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FPO auf Regierungskurs

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Während SPÖ und ÖVP noch in der Analyse des Wahldebakels verstrickt sind, versucht Jörg Haider mit einer Totalreform der FPÖ den Grundstein für einen Aufstieg zur Großpartei zu legen.

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Während SPÖ und ÖVP noch in der Analyse des Wahldebakels verstrickt sind, versucht Jörg Haider mit einer Totalreform der FPÖ den Grundstein für einen Aufstieg zur Großpartei zu legen.

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Hand aufs Herz: wer würde tatsächlich die Parteisekretäre vermissen, deren Hauptaufgabe in der Öffentlichkeit darin besteht, „Speerspitze“ gegenüber den anderen Parteien zu sein? Wer könnte nicht ohne dieses Ritual „die Partei XY ist dafür, deshalb sind wir dagegen“ leben?

Die FPÖ sei endgültig auf dem Weg zur „Führerpartei“, mutmaßten die Kommentatoren, als Jörg Haider vergangene Woche ahkündigte, Parteistrukturen samt Generalsekretariat auflösen, die Funktion der Generalsekretär abschaffen und seine Partei in eine „Bürgerrechtsbewegung“ umwandeln zu wollen.

Bloß ein neuer Reklamegag des nie um publikumswirksame Effekte verlegenen Oppositionsführers? Oder tatsächlich ein nächster Schritt auf dem Weg zu einem autoritären „Führerstaat“? Nüchtern betrachtet ist der von Haider vorgegebene Reformkurs für seine Partei weder das eine noch das andere, sondern eine logische Fortsetzung des Weges hin zu einer „Großpartei“ jenseits der dreißig Prozent, die sich nicht mehr mit der Oppositionsrolle zufrieden geben will, sondern ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen möchte. Denn Haider ist sich, wie er zuweilen im engsten Beraterkreis durchaus eingesteht, der Schwachstellen seines bisherigen Kurses bewußt: mit dem Rollenbild einer po

pulistischen Radikalopposition, die in erster Linie Protestwähler aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen anspricht — gemessen an ihrem durchschnittlichen Wähleranteil konnte die FPO sowohl bei den Arbeitern als auch bei den Selbständigen und Freiberuflern überdurchschnittlich punkten ist der Anspruch, 1998 den Bundeskanzler stellen zu wollen, nicht zu vereinbaren. Zudem steht der FPO-Chef vor dem Problem, daß ihm durch seinen radikalen Kurs „ministrahle“ Mitstreiter abhanden gekommen sind. Was er braucht, um als regierungsfähig zu erscheinen und auch „ministrable“ Persönlichkeiten für sich zu gewinnen, ist also ein Image, das es etwa seinen nach wie vor vorhandenen Sympathisanten in den Manager- Etagen erlaubt, „ein Stück des Weges“ mit ihm zu gehen. Es würde auch nicht überraschen, wenn Haider in diesem Zusammenhang seinen strikten Anti-EU-Kurs revidiert und auf Linie „machen wir das Beste daraus“ umschwenkt.

INHALTE GEFRAGT

Mit der weitgehenden Reduzierung von Parteistrukturen und der Konzentration auf die Parlamentsarbeit hat Haider auch eine weitere Klippe umschifft, an der die SPÖ wie die OVP derzeit festsitzen: jede Mittelund Großpartei hat sich bislang zur Bewältigung der Alltagsarbeit und der Mitgliederbetreuung auf ein vertikales Organisationsmodell - von der Bundes- bis hin bis zur Bezirksund Ortsgruppenebene — gestützt. Tatsächlich sind diese Strukturen mittlerweile ein Hort der Vereinsmeierei, die bei Wahlen eher Stimmen kosten als bringen. Im modernen Kommunikationszeitalter werden Wahlkampfveranstaltungen „vor Ort“ ohnehin nicht mehr von Sektionen oder Bezirksgruppen organisiert, sondern von Werbeprofis „designt“.

Jörg Haider in diesem Zusammenhang den Vorwurf zu machen, eine „Führerpartei“ zu schaffen, geht am Thema vorbei. Auch in anderen Parteien werden Politiker der zweiten und dritten Reihe auf Zuruf angesetzt und nicht durch plebiszitäre Vorgänge. Haider geht es viel mehr darum, eine „Volkspartei“ zu schaffen, die mehrheitsfähig ist. Und genau dabei ist der negativ besetzte Begriffsinhalt „Partei“ nur hinderlich.

Die anderen Parteien haben Haiders Reformschwung bisher wenig entgegenzusetzen: die SPÖ will immerhin versuchen, durch die derzeit laufende Programmdebatte ein stärkeres inhaltliches Profil zu gewinnen. Ein Weg, der zwar wenig spek- tulär klingt, aber Erfolg haben könnte. Denn die Opposition kann im Widerspiel der politischen Kräfte nur dann punkten, wenn die Regierungsparteien gewisse Themenfelder kampflos räumen. Wenn sich die Koalitionsparteien - trotz eines allseits eingestandenen Handlungsbedarfes - im Wahlkampf nicht dazu durchringen, klare und zukunftsweisende Vorstellungen für die Reform des Sozialstaates vorzulegen, brauchen sie sich nicht wundern, wenn über die Golfleidenschaft der Kanzlergattin oder die Bezüge von Kammerfunktionären diskutiert wird.

In der ÖVP ist der Ruf nach einer Parteireform - nach den unzähligen und bisher kaum merkbaren Reformversuchen der letzten 25 Jahre — erst gar nicht aufgekommen. Ein Zeichen von Resignation?

Das Liberale Forum dürfte das bleiben, was es derzeit ist: der „Hei- de-Schmidt-Wahlverein“. Und bei den Grünen ist der Wechsel an der Parteispitze von Peter Pilz zu Madeleine Petrovic zwar logisch, aber eher zufällig als geplant zustande gekommen: Pilz sah sich vor die Wahl gestellt, entweder seine Bundesfunktion aufzugeben, oder als Spitzenkandidat für die Wiener Landtagswahlen ausgebootet zu werden.

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