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Frieden hängt nicht von einer Währung ab

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Wessen Bild und Aufschrift ist das? fragt Jesus aus Nazareth und zeigt auf einen römischen Denar, während seine Gegner versuchen, ihn mit der Begründung für die kaiserliche Steuer in Argumentationsnotstand zu bringen (Mk 12,16). Unsere Fragen lauten ähnlich. Welches Bild von Europa zeichnet der Euro? Wofür steht die Aufschrift auf einer gesamteuropäischen Währungseinheit?

Bei den Antworten auf diese Fragen werden von den Befürwortern der Währungseinheit vor allem zwei Argumentationslinien beschritten: Erstens können die Vorteile des europäischen Binnenmarkts erst mit einer gemeinsamen Währung optimal genützt werden. Europa wird zu einem wesentlich einflußreicheren Finanzplatz als bisher, und der Euro kann als Reservewährung effektiv internationalen Währungsspekulationen entgegengestellt werden. Zweitens wird der Euro mit einem politischen Argument propagiert. Die Währungsunion ist demnach quasi der Katalysator für die europäische Einigung, der die Nationalstaaten immer enger aneinander binden wird.

Euro-Skeptiker dagegen sehen eine Währungsunion ohne vollständige politische Union als undurchführbar an. Sie befürchten Einschränkungen in der Wirtschaftspolitik der jeweiligen Mitgliedsstaaten, warnen vor den Umstellungskosten und dem unkalkulierbaren Risiko in der Übergangsphase, das zu einer Gefahr für die Stabilität Europas werden kann.

In Österreich ist die Stimmung gegenüber dem Euro dementsprechend schlecht. Es ist keine Notwendigkeit, den allerorts geachteten Schilling zu ersetzen. Dabei spielen nichtnurgeldpolitische Fragen eine Rolle. Neben der Sprache gehört die Währung zu den wichtigsten identitätsstiftenden Symbolen für eine Nation. Der Schilling erfüllt diese Aufgabe mit kurzer Unterbrechung seit mehr als siebzig Jahren. Das schafft Vertrauen und wir alle, die wir mit dem „Alpendollar” groß geworden sind, verknüpfen positive als auch negative Gefühle und Erfahrungen mit „unserem” Schilling. Auch ist auffallend, daß Attribute, die dem Geld beigestellt werden, den Eigenschaften von Freunden gleichen: eine Währung ist vertrauenswürdig und verläßlich; sie ist stark und gut. Damit ist angezeigt, daß eine Währungsumstellung nicht nur die rationale, sondern ebenso die emotionale Ebene im Menschen betrifft. Jeder Versuch, der Unsicherheit und Angst in Teilen der Bevölkerung allein mit ökonomischen Argumenten entgegenzuwirken, greift daher zu kurz.

Hier zeigt sich aber das Problem der Einführung einer gemeinsamen Währung am deutlichsten. Es ist nicht der Fall, daß die Österreicherinnen und Österreicher sich wenige Jah -re nach dem Beitritt zur EU als Europäerinnen und Europäer verstehen, und diese neue Selbstsicht nach einer

Ausdrucksmöglichkeit sucht, die unter anderem ein einheitliches monetäres System sein kann. Bei der Durchführung des Vertrags von Maastricht haben wir es mit dem genau gegenteiligen Vorgang zu tun. Die gemeinsame Währung soll, wie bereits oben angedeutet, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union enger aneinander binden; der Euro soll Gefühle wie Zusammengehörigkeit und Solidarität stärken beziehungsweise bei vielen erst hervorrufen.

Die Wirtschaft schafft demnach Einheit und zwingt in Folge die Politik zu kooperativem Handeln. Das

Geldbörsel erscheint damit in seiner völkerverbindenden Dimension und stellt alle Bemühungen der Diplomatie und Völkerverständigung in den Schatten.

Besonders deutlich wird diese Reihenfolge, also gemeinsame Währung vor gemeinsamen Selbstverständnis, bei der Diskussion um das Aussehen der Euro-Scheine. Das Design des Geldes soll einerseits als Träger für europäische Geschichte und Kultur fungieren, ein Abbild der europäischen Identität sein, andererseits ist es nicht erlaubt, ein konkret einem Land zuordenbares Bauwerk darzustellen. Wäre ein Bewußtsein von Europa vorhanden, würde also jeder behau-ene Stein irgendwo auf diesem Kontinent als zu mir und zu meiner Vergangenheit gehörend angesehen, käme es wohl kaum zu solch einer Diskussion. Gewiß gehört zum vereinten Europa gesunder Patriotismus. Sicher darf jede Nation weiterhin stolz auf ihre individuelle Vergangenheit, ihre Kultur, die Sportgrößen und so weiter sein. Zu weit geht dieses Gefühl aber, wenn Phantasieobjekte reale Kulturgüter ersetzten müssen, um nicht Mißgunst und Streit zwischen den „vereinten Europäerinnen” zu schüren. Diese Phantasiegebilde können sich nur allzu bald als Luftschlösser erweisen, die sich gleich dem für was sie stehen, in Nichts auflösen.

Nach dem Willen vieler europäischer Politiker verschiedenster Provenienz und Couleur, sollte der Absturz in dieses Nichts, das der europäischen Einigung beim Scheitern der Währungsunion droht, mit allen Mitteln verhindert werden. Der Euro ist somit der Sachzwang der Zukunft, der den Prozeß der europäischen Integration unumkehrbar machen soll. Das gemeinsame Geld wird zum Propheten, der Feindschaft zu überwinden verheißt und friedensstiftende Abhängigkeiten schafft. Die Osterreicherinnen und alle anderen Teilnehmer an der Währungsunion werden, so der fromme Wunsch, indem sie zum Euro-Payer gemacht werden, zum Europäer mutieren.

Das Stichwort Prophet läßt mich zur anfangs zitierten Bibelstelle zurückkommen. Der Nazarener zeigt im weiteren Verlauf der Erzählung, daß es einen Unterschied in der Wertigkeit beziehungsweise in der Angemessenheit von Ansprüchen gibt. Die Möglichkeit des Euro, einen Kontinent zu einen, ist aber demnach ein zu hoher Anspruch. So integer die Absicht je ner sein kann, die das Haus Europa mit dem Euro krisensicher einrichten wollen, sie sprechen der Währung eine Bedeutung zu, die diese nicht erfüllen kann. Denn wer seine Hoffnungen nach Frieden und Heil mit der Einführung einer Währung verknüpft, wird vom Euro-Payer zum „Euro-Prayer” und das Scheitern ist vorauszusehen.

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