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Fragezeichen im „Tiefen Süden“

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Überhaupt mußten die Goldwater- Strategen ihre anfänglichen Erwartungen, den ganzen Süden zu gewinnen, zurückschrauben. Mindestens drei Staaten gelten für den Präsidenten als sicher, darunter sein Heimatstaat. Drei Staaten sind fest im Goldwater-Lager, darunter die beiden rückständigsten, Alabama und Mississippi. Ebenso wird es nach der letzten Utrifragö fii¥ sicäiet gehalten, daß Mr. Johnson zumindest vier von den fünf sogenannten Grenzstaaten (zwischen Norden und Süden) gewinnen wird. Allein Oklahoma ist zweifelhaft.

Der Süden ist die eine der zwei Ausgangspositionen, die der Senator für die Eroberung des Weißen Hauses unbedingt benötigt. Die andere ist der mittlere Westen. Auch hier scheinen sich die anfänglich so aussichtsreichen Chancen Goldwaters zu verflüchtigen. Die Farmer, die im mittleren Westen tonangebend sind, möchten zwar ihren Anbau ohne Regierungskontrollen selbst bestim men, aber gleichzeitig nicht ihre Subsidien verlieren. Dabei ist ihnen unangenehm aufgefallen, daß der wirtschaftliche Hauptberater Goldwaters, Milton Friedmann, ein Nationalökonom, der heute noch den Ideen Ludwig von Mises’ anhängt, eine Balancierung’ des Staatshaushaltes mit nachfolgender Steuerermäßigung versprochen hat, falls der Senator siegt; Die’ Balancierung soll auf Kosten der Subsidien und der Auslandshilfe gehen.

Die verborgenen Stimmen

So sprechen alle Indizien für einen Wahlsieg des Präsidenten. Auf ihn deutet sogar eine gerade veröffentlichte Privatumfrage der Republikanischen Partei. Nach ihr würde Goldwater nur einen Vorsprung von drei Stimmen im Wahlkollegium erreichen. Jedoch fragt man sich, was hinter dieser ungewöhnlichen Veröffentlichung steckt. Sind doch die Parteien normalerweise in ihren Siegesprognosen auch dann noch großspurig, wenn sie von ihrer Niederlage überzeugt sind. Der Verdacht einer psychologischen Kriegführung ist um so mehr gegeben, als 37 Prozent der Befragten angegeben haben sollen, sie kennen Leute, die es geheimhalten, daß sie für Goldwater stimmen werden. Damit ist der Faktor der verborgenen Stimmen, die den Wahlausgang ändern könnten, wieder in den Vordergrund gerückt.

Heute jedenfalls, unter dem Einfluß der Massensuggestion, die gerade in den Vereinigten Staaten so leicht um sich greift, fragt man nicht, ob der Präsident siegen wird, sondern, ob sein Sieg groß genug sein wird, um die Republikanische Partei am Boden zu zerstören. Eine Reihe fortschrittlicher Republikaner, deren Wiederwahl für ein funktionierendes Zweiparteiensystem von Bedeutung ist, wären gefährdet, wenn der Präsident mit so großer Pluralität siegte, daß er ihre Gegner „an seinen Rockschoßen“, wie es so schön heißt, mit sich zöge.

Es handelt sich bei ihnen, in erster Linie, um den Senator Keating von New York, der zu Anfang gegen Robert Kennedy im Hinterrteffen lag, jetzt aber rasch auf holt. Ein weiterer Bewerber für einen Senatssitz, dessen Wahl nötig ist, um die Auslieferung der geschlagenen Partei an Goldwater zu verhindern, ist der Sohn des berühmten, verstorbenen Republikanischen Führers, Robert A. Taft. Eine andere, mit dem Kennedy-Regime eng verbundene Persönlichkeit, die ihren, ursprünglich sehr beträchtlichen, Vorsprung langsam, aber stetig abbröckeln sieht, ist der frühere Pressesekretär Pierre Salinger. Der Mut, mit dem er sich gegen die schon erwähnte Rumford-Vorlage einsetzt, scheint der Grund für seine Verluste zu sein.

Man wird das Ende des Wahlkampfes nicht nur deswegen mit Erleichterung begrüßen, weil damit die Dreckbewerfung und die Banalität zu Ende sind, sondern, weil man über keinen von beiden Kandidaten sehr froh werden konnte. Der Dechant an der Kathedrale von Washington hat die Unzulänglichkeit der beiden Bewerber sehr drastisch ausgedrückt. Allerdings waren seine protestantischen Amtsbrüder nicht der Meinung, rtian dürfe-deshalb seine Hände in Unschuld waschen, sondern mischten sich, für Johnson, in die Parteipolitik ein, wie noch nie zuvor. Übrigens ist Johnson der erste demokratische Präsident in der Geschichte, der die Mehrheit der Tageszeitungen, angeführt von der bisher stockrepublikanischen „New York Herald Tribüne“, hinter sich hat.

Man kann William Scranton, dem ehemaligen Rivalen Goldwaters, nicht ganz Unrecht geben, wenn er behauptet „Die Johnson-Verwaltung hat die letzten Überreste des Stiles und des guten Geschmackes weggewischt, die eine neue Generation von Amerikanern in den Wahlen von 1960 schufen“.

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