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Fundamentales Mißverständnis

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Ausuaiuiiswerse öei nur eine yeisönliche Vorbemerkung gestattet, weil sie vielleicht beitragen kann, von Anfang an ein Mißverständnis meiner Stellungnahme zu vermeiden. Vor fast 15 Jahren habe ich mir in meiner Dissertation das Thema gestellt: Vom Ökonomismus zur Transzendenz. Ich habe zu fragen begonnen nach dem Verhältnis von Christentum und Sozialismus. In all den Jahren, da ich die Betriefosräteschule der steirischen Arbeiterkammer leite, habe ich in unserem Unterricht regelmäßig katholische Priester gebeten, über die religiöse Problematik des Menschen in unserer Zeit vorzutragen, habe ich Theologen und Laien, sozialistische Gewerkschafter

und Mitglieder der Katholischen Aktion zu gemeinsamen Seminaren eingeladen. Auch wenn ich persönlich konfessionslos bin, glaube ich sagen zu dürfen, daß ich mich doch ein wenig mit der Frage des Wirkens des Christen im Raum der Politik und der Gesellschaft auseinandergesetzt habe, und nie zu denen gehört habe, für die ein Priester ein Pfaffe war und Kirche ein Synonym für ÖVP. Ich war auch nie der Meinung, überlaßt der Kirche und der Religion das Jenseits, das Diesseits gebt aber den anderen Mächten.

Und doch beantworte ich Ihre erste Frage nach dem Begriff der christlichen Demokratie klar und eindeutig damit, daß es meiner Auffassung nach keine christliche Demokratie geben kann. Hier werden um der politischen Propaganda willen zwei Begriffe, zwei Welten miteinander in einer Weise vermengt, die mir unzulässig erscheint. Wir haben auch im Bereich der Gewerkschaftsbewegung dieses Problem in sehr konkreter Form gestellt: Eine politische Gruppe nennt sich christliche Gewerkschaftsfraktion. Mit welchem Recht? Das logische Gegenstück zur sozialistischen Gewerkschaftsfraktion oder kommunistischen Gewerkschaftsfraktion kann doch nicht eine christliche Fraktion sein. Und soll der Gegenspieler der Sozialdemokratie die christliche Demokratie sein? Ist es nicht vielmehr so, daß Christen in der Sozialdemokratie wirken können genau so wie in einer liberalen oder bürgerlichen (gemeint im Sinne von konservativen) Demokratie? Ich will mit dieser Auffassung weder der christlichen Gewerkschaftsfraktion eines auswischen noch der ÖVP. Es müßte uns allen wohl um Grundsätzlicheres gehen als um taktisch propagandistische Vorteile. Ich wehre mich auch dagegen, wenn mein Freund Günther Nenning einen Artikel unter der Schlagzeile verfaßt: „Der Papst ist ein guter Sozialist.“ Ich finde es genau so merkwürdig, wenn prominente sozialistische Politiker hergehen, und

als Argument gegen OVF-vorscMage verwenden. Hier liegt ein fundamentales Mißverständnis über das Verhältnis von Religion und Politik, Christentum und Demokratie, vor.

Es gibt kein Lehrbuch für die Spielregeln der Demokratie, welches sich aus der Bibel abschreiben läßt. Christlicher Glaube ist kein Monopol, das sich von irgendeiner Partei in Beschlag nehmen ließe. Es wäre für die Kirche und für die Parteien gleich schlecht, wenn an die Stelle des Bündnisses von Thron und Altar das Bündnis zwischen Kirche uid Parteien, ob diese Partei nun die ÖVP oder die SPÖ ist, treten sollte. Diese Gefahr klingt aber an, wenn jemand von christlich-demokratischer Partei, christlich-sozialer Partei oder von einer christlichen Demokratie spricht. Österreich ist der deutschen Bundesrepublik meines Erachtens in dieser Beziehung voraus. Die ÖVP hat sich offensichtlich schon bei ihrer Namensgebung im Jahre 1945 von der Vorstellung einer christlich-demokratischen Partei getrennt. Sicherlich hatte das auch taktische Gründe, denn es ist gerade dann, wenn ich national-liberale Kreise ansprechen will, gar nicht ein so unbedingter Vorteil, das Christentum als Aushängeschild zu verwenden. Das mögen jene Politiker bedenken, die immer wieder meinen, den großen Fischzug bei den Wählern mit dem Köder „christlich“ machen zu können. Aber es haben doch wohl auch die ernstzunehmenden Politiker im Lager der ÖVP gewußt, daß eine christliche Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft, in einer Partei, die für alle Demokraten da sein soll, politisch weder realisiert noch gewollt werden kann, soll das Christentum nicht noch einmal scheitern an seiner eigentlichen Aufgabe, eine Botschaft heranzutragen an alle, über alle Parteigrenzen hinweg. Gewollt werden kann und soll der Ohrist, der demokratischer Staatsbürger ist, der sich seiner Verpflichtung im Raum der Gesellschaft immer mehr bewußt wird. Der einzelne Christ, der nicht ein Taufscheinkatholik oder Taufscheinprotestant ist, kann in der Demokratie, in den politischen Parteien Sauerteig sein, Revolutionär, Kristallisationspunkt und Ausstrahlungszentrum für einen christlichen Humanismus, aber nicht dadurch, daß er sich einem bestimmten Wirtschafts- und Sozialkonzept, einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung verschreibt, welche die Etikette „christlich“ angeklebt hat und die immer zeitgebunden sein wird, von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten bestimmt, die auf einer ganz anderen Ebene liegen als die Botschaft des Christentums an die Menschheit; der einzelne Christ wird vielmehr dadurch seinem Anliegen gerecht werden können, daß er weiß, es gibt jenseits des politischen Raumes Werte, die auch in der politischen Alltagsarbeit einen Niederschlag finden sollen.

Der Ohrist ist sehr wohl politischer Mensch, aber er ist immer auch mehr. Sein christlicher Auftrag in der Demokratie ist meines Erachtens nicht die Verwirklichung einer christlichen Demokratie, eine solche kann es nicht geben, ist auch nicht die Mitgliedschaft bei einer christlichen Partei. Ich wüßte nicht, wie das Programm und das Statut einer solchen Partei aussehen sollte. Sein Auftrag ist, eine Religion der Nächstenliebe vorzuleben. Die Demokratie bietet dazu mehr Chancen als jede andere Staatsform. Welche Partei ihm der bessere Garant für diese Möglichkeit christlicher Existenz zu sein scheint, soll er in jedem Land urd bei jeder Wahlentscheidung irnrr.c: wieder aufs neue überprüfen.

Leiter der Volkswirtschaftsschule der Steirischen Arbeiterkamnier

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