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Geplänkel im Hohen Haus

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Einen Tag nach den Parlamentsnachwahlen in Wien treffen am 5. Oktober die Klubobmänner der Parteien im Hohen Haus erstmals nach dem Sommer zusammen, um den Fahrplan der ersten Plenarsitzungen auszuhandeln. Premiere wird bei dieser Gelegenheit auch Prof. Dr. Koren haben, der erstmals in seiner neuen Funktion als Klubobmann der ÖVP auf Parlamentsboden gegen SPÖ-Fuchs Dr. Pittermann und FPÖ-Boß Peter eine günstige Ausgangsposition für die Volkspartei heraushandeln soll. Diese Präsidialkonterenz, in der das Sitzungsprogramm festgelegt wird, ist von großer taktischer Bedeutung.

Ein erstes Vorgeplänkel hatte bereits Finanzminister Dr. Androsch mit seiner Ankündigung eingeleitet, er werde die Budgetrede am 16. Oktober halten. Diese Ankündigung rief Professor Koren sogleich auf den Plan: Es sei Sache des Parlaments, die Tagesordnung des Hohen Hauses zu bestimmen und nicht Sache eines Ministers.

Damit folgte Dr. Koren einer alten Tradition der Opposition, die sich auch in der Vergangenheit stets mit gutem propagandistischem Erfolg als Hüter der Parlamentsrechte ausgegeben hat.

Die große Frage aber lautet, ob es der Minderheitsregierung gelingt, das Budget 1971 auch durchzubringen. Das kann Dr. Kreisky nach den bereits bezogenen Positionen der Parteien nur mit Hilfe der Freiheitlichen gelingen. Für das Kabinett stellt sich die Budgetfrage als Lebensproblem dar. Der Lebensfaden, an dem die Regierung hängt, ist dementsprechend dünn, geht es doch im Zusammenhang mit dem Budget auch um die heiße Frage der Sondersteuern, die mit Jahresende auslaufen, sofern das Parlament nicht deren Verlängerung beschließt. Für diesen unpopulären Schritt setzt sich die Regierung, im Gegensatz zu den Oppositionsparteien, ein. Es ist daher verständlich, daß ÖVP-Klub-obmann Dr. Koren schon jetzt ankündigt, er wolle sich bemühen, die Entscheidung darüber noch vor der eigentlichen Entscheidung über das Budget herbeizuführen. Koren hat in dieser Frage sicherlich mit heftigem Widerstand der Sozialisten zu rechnen. Er hat allerdings das logisch zwingende Argument für sich, daß eine Ablehnung der Regierungspläne auf dem Sondersteuersektor eine allfällige frühere Entscheidung über den Bundeshaushaltsplan wieder zunichte machen müßte. Eine Fülle von Materien steht neben dem Budget noch auf dem Wunschprogramm sowohl der Regierung als auch der Oppositionspartei: • Die Regierung möchte das Wahlrecht, die Wehrdienstzeitverkürzung, Teile der Strafrechtsreform und Änderungen auf dem Mi et- und Wohnbausektor behandelt wissen;

• die oppositionelle Volkspartei möchte eine Verbesserung der Fami-lienibeühilfen und die Einführung eines Bonussystems in der Pensionsversicherung.

Die Gemüter erhitzten überdies aber auch der Steuersentoungsplan des Finanzministers, Kreiskys Ombuds-man und dessen ÖVP-Konkurrenz, der sogenannte Petiitionsausschuß. Das alles sind Themen mit Sprengkraft genug, um weitreichende innenpolitische Folgen auszulösen. Kreiskys Neuwahldrohungen, für den Fall, daß die Minderheitsregierung strauchelt, haben freilich nur dann einen realen Hintergrund, wenn sich der Bundespräsident zur Auflösung des Nationalrates und zur Ausschreibung von Neuwahlen entschließt. Auf der anderen Seite halten informierte Beobachter eine Selbstauflösung des Nationallrates, die ebenfalls den Weg zu Neuwahlen freimachen könnte, für wenig wahrscheinlich. Dafür dürfte sich kaum eine Mehrheit finden, bangen doch die Freiheitlichen um ihre Existenz, während die Volkspartei eher daran Interesse zu haben scheint, über Regierungsverhandlungen wieder ins Kabinett einziehen zu können. Auch in diesem Fall würden die Freiheitlichen Zünglein an' der Waage sein, zumal gegenwärtig die Spitzenfunktionäre beider Großparteien die Bildung einer gemeinsamen Regierung eher für ausgeschlossen halten.

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