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Fragwürdiger „Natur pur”—Tourismus

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Das Wort Qualitätstourismus steht nicht einmal im „Duden”, dennoch gehört es in Österreich längst zum allgemeinen Sprachschatz. Hoteliers, Gastronomen, Skiliftbetreiber et cetera haben es ohnehin längst verinnerlicht: Qualitätstourismus ist die Rettung, das Allheilmittel - schlicht: der einzige Ausweg aus der Tourismuskrise. lch am Arlberg, als Nobelskiort bekannt und wohl auch verrufen, geht den Weg konsequent. „Die Gäste suchen ein romantisches Winterdorf”, ist der Geschäftsführer des Fremdenverkehrsverbandes „Lech-Touris-mus”, Armin Kgger, überzeugt. Um die gewünschte Natur pur bieten zu können, wird in Lech freilich erst einmal heftig gebaut etwa im Ortsteil Oberlech. Er war schon bisher im Winter autofrei. Zwölf Ski-Doos und 14 Raupenfahrzeuge versorgten die Hotels mit 850 Gästebetten.

Um diese 26 Schneefahrzeuge auch noch verschwinden zu lassen, werden nun 105 Millionen Schilling in ein 650 Meter langes Tunnelsystem investiert. Etwa 70 Millionen Schilling bezahlen die Hoteliers, der Rest kommt von der Gemeinde und der Seilbahngesellschaft. In den Fußgängertunnels sollen die Gäste trocken von Haus zu Haus gehen können. Das Gepäck wird von der Rergstation der Seilbahn unterirdisch mit Elektro-fahrzeugen zu den Hotels gebracht.

Lärmbelästigung und Gestank sollen damit der Vergangenheit angehören, hofft der Initiator Fridolin Lucian, Besitzer eines der größten Oberlecher Hotels. „Gerade bei uns, wo die Luft so gut ist, riecht man so einen Zweitaktmotor unheimlich intensiv'.” Lucian ist überzeugt, daß sich die Investition rechnet: „Natürlich erwarten wir, daß wir das Geld über eine höhere Auslastung wieder hereinbekommen.”

Sogar „Lech-Tourismus”-Ge-schäftsführer Egger ist sich da nichtso sicher: „Der Nutzen des Gastes ist klar. Den kann man aber nicht in eine K osten - Nutzen -Bechnung stellen ”, formuliert er diplomatisch. Es seien jedenfalls keine unmittelbaren Mehreinnahmen zu erwarten.

Auch sonst versucht Lech mit großem Aufwand die Annehmlichkeiten für die Gäste zu erhöhen. Mit Kunstschnee wird bereits seit rund 15 Jahren ein Gutteil der Pisten beschneit. Heuer wurde die Zahl der Schneekanonen noch einmal kräftig aufgestockt.\jzc\\ biete nun „die Möglichkeiten eines mittleren Gletscher-Skigebietes”, auch wenn der natürliche Schnee ausbleibt, heißt es in einem Prospekt selbstbewußt. Sogar das wird als Umweltmaßnahme verkauft: „Die kompakte Schneedecke schützt die Skikanten und die Grasnarbe, was die schönen Blumenwiesen im Sommer eindrücklich bestätigen.”

Selbst die Rodelbahn wird ab Dezember künstlich beschneit. Fragen nach der Sinnhaftigkeit wischt der Geschäftsführer der Lecher Tourismus-Gesellschaft, Armin Egger, vom Tisch: „Die Rodelbahn wird sehr oft vernachlässigt.. Das ist ein Alternativprogramm zum Skifahren, das von den Gästen sehr gut angenommen wird.”

All das ist freilich noch nicht genug. Die Zahl der Tageskarten bei den Seilbahnen wurde vor Jahren beschränkt, um den Hotelgästen (relativ) freie Pisten zu sichern. Ab Sommer 1997 wird ein Ortsbus geschaffen, um das Verkehrsaufkommen im Dorf zu senken. Auch die Busan-schlüsse an die Reisezüge aus Wien und der Schweiz werden verbessert.

Mit all dem hoffen die Lecher, daß es der Tourismusbranche bald wieder besser geht. Das scheint auch dringend nötig. In den vergangenen vier Jahren sank die Zahl der Nächtigungen um rund 100.000 auf 776.661. Gleichzeitig stieg freilich die Zahl der Gästebetten von 6.629 auf 6.883. Anders ausgedrückt: Statt 132 Tage pro Jahr sind die Lecher Hotels nur noch 113 Tage pro Jahr ausgebucht.

Hotelier Lucian, immerhin auch Obmann des Bauausschusses der Gemeinde, sieht das aber nicht so tragisch: „Von einer Krise habe ich noch nichts bemerkt. Bei mir sind ja fast nur Stammgäste - und die kommen immer wieder.”

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