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Ein Irak-Krieg wird immer wahrscheinlicher. Er wird als vorbeugende Maßnahme legitimiert - eine äußerst anfechtbare Position.

Die USA bereiten unverdrossen weiter den Krieg gegen den Irak vor. Er wird als Präventivkrieg legitimiert. Der Westen habe vitales Interesse daran, dass Diktatoren - und Saddam Hussein gehört zweifellos zu dieser Spezies - nicht in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen.

Prävention (Vorbeugung) ist ein Begriff, der sich gut verkauft. "Besser vorbeugen, als heilen", ist eine gern zitierte Devise. Bezogen auf den Irak: Besser ein rascher Schlag gegen Saddam, als mit der Gefahr leben, dass dieser die Welt dauernd mit chemischen und bakteriologischen Waffen bedroht. Außerdem habe der Irak mit dem Feind Nummer eins, dem internationalen Terrorismus, kooperiert. Niemand wolle zwar einen Krieg, heißt es, aber in einem so schwerwiegenden Fall müsse man für das kleinere Übel votieren.

Auf den ersten Blick ein überzeugendes Argument. Es bricht aber mit der Doktrin vom Gewaltverbot in internationalen Beziehungen, die seit Bestehen der Vereinten Nationen zumindest theoretisch hochgehaltenen wird. Für dieses Verbot kennt die UN-Charta nur zwei Ausnahmen: Sanktionen durch den Sicherheitsrat und das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51.

Änderung der Perspektive

Vorbeugende Selbstverteidigung ist aus dieser Sicht unzulässig. Der NATO-Vertrag aus 1949 sah dementsprechend eine Beistandspflicht nur im Fall eines bewaffneten Angriffs auf ein Mitglied vor. Klare Verhältnisse also: Abwehr eines stattfindenden oder unmittelbar bevorstehenden Angriffs. Dieses Konzept hat sich allerdings schon 1999 geändert. Die neue NATO-Doktrin spricht von "Bedrohungen der Sicherheit der Allianz", die auch zu Militäroperationen außerhalb des Territoriums führen können. Neben das objektive Faktum eines Angriffs tritt die subjektiv eingeschätzte Gefährdung der Sicherheit. Und sie wird von der US-Regierung seit dem 11. September 2001 immer und überall vermutet.

Eine fatale Änderung der Perspektive: Unter dem Motto Terror-Prävention öffnet sie Tür und Tor für Maßnahmen, die gegen überkommene Rechtsvorstellungen stehen. Typisch dafür das, was sich auf dem Gebiet der Informationssammlung tut: Da hat die US-Regierung heuer das "Information Awareness Office" (IAO) eingerichtet, das bisher wohl umfassendste Überwachungsprojekt. Im Visier sind nicht nur US-Bürger, sondern ein möglichst großer Personenkreis weltweit. Da ist alles von Interesse: Flugbuchungen, Kreditkartenumsätze, Kontobewegungen, Daten von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten, Informationen, die beim Abhören von Telefonaten oder bei der Überwachung des E-Mail-Verkehrs anfallen, biometrische Daten, also Daten der Personenerkennung auf Grund körperlicher Merkmale.

Rasterfahndung wird so zum Alltagsgeschäft, der Bürger steht im Verdacht, potenziell ein Terrorist zu sein.

Wie leicht da die Bürgerrechte unter die Räder kommen, zeigt ein Vorgang, den Bürgerrechtsbewegungen zum Anlass nahmen, die US-Regierung zu verklagen: Einwanderer aus Ländern des Vorderen Orients mussten sich gesondert registrieren lassen. Dabei wurden 450 von ihnen festgesetzt, während man ihre Vergangenheit überprüfte - einfach als vorbeugende Maßnahme.

Rechtsbruch auch im Umgang mit den 600 Personen - El-Kaida-Mitglieder und Taliban-Kämpfer aus Afghanistan, darunter auch zwangsrekrutierte -, die unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne Gerichtsverfahren in Guatanamo festgehalten werden. Dazu Ex-US-Präsident Jimmy Carter: "Hinsichtlich der Gefangenen erklärt der Verteidigungsminister, dass man sie selbst dann nicht freilassen würde, wenn sich ihre Unschuld erwiesen hätte. Das passt zu Unrechtsstaaten, die von amerikanischen Präsidenten in der Vergangenheit immer verurteilt wurden."

Zauberwort Terror

Und was soll man von der Weisung halten, die laut New York Times an die CIA ergangen sein soll: Personen, die auf einer vom Präsidialamt gebilligten Liste mutmaßlicher Extremisten-Führer stehen, seien zu töten, wenn deren Gefangennahme unmöglich sei und "die Opfer unter Zivilisten gering gehalten werden können"? Der Abschuss eines angeblich mit sechs Terroristen besetzten Fahrzeuges im Jemen durch ein unbemanntes US-Flugzeug zeigt, dass damit ernst gemacht wird.

Es ist gelungen, den Begriff Terror so negativ aufzuladen, dass alle Handlungen, inklusive kriegerischer, vergleichsweise harmlos erscheinen. Terror-Prävention mausert sich so zu einem Motiv, das alles rechtfertigt, auch Maßnahmen, die gegen bisher gültiges Recht verstoßen. Der Krieg gegen den Terror droht zum Instrument unbegrenzter Machtpolitik zu werden. Was zählt, ist der kurzfristige, vermutete Nutzen. Unter die Räder kommt die Rechtsordnung, deren Aufgabe es ist, Macht zu begrenzen.

Dabei verfehlt die nur auf Abwehr von Terrorakten zielende Prävention das eigentliche Anliegen. Denn in letzter Konsequenz geht es darum, dem Terror den Nährboden zu entziehen. Einen Durchbruch im Kampf gegen diese Geißel unserer Zeit wird erst die Beseitigung jener Zustände (Armut, Entwurzelung, Kulturverlust) bringen, die in den Terroristen jenen Hass wachsen lassen, der sie zu ihren Gräueltaten anspornt. Mit der derzeit praktizierten Art der Prävention wird dieses Ziel allerdings kräftig verfehlt.

christof.gaspari@furche.at

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