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Fortsetzung der Erfolgsstory

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Die NATO bietet sich als einzig realistische Möglichkeit fiir eine künftige gesamteuropäische Ordnungspolitik an.

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Die NATO bietet sich als einzig realistische Möglichkeit fiir eine künftige gesamteuropäische Ordnungspolitik an.

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Die Erweiterung der NATO nach Osten ist nach den Beschlüssen von Madrid - zumindest fürs erste - kleiner ausgefallen als von vielen erhofft. Nur Polen, Tschechien und Ungarn haben das Ticket erhalten. Für die anderen Kandidaten heißt es abwarten, ob und -wenn ja - wann und in welchem Ausmaß eine zweite Erweiterungsrunde ”kommt. Dieser Andrang sagt mehr als theoretische Erklärungen über die Erwartungen, die in die NATO gesetzt werden. Sie soll den Osteuropäern jene Sicherheit bringen, die sie bislang aus ihrer historischen Erfahrung nicht kennen. Heraus aus dem sicherheitspolitischen Graubereich zwischen NATO und EU einerseits und (dem in seiner Geschichte immer wieder imperialistischen) Rußland andererseits.

Die NATO-Erweiterung bedeutet die Fortsetzung der Erfolgsstory des Militärbündnisses, das keinen Krieg führte, an dessen Abschreckungsfähigkeit aber das ideologische, politische und militärische Äggressions-potential der Sowjetunion gescheitert ist, das den Vorläufern der Europäischen Union die politisch-militärische Rückendeckung für die wirtschaftliche Integration der Westeuropäer bot, und das gemeinsam mit der EU erstmals eine europäische Sicherheitsordnung schuf, in der sich England, Frankreich, Deutschland und Italien nicht in nationalen Ambitionen feindlich gegenüberstehen.

Die NATO-Mitgliedschaft bedeutet Schutz vor dem Zugriff anderer, und sie bedeutet Zugehörigkeit zu einer Zone der Stabilität mit weitgehendem Ausschluß der Anwendung von Machtpolitik. Die NATO verhindert nicht nur innerhalb der westeuropäischen Mächte eine gegeneinander gerichtete Politik, sondern auch, daß eine westeuropäische Macht zum Bündnispartner eines außerhalb der NATO stehenden Landes wird. Solange die NATO funktioniert, wird es zum Beispiel weder eine deutsch-italienische gegen eine englisch-französische Koalition geben, noch etwa eine deutsch-russische gegen Frankreich oder eine französisch-russische gegen Deutschland. Was die NATO politisch, strategisch und militärisch für den Frieden Europas ermöglichte, wird von der EU wirtschafts- und gesellschaftspolitisch ergänzt und abgerundet. Je größer NATO und EU werden, desto größer wird der gesicherte und stabile Bereich in Europa und desto kleiner werden die Möglichkeiten potentieller Gegner und potentieller Bedrohung. In einer Welt, in der von 1991 bis 1996 62 neue regionale Kriege und bewaffnete Konflikte ausgebrochen sind, ist regionale Sicherheit und Stabilität ein unschätzbarer Wert.

Für viele Europäer ist Stabilität aber offenbar schon zu selbstverständlich geworden, um sie zu schätzen oder sich vorstellen zu können, daß diese Stabilität auch wieder verlorengehen könnte. Eine naive Vorstellung von dauernder, gleichsam a priori gegebener Sicherheit hat sich im Denken vieler Europäer breitgemacht und tendiert dazu, die Funktion der NATO als Garanten der Stabilität zu unterschätzen, ja sogar zu negieren, und in völliger Verkennung der Tatsachen die NATO-Erweiterung als Hindernis für die Entwicklung eines umfassenden gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitssystems (unter Einschluß Rußlands) zu sehen. Die NATO-Erweiterung schaffe neue Trennlinien in Europa, statt dessen sollte durch Stärkung der OSZE ein Gemisch aus kooperativer und kollektiver Sicherheit allmählich zu einem System kollektiver Sicherheit (ä la UNO-Theorie) mit Aus-

Schluß von zwischenstaatlicher Gewaltanwendung führen. Das ist natürlich sehr schön und wer wollte das nicht? Doch die schwierige Kunst einer optimalen Sicherheitspolitik für das 21. Jahrhundert besteht darin, bei möglicher Verfolgung von Visionen einer idealen künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur die konkreten Notwendigkeiten nicht zu vernachlässigen. Priorität muß die Erhaltung und Ausdehnung der westeuropäischen Stabilitätszone haben. Das Mittel dazu ist die NATO-Erweiternn er Eine funktionstüchtige sicherheitspolitische Ordnung läßt sich nicht am Reißbrett konstruieren. Sie kann sich aber aus pragmatischer, erfahrungsorien-tierter, geschichtsbewußter Politik ergeben. Und der Ansatz dazu ist die NATO. Sie hat schon vor ihrer Osterweiterung eine Entwicklung eingeleitet, durch die sie zusätzlich zum Militärbündnis auch ein Institut der Zusammenarbeit (Partnerschaft für den Frieden) wurde, und sie bietet sich durch die Reformbemühungen (NA-TO-neu) und den Bosnieneinsatz als die realistische Möglichkeit an, künftighin eine gesamteuropäische Ordnungspolitik zu ermöglichen.

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