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Geistliche Imagepflege für Politiker

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Bei den Veränderungen am Balkan gewinnen spirituelle Autoritäten einen für Mitteleuropa unvorstellbar großen Einfluß auf das politische Geschehen.

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Bei den Veränderungen am Balkan gewinnen spirituelle Autoritäten einen für Mitteleuropa unvorstellbar großen Einfluß auf das politische Geschehen.

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Zumindest mit der Korruption wird Konstantinescu ein Ende machen.” Auf diese Aussage bei vielen Gesprächspartnern in Rumänien folgte immer wieder eine Erwähnung: Der neue Präsident war gemeinsam mit Konstantin Galeriu im Fernsehen aufgetreten. Damit war es Konstantinescu zweifellos gelungen, sein Image als „Saubermann” zu untermauern. Für manche war dies offensichtlich ein wesentliches Argument, den Rektor der Bukarester Universität zum Präsidenten Bumäniens zu wählen. Der Mann, der zu seiner Wahl geholfen hatte, Konstantin Galeriu, gehört zu den Leuten Bumäniens, die „man” kennt. Lange bevor er in Fernsehen oder Zeitung auftauchte, noch in der kommunistischen Zeit, war sein Buf von der Walachei bis in die Moldau und ins westliche Siebenbürgen gedrungen. Bekannt war er für sein Gebetsleben, für seine strenge Askese, für die Batschläge, die er Hilfesuchenden gab, vor allem aber auch für seine Predigten und sein Lebenszeugnis, das als sehr glaubwürdig gilt.

Konstantinescu mag ihn aus Überzeugung oder aus wahltaktischen Gründen zugezogen haben, zweifellos hat er damit ein Signal gesetzt, das von vielen verstanden wurde. Er steht für moralische Integrität, aber auch für Bückbesinnung auf religiöse Werte. In einem Land, in dem nur 0,2 Prozent angeben, keine Beligion zu haben und in dem das Klosterleben boomt, ein wichtiger Faktor. Ähnlichen Einfluß scheinen Geistliche bisweilen auf lokale Wahlen, vor allem in der Moldau, genommen zu haben.

Auch in Serbien wirken religiöse Autoritäten in den letzten Monaten verstärkt in die Politik. Hier ist es besonders der greise Patriarch Pavle, der in den letzten Jahren auch in den westlichen Medien bekannt wurde. So umstritten seine Haltung im Westen ist, in Belgrad hört man über ihn immer wieder den Satz „Das ist ein Heiliger”. Sein einfacher Lebenswandel, seine Begeisterung für den Gottesdienst werden dafür ins Treffen geführt, aber auch Geschichten wie jene, daß er sich geweigert habe, nach seiner Wahl das Auto des Patriarchen zu verwenden und die gewohnte Straßenbahn vorzog.

Seit dem Kriegsausbruch haben sich in Serbien die Kirchen gefüllt, die Autorität der Orthodoxie scheint gestiegen zu sein. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß die Wünsche kirchlicher Bepräsentanten von den neugewonnenen Gläubigen beachtet worden wären. Das galt für Friedensaufrufe ebensowenig wie für das Eintreten für das Begime in Pale.

Dennoch hat Pavles Eintreten für die Anerkennung des Wahlsiegs der Opposition, zuletzt beim Weihnachtsgottesdienst im Jänner, wo 200.000 Personen teilnahmen, schließlich bei einer Demonstration Mitte Jänner mit etwa 500.000 Teilnehmern, wichtige Signalwirkung. Jedenfalls wird der orthodoxen Kirche geglaubt, daß sie auf Seiten des Volkes steht. Nicht nur auf Grund der Predigten der jetzigen Kirchenführer, noch mehr auf Grund der Erfahrungen der serbischen Geschichte in der Türkenzeit, in der die Kirche einzige Trägerin der nationalen Identität wurde.

Ist die Kirche zur Überzeugung gekommen, die Wahl sei gefälscht, so ist dies ungleich glaubwürdiger, als wenn dies nur die Opposition und ausländische Beobachter behaupten. Gerade letztere waren in den letzten Jahren oft verdächtigt worden, Feinde Serbiens zu sein.

Zum anderen hätte der Appell Pavles größere Chancen, auch die Landbevölkerung zu erreichen, als es die Opposition hatte. Der ganz überwiegende Teil der Medien ist in der Hand von Milosevic nahestehenden Personen. Gerade der „unpolitische” Pavle gilt durch sein Engagement für das serbische Volk als glaubwürdig. Seine Parteiergreifung, ebenso wie die von anderen populären Bischöfen, etwa Irenej Bulovics der Backa, trägt daher wohl auch zu einem Umschwung in Serbien bei.

Nicht gelungen ist bisher der Versuch, die Religion als politische Kraft in Albanien zu nützen. Dies gilt sowohl für griechische Bemühungen um den „Nordepirus”, das südliche Albanien, als auch für Bemühungen fundamentalistischer Moslems, ihre Glaubensbrüder gegen die christliche Minderheit aufzuwiegeln. Die Beli-gionen in Albanien sind traditionell tolerant. Auch bei den gegenwärtigen Demonstrationen spielen sie anscheinend eine Rolle.

Kaum nützen konnte die bulgarisch-orthodoxe Kirche bisher ihre Autorität. Nach einer Gallup-Umfra-ge hat sie in ihrer Heimat das höchste Ansehen nach dem Militär. Ihre Möglichkeiten sind aufgrund des Schismas aber eingeschränkt. Es entstand nach der Wende wegen des Vorwurfs reformorientierter Kirchenkreise, Patriarch Maxim sei 1971 gewählt worden, weil er der einzige von den Kommunisten akzeptierte Kandidat war. Der Patriarch weigerte sich 1992 zurückzutreten, der Gegenpatriarch -von einer kleinen Gruppe gewählt -wurde von den anderen orthodoxen Kirchen ebensowenig akzeptiert wie vom Staat. Dem Schisma entsprechend fielen die Stellungnahmen zu den Demonstrationen aus: der kanonische Patriarch warnte vor Blutvergießen, der Gegenpatriarch rief zum Sturz der kommunistischen Begierung auf. Was naheliegend ist. Zum Sturz von Sympathisanten der Kommunisten war er auch angetreten. Die „Ansehen-Hitliste” der Gallup-Um-frage kann zugleich eine Idee davon geben, wie sich die Politik in Bulgarien weiterentwickeln könnte.

Es ist eine andere Frage, ob der Aufgabe der Kirche und ihrer Exponenten damit gedient wird, daß sie sich in politische Geschehen mischt oder sich von einer politischen Fraktion vereinnahmen läßt. Sicherlich ist es von guten Intentionen getragen. Zweifellos aber sind spirituelle Autoritäten zu einem politischen Faktor beim Umbruch am Balkan geworden.

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