anteilnahme des öffentlichen Haushalts an der Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Wachstums der österreichischen Wirtschaft durch ein Dargebot von infrastrukturellen Investitionen.

Ebensowenig haben wir in unserem Land eine Vorsorge für eine Krisensituation getroffen. Der Trost, daß etwa auch die Bundesrepublik kaum Mittel für eine Krisen-, wenn nicht eine Rezessionsbekämpfung angesammelt hat, ist ein schwacher Trost. Die von einer Krise Betroffenen werden aber nicht die Wohlhabenden sein, sondern die Arbeiter und Angestellten, soweit sie nicht pragmatisiert sind.

Der Hinweis, daß man in solchen Situationen eben Schulden machen könne, ist erstaunlich, da uns doch in guter Erinnerung ist, daß man einmal einem Finanzminister gerade das Schuldenmachen vorgeworfen hat.

Der Vernunftehe müde?

Die Frage, ob eine Partei nicht nur die politische Vertretung'■■ Linzels ■ nen Interessenten ist, sondern auch die Qualität einer Staatspartei hat, entscheidet sich auch bei ihrer Haltung zu den fiskalischen Fragen. Es mag durchaus verständlich sein, daß die Sozialisten ihren Unmut über den Partner, mit dem sie nun, allzulange in Vernunftehe lebend, trostlose „Abende“ (das heißt Ministerratssitzungen) verbringen müssen, in einem Übermaß an Forderungen abreagieren. Nun sind aber die Forderungen zwar formell an den Finanzminister gerichtet, faktisch jedoch an die Gesamtheit der arbeitenden Staatsbürger, deren Kassenhalter der Finanzminister ist. Die ÖVP und die SPÖ sind als Ehegenossen alt geworden. Anderseits sind keine Nachkommen da, das heißt seriöse Parteien, die geeignet wären, die Nachfolge anzutreten. Trotz allem Verdruß, den die beiden „alten Leute“ miteinander haben, müßten sie davon ausgehen, daß sie noch viele Jahre miteinander zu leben haben. Soll es nun so weitergehen, daß die Sozialisten ihren Ärger in Forderungen übersetzen, die real schwer oder überhaupt nicht erfüllbar sind, wobei zu rechnen ist, daß ihnen biedere Volksparteiler brav im Fordern Konkurrenz machen?

Die SPÖ ist keine Wahlpartei. Wer sie wählt, tut das aus Interesse. Glauben die Sozialisten, daß unter ihren Anhängern so gut wie keine Sparer sind, so daß sie nur den „bürgerlichen“ Sparern durch ihr Verhalten Ärger bereiten? Wir meinen, daß es durchaus im Parteiinteresse läge, wenn es zu einem Stillehalten bei jenen Forderungen an den Staatshaushalt käme, die nicht mehr real gedeckt sind!

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