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Freiheit der wahren Religion

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Das Interesse der Öffentlichkeit am Konzil kozentriert sich zur Zeit auf die Erklärung über die religiöse Freiheit. Es lag den Vätern ein stark umgearbeiteter Text vor. Daß er wesentlich besser sei als jener, der am Ende der 3. Session durch den Protest einer Minderheit bekanntlich nicht zur Abstimmung gelangte, war die allgemeine Ansicht. Ich notiere die wichtigsten Punkte: Inhaltlich ist genau herausgestellt, um welche Freiheit es in der Erklärung geht. Bekanntlich lassen sich verschiedene Arten der Freiheit unterscheiden, wie etwa die Willensfreiheit oder die psychologische Freiheit, die sittliche Freiheit, welche darin besteht, daß der Mensch das Sittengesetz annehmen oder ablehnen kann, die evangelische Freiheit, insofern die Wahrheit der Frohbotschaft und die Gnade des Heiligen Geistes den Menschen von der Sünde freimachen kann. Die kirchliche Freiheit, sie ist die der Kirche zukommende Freiheit, damit sie ihre von Christus erhaltene Sendung erfüllen kann.

Und endlich die religiöse Freiheit. Sie ist heute ein technischer Ausdruck im bürgerlichen Leben geworden, der in religiösen Belangen die Unantastbarkeit des Menschen gegen jede Zwangsanwendung von Seiten sozialer Körperschaften und menschlicher Gewalt besagt. Sie erstreckt sich auf einzelne und auf religiöse Gemeinschaften, auf das religiöse Bekenntnis, die Ausübung und die Verbreitung der Religion. Nur von dieser Freiheit handelt die Erklärung. Wie diese Aufzählung aber bereits zeigt, ist die so verstandene religiöse Freiheit zwar von allen anderen zu unterscheiden, hängt aber trotzdem mit jeder von ihnen innerlich zusammen. Wenn es keine Willensfreiheit geben würde, ist es sinnlos, von den anderen Arten zu reden. Aus der sittlichen Pflicht des Menschen, Gott zu verehren gemäß dem Spruch des eigenen Gewissens, entspringt das-Recht auf die Unantastbarkeit in diesem Bereich, das heißt die religiöse Freiheit.

In der Erklärung geht es nur um diese religiöse Freiheit im technischen Sinn. Sie ist aber begründet in der Würde der menschlichen Person, näherhin eben in jener Gewissenspflicht Gott gegenüber. Schon Johannes XXIII. hat darauf hingewiesen, daß bei allen heutigen Völkern die Person würde, wenigstens theoretisch, in höchsten Ehren steht. In mehr als 100 Staaten ist die religiöse Freiheit gesetzlich verankert und was mehr ist, im Bewußtsein der heutigen Menschheit spielt sie eine gewaltige Rolle. Es handelt sich also hier um eines jener Phänomene, die Ziele der gegenwärtigen Menschheit bedeuten. Die Kirche ihrerseits muß sich fragen, ob sie diese religiöse Freiheit bejaht, sie als Menschheitsziel anerkennt, sie vielleicht tiefer begründet als andere, etwa die UNESCO, sie klarer als andere von den anderen Freiheiten unterscheiden oder auch zu ihnen in Verbindung setzen kann, falsche Folgerungen, die man aus ihr ziehen könnte, wie etwa einen gewissen Indifferentismus, zurückweisen muß und so fort.

Eine Charta der Menschenrechte

In gewissem Sinn wird diese Erklärung aber auch eine Charta der Menschenrechte darstellen. Das ist nicht unbedeutsam. In allen seinen Reden der letzten Zeit kommt der Papst darauf zu sprechen, daß sich die Kirche nicht bloß für die eigenen Rechte einsetze, daß sie sich verpflichtet wisse, die Rechte aller Menschen zu verteidigen. Sich zum Anwalt aller Menschen machen, begründet aber die Erklärung der religiösen Freiheit zunächst aus der Vernunft, getrennt davon sodann aus der Heiligen Schrift. Es war der Papst selbst, der durch ein Votum seines Theologen Colombo diese beiden gewünscht hatte.

Die Grenzen der Freiheit

Die Grenzen der Freiheit. In einem eigenen Paragraphen behandelt die Erklärung diese Grenzen. Als erste Gruppe wird das Moralgesetz genannt. Zweitens) sind rechtlich die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung festzulegen. Die Ausübung der Religion, sagt die Erklärung, darf nur dann vom Staat zwangsweise behindert werden, wenn sie den öffentlichen Frieden stört, die öffentliche Sittlichkeit verletzt oder die Rechte anderer beeinträchtigt, und zwar so, daß dem Gemeinwohl daraus ein schwerer Schaden entstehen könnte. Deutlicher erkenne man heute das dem Staat eigene Ziel, gemäß den Erfordernissen und Rechten der Personwürde. Es beschränke sich auf die irdische und zeitliche Ordnung, so daß die Menschen in größerer Freiheit nach ihrem Gewissen dem letzten Ziel zustreben können.

Der Raum erlaubt hier kein näheres Eingehen auf den Text, denn zur Debatte muß noch ein Wort gesagt werden. Es war der „Frankfurter Allgemeinen“ vorbehalten, von einer Erklärung zur Toleranz zu schreiben. In völliger Unkenntnis der Sachlage stellte sie sich damit auf den altliberalen Standpunkt, in dem sie sich merkwürdigerweise nur mit ganz wenigen Konzilsvätern der alten Zeit traf. Toleranz bedeutet die Wahl des kleineren Übels, Freiheit sagt ein positives Recht aus. Als Beispiel sei der Erzbischof Morsillio von Madrid genannt, der sich für die religiöse Freiheit aussprach, obwohl er die Begründung der vorliegenden Erklärung heftig ablehnte.

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