Fünf Vorschläge für eine neue Weltordnung

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Sie hat zuerst die Weltlage politisch analysiert, dann fünf Vorschläge „für die Anpassung der Politikkonzepte an die heutigen Realitäten“ präsentiert: Inge Kaul, promovierte Politikwissenschafterin, Professorin, Autorin von Fachbüchern zur internationalen Politik und Beraterin internationaler Organisationen, etwa der Vereinten Nationen. Sie referierte bei der Tagung der GLOBArt Academy im niederösterreichischen Pernegg. Diese galt heuer dem Thema „Demokratie neu erfinden“. Ein hoher Anspruch, der eingelöst wurde.

Die Vorschläge sollten auch, so Kaul, dazu dienen, staatliche Souveränität wieder etwas zurückzugewinnen. Nationales Eigeninteresse lasse sich heute zumeist am besten verwirklichen, wenn der globale Kontext und die globalen Kooperationen mit in Betracht gezogen werden.

Souveränität als Verantwortung

Die Souveränität des Staates könne, so Kaul, auch als Freiheit gesehen werden, nämlich als Freiheit zur nationalen Selbstbestimmung. Was für die Freiheit gelte, das sollte dann auch für die Souveränität gelten. Die eigene Freiheit dürfe nicht auf Kosten anderer verwirklicht werden. Und zwar nicht aus moralischen oder aus ethischen Gründen, sondern auch aus Selbstinteresse. Die reziproke Rücksichtnahme aller auf die Freiheiten der Anderen diene auch der Absicherung der eigenen Freiheiten. Übertragen auf das Thema Souveränität bedeute dies, von allen Staaten gleichermaßen Rücksicht auf die anderen zu verlangen, vor allem von den stärksten Staatsmächten, egal, ob es um die Lösung von Problemen oder die Nutzung von Chancen gehe.

Respektvolle und faire Kooperation

Nach den Jahren der Bipolarität während des Ost-West-Konfliktes und einer weitgehend unipolaren, von der Dominanz westlicher Industrieländer gekennzeichneten weltpolitischen Lage würden wir uns nun, wie Kaul ausführte, auf eine neue Zeit hinbewegen: Diese sei geprägt von intensiverer Interdependenz, von wachsender Multipolarität, die durch zunehmende Stärke der Schwellenländer bedingt werde. Der Ausbruch aus den gegenwärtigen Verstrickungen in die Krise und die bessere Gestaltung der Globalisierung werde nur gelingen, wenn internationale Kooperation die Interessen aller Partnerländer berücksichtige und zur Kenntnis nehme, dass auch diese Bestand und Erfolg erzielen wollen. Fairness bedeute, dass alle ihre Interessen wirksam einbringen könnten.

Den Vereinten Nationen schreibt Kaul die Rolle globaler Steuerung zu. Die UNO sei seit ihrer Gründung 1945 eine wichtige „Ankerinstitution des Souveränitätsprinzips“ gewesen. Daher sei es nur konsequent, sie zum zentralen Forum für die Modernisierung und Anpassung dieses Prinzips an die heutigen Realitäten zu machen. Für diesen Zweck könnte eine repräsentative, aber überschaubare Gruppe eingesetzt werden, der Vertreter der Staaten angehören, die das Mandat haben, Vorschläge für Grundelemente eines neuen Souveränitätsprinzips zu erarbeiten. Diese Gruppe könnte zudem der UNO helfen, festgefahrenen Verhandlungen neue Impulse zu geben. Daher, so Kaul, sollte diese Gruppe den Namen „Global Stewardship Council“ tragen. Sie sollte sich vor allem der neuen Ordnung der Stimmenverhältnisse in den Gremien und Organisationen der Vereinten Nationen widmen, als Sicherheitsrat, Weltbank und Währungsfonds.

In ihren Vorschlägen regt Kaul zudem an, die Rolle des Staates anzuerkennen und zu benennen. Dazu gehöre dessen Rolle als Vermittler zwischen nationalen, regionalen und globalen Interessen. Ohne diese Vermittlerrolle sei verantwortungsvolle Souveränität nicht möglich. Und nicht zuletzt fordert die Politikwissenschafterin, in der Diplomatie neue Ansätze und neue Strategien zu entwickeln.

Wenn Demokratie nicht an nationalen Grenzen haltmachen und zudem Gestaltungsprinzip auf internationaler Ebene sein soll, dann müsse auch die Diplomatie neu durchdacht werden. Die anstehenden Politikthemen seien globaler Art. Sie hätten den Charakter globaler öffentlicher Güter, nicht zuletzt wegen gegenseitiger Abhängigkeiten. Da internationale Kooperation aber kaum freiwillig zustande komme, müssten den Beteiligten Anreize zur Teilnahme geboten werden. Diese könnten nur darin liegen, dass es eben auch in ihrem Interesse ist, an dieser Kooperation teilzunehmen. Daher, so schließt sich der Kreis, müssten die Prinzipien der Fairness und eines neuen Staatsverständnisses gelten. Handbücher und Kurse der Diplomaten seien dahingehend zu prüfen, ob sie derartiges Denken schon „in angemessenem Maße reflektieren“. Bleibt der letzte, fünfte Vorschlag: Die Gestaltung der Globalisierung sei nur durch eine Politik der kleine Schritte zu erreichen. Diese seien dann aber auch zu setzen. (c.r.)

Die Referentin

* Inge Kaul

Die promovierte Politikwissenschafterin berät internationale Organisationen.

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