7136373-1997_48_05.jpg
Digital In Arbeit

„Führende Rolle für Europa”

19451960198020002020

Die schwedische Sozialdemokratin Maj Britt Theorin plädierte in Wien für ein Umdenken in der Sicherheitspolitik.

19451960198020002020

Die schwedische Sozialdemokratin Maj Britt Theorin plädierte in Wien für ein Umdenken in der Sicherheitspolitik.

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Aufgabe, die wir erst lernen müssen, ist, wie Konflikte friedlich gelöst statt militärisch aus-gefochten werden können”: Maj Britt Theorin, sozialdemokratische Euro-paparlamentarierin und Friedensaktivistin, legte kürzlich bei zwei Vorträgen in Wien (einer vor dem Kreis-ky-Forum für internationalen Dialog) ihre Vision einer europäischen Sicherheitspolitik und einer atomwaffenfreien Welt dar.

Einige der die heutige Außen- und Sicherheitspolitik beherrschenden Themen sind die soziale Ausgrenzung von fast einem Viertel der Weltbevölkerung, Extremismus und Fundamentalismus sowie Umweltzerstörung. Darüber hinaus ist feststellbar, daß Konflikte zwischen Nationen in den letzten Jahrzehnten abgenommen haben, während dagegen die Kriege in Äthiopien, in Ruanda und in Jugoslawien Beispiele dafür sind, wie innerstaatliche Konflikte aufgrund sozialer, ethnischer und religiöser Ursachen entstehen. Diese letzteren Konflikte können so gut wie unmöglich durch militärische Einsätze gelöst werden. Für ihre Lösung sind politische, wirtschaftliche, kulturelle und diplomatische Einsätze erforderlich.

Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist noch viel zu sehr vom Denken des Kalten Krieges beherrscht. Es müßte viel mehr über die Ursachen der heutigen Unsicherheit nachgedacht werden. Neben der militärischen Sicherheit der Nationalstaaten müßten die Sicherheit der einzelnen menschlichen Individuen (Menschenrechte) und auch die Sicherheit des ganzen Planeten (Umweltschutz, Atemluft, Wassermangel und Erwärmung der Atmosphäre) als Themen für weltweite Aktionen Beachtung finden.

Ein umfassendes Sicherheitskonzept nach der Vorstellung von Frau Theorin würde weltweite Zusammenarbeit, Vertrauensbildung, Transparenz, schrittweise Abrüstung und De-militarisierung bedeuten. Sicherheit für den einzelnen Menschen würde die Überwindung der Bedrohungen durch Hunger, Krankheiten und Unterdrückung beinhalten.

„Ohne eine ernsthafte Debatte über die nächstwichtigen Aufgaben riskieren sowohl Europa wie die USA, in neue Spannungen und in einen neuen Büstungswettlauf hineingezogen zu werden. Ich denke da besonders an die nicht reiflich überlegte schnelle Expansion der NATO. Die gegenwärtige NATO-Erweiterung bis zu den Grenzen Rußlands ist sehr gefährlich und ist einer Überrumpelung gleichzusetzen.”

„Warum ist es denn notwendig, gerade jetzt mit einem neuen geopoliti-schen Spiel zu beginnen”, fragt Frau Theorin. Und sie sagt weiter: „Ich war vor kurzem in Rußland und bin russischen Politikern in der Duma begegnet. In allen politischen Lagern sind sich die Menschen einig, daß sie die NATO-Expansion ablehnen. Sie wissen zwar, sie können diese nicht aufhalten, aber andererseits wissen sie, daß dieses NATO-Programm einen Auftrieb für Kommunisten, Nationalisten und Militärs bedeutet und die demokratischen Kräfte Rußlands schwächt. Eine geschwächte und gedemütigte große Nation wie Rußland könnte, von nuklearen Waffen in der Nähe seiner Grenzen bedroht, sehr gefährlich werden. In der Duma sind sich alle politischen Parteien in der Beurteilung der NATO-Ostexpansion absolut einig. Es besteht kein Zweifel, daß die Zusammenarbeit zwischen Rußland und dem Westen durch die NATO-Expansion negativ beeinflußt wird.”

Zur Frage der Abrüstung und der Einschränkung des Waffenhandels meint Frau Theorin, daß Europa hier eine führende Rolle spielen sollte. Die heutigen Militärausgaben verschlingen weltweit einen viel zu großen Teil der produktiven Ressourcen. Ihre Reduktion würde Entwicklungsprojekte leichter finanzierbar machen. Fünf

Prozent jährliche Reduktion der Militärbudgets für die Dauer von fünf Jahren könnte für soziale Projekte einen wichtigen Impuls bedeuten.

Was die Nuklear-Waffen betrifft, so erinnert Theorin daran, daß diese ursprünglich dazu entwickelt wurden, einem Atomschlag Hitlers zuvorzukommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie ein Mittel, im Kalten Krieg den Gegner „zu Tode zu rüsten”. Jetzt, nach dem Ende des Kalten Krieges, sind sie sinnlos geworden. Denn es hat sich in den Kriegen seit 1945 gezeigt, daß der Einsatz von Atomwaffen unkalkulierbar und daher nutzlos ist

Als Mitglied der 1995 von der australischen Regierung gegründeten Canberra-Commission tritt Frau Theorin für die totale Abschaffung aller Atomwaffen ein. Sie ist überzeugt davon, daß bei einigem guten Willen dieses Ziel in wenigen Jahrzehnten erreicht werden kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung